LEADER-Special

Der elektrische Lebensnerv der Ostschweiz

Der elektrische Lebensnerv der Ostschweiz
Martin Simoni
Lesezeit: 5 Minuten

Martin Simioni folgte im August 2024 auf Stefano Garbin als SAK-CEO. Der ehemalige EKT-CEO soll die St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG in eine weiterhin erfolgreiche Zukunft führen. Der LEADER hat den neuen CEO zum Gespräch gebeten. Quo vadis, SAK – und was können wir von den Thurgauern lernen?

Text: Fabian Alexander Meyer

Martin Simioni, welche strategischen Schwerpunkte setzen Sie für die kommenden Jahre für die SAK?
An erster Stelle steht unser Versorgungsauftrag, der auch in der Eigentümerstrategie verankert ist. Wir versorgen die Ostschweiz sicher mit sauberem und bezahlbarem Strom und erneuerbarer Wärme. Was in der Öffentlichkeit häufig zu wenig wahrgenommen wird: Wir erschliessen die Haushalte in den Bauzonen in unserem Versorgungsgebiet auch flächendeckend mit Glasfaseranschlüssen. Dank dieser Initiative der SAK gehören die von uns versorgten Gemeinden zu den Spitzenreitern betreffend Glasfasererschliessung.

Und an zweiter?
Das zweite Ziel ist die Entwicklung der Markttätigkeiten ausserhalb des Versorgungsauftrags. Dabei geht es nicht darum, neue Geschäftsfelder aufzubauen, sondern die Profitabilität der Bestehenden zu verbessern. Einen Schwerpunkt bilden die Energie- und Datenlösungen für Unternehmen und Haushalte. Mit der Dezentralisierung der Energieversorgung und der Digitalisierung wachsen diese Bereiche immer mehr zusammen. Wir können den Unternehmen und Haushalten Lösungen aus einer Hand anbieten. Die Ladestation, die Trafostation für die elektrischen Lastwagen als Contracting-Angebot, die Abnahme der Prozessabwärme bspw. mit unseren Anergienetzen, das sind Netze, die Wärme und Kälte liefern können. 

Wie wollen Sie dabei die Profitabilität der SAK in einem zunehmend wettbewerbsorientierten Energiemarkt sichern?
Zuerst steht bei uns immer die Frage, welche Lösungen unser Kunde in der Energie- und Datenwelt von morgen benötigt. Etwa Wasserstoff: Hier bauen wir mit dem ersten Elektrolyseur in der Ostschweiz wertvolle Erfahrungen auf. Dies wird uns helfen, in Zukunft den Unternehmen Lösungen anzubieten, um ihre Wertschöpfung und ihr Wachstum vom CO2-Ausstoss zu entkoppeln. Dies ist für die Ostschweiz mit ihrem bedeutenden Industriesektor zentral. Dabei arbeiten wir mit lokalen Partnern, bspw. der Avia Osterwalder oder der SN Energie zusammen. Die Reihenfolge ist also: Gute Lösungen führen zu zufriedenen Kunden und dies wiederum zu einer guten wirtschaftlichen Leistung.

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«Persönlich würde ich eine einfache, wirkungsvolle CO2-Lenkungsabgabe begrüssen.»

Sie kommen von der EKT, also einer Art Pendant der SAK im Thurgau. Welche Erfahrungen und Kenntnisse bringen Sie damit nach St.Gallen?
Die EKT konzentriert sich im Thurgau auf die Netzebene 5a, die Verbindungsebene zwischen den Gemeinden, die Kunden sind alle bei den lokalen Verteilnetzbetreibern. Die SAK versorgt selbst ungefähr 80´000 Haushalte in der Ostschweiz. Daraus ergeben sich ganz unterschiedliche Aufgaben. Die EKT ist als Unternehmen sehr schlank und effizient aufgestellt und konzentriert sich auf Dienstleistungen für Unternehmen. Die SAK ist mit ihren Haushaltskunden breiter strukturiert.

Hand aufs Herz. Was können wir St.Galler vom Thurgau lernen?
Was ich am Thurgau sehr schätzen gelernt habe, ist die offene, direkte und lösungsorientierte Art der Thurgauer Politik, Wirtschaft und Bevölkerung. So durfte die EKT für die Kantonsverwaltung, aber auch für eine grosse Gesundheitsgruppe umfassende Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation und Datenzentren erbringen. Bei den entsprechenden  Aufträgen hat sich die EKT gegenüber ihren Konkurrenten durchgesetzt.

Im Gegensatz zu St.Gallen?
Nein. Auch die Politik und Verwaltung in den Eigentümerkantonen der SAK habe ich bisher sehr offen und kooperativ erlebt. Wir müssen aber noch daran arbeiten, dass wir als SAK nicht nur als Stromlieferant wahrgenommen werden, sondern auch als moderner IT-Dienstleister. Hätten Sie beispielsweise gewusst, dass die SAK mit dem Rechenzentrum Ostschweiz RZO in Gais eines der sichersten Datenzentren der Schweiz betreibt, das ausserdem auch bezüglich Energieverbrauch eines der effizientesten ist?

«Gute Lösungen führen zu zufriedenen Kunden und dies wiederum zu einer guten wirtschaftlichen Leistung.»

Die SAK ist also eine «Gesellschaftsmarke», wie etwa der FC St.Gallen 1879?
Genau. Wir sind der elektrische Lebensnerv der Ostschweiz und verbinden die Menschen und Unternehmen mit Energie und Daten. Nur schiessen wir halt keine so schönen Tore wie im Kybunpark, sondern erledigen unsere Arbeit mehr im Hintergrund. Kurz: Wir verbinden die Ostschweiz.

Regulatorische Vorgaben machen es dem Energiemarkt allerdings nicht gerade einfach.
Damit sprechen Sie einen wunden Punkt an. Mit dem Elektrizitätsmarktgesetz (EMG) von 2001 wollte man ursprünglich den Strommarkt öffnen und damit effizienter machen. Politisch ist genau das Gegenteil geschehen: Es wurden Fördertöpfe, Zielvereinbarungen, Effizienzziele, Verbote, Gebote und immer neue Gesetze und Verordnungen erlassen. Allein der Mantelerlass umfasst mit den Verordnungsentwürfen über 100 Seiten; es gingen rund 6000 Seiten Vernehmlassungsentwürfe ein.

Diese Regulierungsflut und -wut gefährden Ihre Wirtschaftlichkeit nicht?
Nein, aber der Kunde, das Unternehmen, bezahlt sie über den Strompreis. Damit erodieren wir schleichend die Konkurrenzfähigkeit des Werkplatzes Schweiz. Mit Blick auf Deutschland, wo diese Entwicklung noch weiter fortgeschritten ist, macht mir das Sorgen. Die Ostschweiz mit ihrer starken Exportindustrie und Zuliefererbranche ist dabei besonders empfindlich. Persönlich würde ich eine einfache, wirkungsvolle CO2-Lenkungsabgabe begrüssen, die an die Kunden und Unternehmen zurückerstattet wird. Damit könnte die Anzahl der Gesetze und Verordnungen stark reduziert werden. Aber einmal geschaffene Fördertöpfe bekommt man fast nicht mehr weg.

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Welche Prioritäten setzen Sie beim Ausbau erneuerbarer Energien im Portfolio der SAK?
Das wichtigste Element in der Produktion erneuerbarer Energien der SAK ist ihre Beteiligung an der Axpo. Die SAK ist mit 12,5 Prozent beteiligt, was einer Strommenge von rund zweieinhalb Terawattstunden entspricht. Heute bezieht die SAK ihren Strom wegen des Wettbewerbsgesetzes zu Marktpreisen von der Axpo und erhält im Gegenzug eine Dividende, wenn der Geschäftsgang gut ist.

Und wie schätzen Sie die zukünftige Rolle von Wasserstoff in der Energieversorgung ein?
Wasserstoff allein wird unsere Herausforderungen bei der Energieversorgung nicht lösen. Wir sehen Wasserstoff aber als wichtigen Energieträger für die Hochtemperaturprozesse in der Industrie, um Erdgas zu ersetzen, oder beispielsweise als Grundstoff für synthetische Treibstoffe im Flugverkehr, wo Batterien schlicht zu schwer sind. Die Erzeugung von synthetischem Wasserstoff benötigt aber sehr viel Strom. Wichtig ist deshalb ein gewisser Stromüberschuss, der in Wasserstoff umgewandelt werden kann. Dieser Strom wird zukünftig hauptsächlich aus dem Produktionsüberschuss von Photovoltaik-Anlagen kommen.

Zum Schluss: Wie wollen Sie konkret die CO2-Emissionen im Versorgungsgebiet der SAK reduzieren?
Die SAK nimmt mit ihrer Strategie Netto Null 2040 eine Vorreiterrolle ein. Wenn wir so weiterfahren wie bis jetzt, wird es bis Ende Jahrhundert in der Schweiz rund vier Grad wärmer sein. Eine unserer wichtigsten Aufgaben als SAK ist es, die Unternehmen und die Gesellschaft in der Ostschweiz dabei zu unterstützen, ihr Wachstum und den Wohlstand vom CO2-Ausstoss zu entkoppeln. Dafür bieten wir Lösungen an.

Text: Fabian Alexander Meyer

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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