Büro vs. Homeoffice: Schlägt das Pendel zurück?

Nach den Corona-Jahren mit leer gefegten Büros und übervollen Homeoffice-Arbeitsplätzen ist in vielen Firmen ein neuer Realismus eingekehrt. Die Euphorie über das dauerhafte Arbeiten von zu Hause ist verflogen – und mit ihr die Prognosen über massenhaft leere Büroflächen. Doch ist das Pendel zurückgeschlagen? Im Kanton Thurgau zeigt sich ein differenziertes Bild.
Trendwende bei der Rückkehr ins Büro
«Die Homeoffice-Welle hat sich bereits kurz nach Beendigung der Coronamassnahmen wieder zurückentwickelt», beobachtet Attila Wohlrab, Inhaber der Immokanzlei in Kreuzlingen und Präsident des dortigen Arbeitgeberverbands. Auch wenn sich der Rückzug ins Homeoffice in urbanen Zentren etwas länger gehalten hat, sei inzwischen ein deutlicher Gegentrend erkennbar – und zwar nicht nur bei den Unternehmen: «Viele Arbeitnehmer stellen ebenfalls fest, dass das Homeoffice seine Tücken hat», so Wohlrab.
Tatsächlich sind weltweit viele Unternehmen wieder dazu übergegangen, ihre Mitarbeiter regelmässiger ins Büro zu rufen. Prominentestes Beispiel: Elon Musk erklärte Homeoffice kürzlich für «moralisch falsch» – Angestellte hätten gefälligst dort zu sein, wo die Wertschöpfung stattfindet. Auch Schweizer Unternehmen wie UBS und Swisscom formulieren wieder klarere Präsenzregeln.
«Auch wenn sich der Rückzug ins Homeoffice in urbanen Zentren etwas länger gehalten hat, ist inzwischen ein deutlicher Gegentrend erkennbar.»
Flexible Räume statt starrer Konzepte
Für Immobilieninvestoren und Projektentwickler ist diese Entwicklung mehr als eine Personalpolitikfrage. Denn: Wenn Unternehmen wieder vermehrt auf physische Präsenz setzen, steigen auch Anforderungen an die Qualität und Nutzungsvielfalt von Büroflächen. «Wir stellen eine grosse Nachfrage bei flexiblen Gewerberäumlichkeiten fest», sagt Wohlrab. Gefragt seien insbesondere Grossraumbüros mit klar abgegrenzten Rückzugsmöglichkeiten – etwa für Meetings, Telefonate oder die Mittagspause. «Flexibilität bei Ausbau und Nutzung ist heute wichtiger denn je.»
Auch ein Blick in die Zahlen zeigt: Der Büroflächenmarkt stabilisiert sich schneller als vielfach angenommen. Laut der Flexible Working Studie von Deloitte nutzen 60 Prozent der befragten Schweizer Unternehmen mittlerweile hybride Modelle. Doch nur ein kleiner Teil plant, Büroflächen signifikant abzubauen – im Gegenteil: Investitionen in die Qualität des Arbeitsplatzes nehmen zu.
Thurgau nicht mit urbanen Zentren vergleichbar
Auch Anita Schweizer, Kommunikationschefin der Thurgauer Kantonalbank, dämpft die Erwartung, dass sich Trends aus Zürich oder Genf eins zu eins auf den Kanton übertragen lassen: «Im Thurgau haben wir eine starke KMU- und Industrielandschaft, in der Homeoffice weniger ein Thema ist als in Dienstleistungsbetrieben.» Zwar bietet auch die TKB Homeoffice-Möglichkeiten – doch grundsätzlich wird allen Mitarbeitern ein Arbeitsplatz in der Bank zur Verfügung gestellt, auch wenn sie ein oder zwei Tage zu Hause arbeiteten.
«Flexibilität, modulare Nutzungskonzepte und hybride Arbeitsplatzstrategien gewinnen an Bedeutung.»
Die Verwaltung als Vorreiter flexibler Modelle
Bei der kantonalen Verwaltung kann Homeoffice gemäss internen Regelungen – bei entsprechender Eignung – bis zu 60 Prozent des Arbeitspensums ausmachen. «Unsere Erfahrungen damit sind durchwegs positiv», sagt Markus Zahnd, Kommunikationschef des Kantons Thurgau. Wichtig sei die Einhaltung klarer Regeln: Homeoffice-Zeiten müssen dokumentiert und die Erreichbarkeit jederzeit gewährleistet sein. Anpassungen seien aktuell nicht geplant.
Die öffentliche Hand spart durch neue Konzepte auch bei der Flächennutzung. «Im neuen Verwaltungsgebäude an der Promenade in Frauenfeld wird ab 2026 eine Desksharing-Ratio von 0,8 angestrebt», sagt Zahnd. Heisst konkret: Acht Arbeitsplätze für zehn Mitarbeiter. Ergänzt wird das durch ein Zonenkonzept mit offenen Treffpunkten wie einer Cafeteria – konzipiert, um die informelle Zusammenarbeit zu fördern.
Büroflächen bleiben gefragt – aber anders
Was bedeutet das alles für den Immobilienmarkt? Klar ist: Die Nachfrage nach Büroflächen ist nicht verschwunden – sie hat sich verändert. Flexibilität, modulare Nutzungskonzepte und hybride Arbeitsplatzstrategien gewinnen an Bedeutung.
«Die Mietpreise haben sich in den vergangenen Jahren bereits der Nachfrage angepasst», sagt Attila Wohlrab. Ein Thema bei Neubauten seien immer die gestiegenen Ausbaukosten – und meistens die grösste Hürde. Die Rückkehr ins Büro ist allerdings nicht der hauptsächliche Treiber der Marktentwicklung. «Wichtiger ist derzeit die gesamtwirtschaftliche und geopolitische Lage. Viele Unternehmer warten ab, wie sie sich in dieser dynamischen Zeit positionieren wollen», so Wohlrab.
Ob das Pendel zurückgeschlagen ist, bleibt Interpretationssache. Fest steht: Der Boom des Homeoffice hat sich abgeschwächt, doch eine vollständige Rückkehr zu alten Bürostrukturen ist unwahrscheinlich. Vielmehr etabliert sich eine neue Balance – mit flexiblen, hybriden Modellen, die sich an die Anforderungen der jeweiligen Branche und Belegschaft anpassen.
Deloitte-Studie: Flexible Arbeit bleibt – aber hybrid dominiert
Die Deloitte Flexible Working Studie zeigt: Flexible Arbeitsmodelle sind gekommen, um zu bleiben – doch das klassische Homeoffice verliert an Exklusivität. Rund 60 Prozent der Schweizer Unternehmen setzen heute auf hybride Modelle, bei denen Mitarbeiter teils vor Ort, teils remote arbeiten. Nur sechs Prozent ermöglichen vollständiges Remote-Arbeiten. Die Präsenz im Büro gewinnt wieder an Bedeutung – vorwiegend für Teamarbeit, Innovation und Unternehmenskultur. Unternehmen investieren gezielt in moderne Büroflächen, die den Austausch fördern, statt Fläche abzubauen. Führungskräfte schätzen flexible Arbeit, sehen aber Herausforderungen bei der Führung auf Distanz und Teamzusammenhalt.