«Wohnraum, Infrastruktur und Baukultur gehören auf die Agenda»

Für Christoph Bärlocher stehen 2025 drei grosse Fachthemen im Zentrum, wenn es um die Zukunft des Bauens in der Ostschweiz geht: «Erstens die Nachhaltigkeit. Wir müssen Materialien gezielt einsetzen, vermehrt auf Kreislaufwirtschaft setzen und Bauten so planen, dass sie langfristig bestehen oder später wiederverwendet werden können. Zweitens die qualitative Verdichtung.
In der Ostschweiz gilt es, sorgsam mit dem knappen Boden umzugehen und gleichzeitig Orte zu schaffen, die lebenswert bleiben und Baukultur ausstrahlen. Drittens die Digitalisierung: Mit BIM und neuen Technologien können wir noch präziser, ressourcenschonender und effizienter bauen.»
«Bauherren müssen nachvollziehen können, wie sich Kosten entwickeln.»
Ausgebildete Fachkräfte als Schlüssel für die Branche
Dabei sei es entscheidend, den Menschen nicht zu vergessen. «Der Fachkräftemangel ist spürbar. Wenn wir in die Ausbildung investieren und die Attraktivität der Bauberufe stärken, können wir langfristig dem Fachkräftemangel entgegenwirken und jungen Menschen eine Perspektive in einer zukunftssicheren Branche bieten. Nur mit qualifizierten, motivierten Fachleuten wird es gelingen, die Herausforderungen des Bauwesens nachhaltig zu meistern.»
Der Fachkräftemangel ist für die gesamte Bauwirtschaft eine zentrale Herausforderung. «Am wichtigsten sind ein gutes Miteinander und Verlässlichkeit. Gewinnen können wir neue Fachkräfte, indem wir spannende Projekte, moderne Arbeitsmethoden und attraktive Arbeitsbedingungen bieten. Halten können wir sie, weil wir zuhören, Perspektiven eröffnen und den Menschen hinter der Fachkraft sehen. Nur so kann die Baubranche ihre Zukunft sichern.»
Bärlocher ist überzeugt, dass die Ausbildung künftig noch stärker ins Zentrum rücken wird. «Wir müssen junge Menschen für handwerkliche Berufe begeistern und ihnen aufzeigen, wie wichtig ihre Arbeit für die Gesellschaft ist. Ohne Fachkräfte werden weder Energiewende noch Wohnraumentwicklung oder Infrastrukturprojekte möglich sein.»
Bewilligungsverfahren dauern immer noch zu lange
Ein weiterer Punkt betrifft die Bewilligungsverfahren. «Heute dauern diese oft zu lange und blockieren wichtige Projekte. Wir brauchen klare, faire und effiziente Prozesse, die Beteiligung ermöglichen und den Fortschritt zulassen. Nur wenn wir Nachhaltigkeit, Innovation und unkomplizierte Verfahren zusammenführen, können wir in der Ostschweiz ein zukunftsfähiges Bauwesen entwickeln.»
Mit Blick auf Einsprachen und langwierige Verfahren fordert Bärlocher Veränderungen: «Einsprachen und langwierige Bewilligungsverfahren bringen Bauprojekte immer wieder zeitlich und wirtschaftlich unter Druck. Aus unserer Sicht braucht es klare, verbindliche und effizientere Verfahren seitens der Behörden. Nur so lassen sich Bauprojekte termingerecht umsetzen, ohne dass dabei die berechtigten Interessen der Bevölkerung vernachlässigt werden.»
Auch Tradition und Erfahrung spielen für die Zukunft des Bauens eine Rolle. «Die Bauwirtschaft verändert sich, und wir uns mit ihr – sei es mit neuen Technologien, nachhaltigen Bauweisen oder in der Ausbildung junger Menschen. Für mich ist Tradition deshalb kein Blick zurück, sondern das Fundament, auf dem wir mutig und stabil weiterbauen.» Baukultur bedeute für ihn, nicht nur funktionale Gebäude zu schaffen, sondern Orte mit Charakter und Identität, die das Leben in Städten und Dörfern langfristig bereichern. «Wenn Verdichtung gelingen soll, muss sie auch architektonische Qualität bieten.»
«Die Bauwirtschaft trägt eine grosse Verantwortung für die Gestaltung unserer Lebensräume.»
Digitalisierung verändert das Bauen
Auch die Digitalisierung verändert das Bauen nachhaltig. «Wir nutzen moderne Werkzeuge, um Projekte besser zu planen, Abläufe effizienter zu gestalten und die Zusammenarbeit im Team und mit unseren Partnern zu verbessern. Für uns ist die digitale Planung kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, damit unsere Arbeit präziser, übersichtlicher und zukunftsorientierter wird – sie unterstützt den Menschen auf der Baustelle, ersetzt ihn aber nicht.»
Building Information Modeling (BIM) hat sich längst etabliert: «Durch die digitale Vernetzung von Planung, Bau und Betrieb können wir Fehlerquellen minimieren, Ressourcen schonen und die Lebenszyklen von Gebäuden viel besser abbilden. Das ist ein entscheidender Schritt, um Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit miteinander zu verbinden.»
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind im Bauwesen mehr als Schlagworte. «Auf Baustellen achten wir darauf, Materialien sauber zu trennen, wiederzuverwenden und möglichst lokal zu beziehen, um Transportwege zu reduzieren. Dabei verstehen wir Nachhaltigkeit als ganzheitlichen Ansatz – von der ressourcenschonenden Planung über energieeffiziente Bauweisen bis hin zur langfristigen Nutzbarkeit der Gebäude.»
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Potenzial trotz hoher Kosten
Auch die Kostensteigerungen stellen eine grosse Herausforderung dar. «Steigende Materialkosten sind für Bauherren spürbar und eine echte Belastung. Wir begegnen dem, indem wir Projekte sorgfältig planen, Abläufe effizient gestalten und kosteneffiziente Materialien auswählen. So versuchen wir, die Kosten im Rahmen zu halten, ohne dass Qualität oder Nachhaltigkeit leiden.» Gleichzeitig gelte es, Transparenz zu schaffen: «Bauherren müssen nachvollziehen können, wie sich Kosten entwickeln. Nur so bleibt das Vertrauen in Bauprojekte erhalten.»
Für die Ostschweiz sieht er vor allem im Wohnungsbau grosses Potenzial. «Gerade in Städten und Verdichtungszonen ist der Bedarf an attraktivem, bezahlbarem Wohnraum hoch.» Aber auch im Infrastrukturbau sei einiges in Bewegung: «Ich denke da etwa an den neuen Campus der Universität in St.Gallen. Zu hoffen ist auch, dass der Autobahnanschluss Witten–Rorschach und die dritte Autobahnröhre in St.Gallen realisiert werden und der Region langfristig neue Impulse verleihen. Entscheidend wird sein, dass Planung und Umsetzung zügig vorankommen, um den Bedarf zu decken und die Region zukunftsfähig zu machen.»
Für Bärlocher ist klar: «Die Bauwirtschaft trägt eine grosse Verantwortung für die Gestaltung unserer Lebensräume. Wenn wir Nachhaltigkeit, Baukultur, digitale Innovation und effiziente Verfahren verbinden, hat die Ostschweiz beste Chancen, zu einem Vorzeigeraum für modernes Bauen zu werden.»
Text: Stephan Ziegler
Bild: zVg