St.Galler Festspiele 2023

«Le jour de gloire est arrivé»

«Le jour de gloire est arrivé»
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«Andrea Chénier» spielt zur Zeit der Französischen Revolution und der Schreckensherrschaft der  Jakobiner in und um Paris (1789 bis 1799). Sie löschte schlussendlich auch die «alte» Eidgenossenschaft aus. Anmerkungen zur Franzosenzeit in St.Gallen von Alt-Stadtarchivar Ernst Ziegler.

Mit dem Sturm auf die Bastille in Paris am 14. Juli 1789 begann die Französische Revolution. Nach der Revolution kam es von 1792 bis 1809 zu den sogenannten Koalitionskriegen der französischen Republik gegen europäische Grossmächte. – Mit dem Einmarsch der Franzosen in das Waadtland sowie nach Kämpfen bei Neuenegg, Fraubrunnen und im Grauholz und dem Fall Berns am 5. März 1798 begann der Untergang der «veralteten» Eidgenossenschaft und deren Umgestaltung während der Helvetischen Revolution von 1798 bis 1803. Es dauerte dann nicht einmal zwei Monate, bis die Reichsabtei, das Fürstliche Stift und Gotteshaus St.Gallen sowie die einstige freie Reichsstadt und evangelische Stadtrepublik St.Gallen auch untergingen.

Keine «Boten der Freiheit», sondern «Herren und Gebieter»

Im März 1798 machten drei «Freiheitsapostel aus Basel» in St.Gallen halt, um auch hier «dem Volk die Freiheit, Glückseligkeit und Wohlfahrt» der Revolution zu versprechen und eine neue Konstitution schmackhaft zu machen. Nach langem Hin und Her musste denn auch St.Gallen die helvetische Verfassung, «das Werk des siegreichen Frankreich», annehmen. Sie musste am 30. August 1798 vormittags von der Bürgerschaft beschworen werden. Die Sanktgaller wurden dafür am Nachmittag mit einem «Bürgermahl» traktiert.

Schon am 10. Mai 1798 trafen etwa 1200 französische Soldaten in der Stadt ein. Ihr General Jean-Baptiste Lauer (1759–1816) «nahm sein Quartier nebst 50 Husaren im Kloster, und die übrigen wurden in der Stadt einquartiert». Es kamen weitere Franzosen, die nicht «Freiheit und Gleichheit» brachten, sondern nur «Fesseln, Zerstörung, Elend und Jammer». Auch später kamen sie nicht als «Boten der Freiheit», sondern als rücksichtslose «Herren und Gebieter». Während der ersten beiden  Koalitionskriegen von 1792 bis 1802 kamen aber nicht nur Franzosen in unsere Gegend und in die Stadt, sondern auch deren Gegner, Österreicher und Russen.

Immer wieder wurden auch die in den Kämpfen der weiten Umgebung verwundeten Soldaten in die Stadt und ins Lazarett gebracht, das sich «in den geräumigen Gebäuden der Abtei» befand. Viele der Verwundeten starben und wurden «ohne Sang und Klang und ohne Controlle» in einem Massengrab auf dem Friedhof bei der Linsebühlkirche verscharrt. – Dieses Massengrab wurde 1970 geöffnet, und 1972 sowie 1988 wurden Reste von mindestens 44 «Individuen, darunter auch eine Frau», untersucht. Ich konnte am  6. März 1972 die Ausgrabungsergebnisse in der Gerichtsmedizinischen Abteilung des Kantonsspitals studieren und sodann das Thema «Massengrab» historisch  erforschen. (Man hatte zuerst an ein Grab aus der Pestzeit und nicht aus der Franzosenzeit gedacht.)

Originate  Administration und Vertrieb  

«Freiheitsfest» für die Besatzer

Im Januar 1799 musste im Klosterhof ein «französisches Freiheitsfest» gefeiert werden – in Erinnerung an die Hinrichtung König Ludwigs XVI. am 21. Januar 1793!  Es beteiligten sich daran unter anderem 1500 Mann Franzosen, die städtischen Grenadiere, 24 Reiter, weiter in einem Triumphwagen die «Frau Hauptmann Walser von Herisau» als Freiheitsgöttin sowie der kommandierende General Charles-Antoine-Dominique Xaintrailles (1763–1833).

Über die Herisauer Göttin konnte man später lesen: «Während des ganzen  Aktes, der beinahe eine Stunde dauerte, waren die Augen der Zuschauer auf die Grazie unter dem Thronhimmel gerichtet. In leichtem griechischen Anzuge von weissem Atlas, mit schwarzem Gürtel, musste sie die strenge Kälte des Tages derb empfinden; vielleicht, dass die spielenden Genien der Freiheit sie vor dem feindseligen Hauche des starrenden  Frostes schützten; sie kam mit einem unbedeutenden Anfalle von Rheumatismus aus der höhern Region einer Göttin als Sterbliche wieder zur Erde.»

Nach den Franzosen kamen die Österreicher und Russen

Nach dem Einmarsch der Franzosen in St.Gallen hatte Fürstabt Pankraz Vorster (1753–1829) am 9. Februar 1798 «in einer zweispännigen Kutsche sein Land» verlassen. Die militärischen Erfolge Österreichs zwangen die Franzosen wieder zum Abzug aus der Stadt, und mit den kaiserlichen Truppen zog der Abt am  26. Mai 1799 feierlich wieder in sein Kloster ein. Als schon im September wieder französische Truppen in unsere Gegend vorstiessen und die vereinte «austrorussische Armee» Helvetien räumte, flüchtete Abt Vorster nach Mehrerau, und «er sollte St.Gallen nie wieder sehen.»

Mit dem Jahr 1799 oder 1800 ging das 18. Jahrhundert zu Ende; ein Jahr zuvor war es mit der alten Stadt und Republik zu Ende gegangen. Der Anbruch einer neuen Zeit und des neuen Jahrhunderts kündigte sich für unsere Stadt wenig freundlich an: Fremde Truppen hielten das Land besetzt und pressten es aus. In St.Gallen regierten nicht mehr nach alter Väter Sitte Bürgermeister und Räte:  Französische oder kaiserliche Truppenkommandanten herrschten – nicht mehr nach Jahrhunderte alten Satzungen, Rechten und Gebräuchen, sondern mit militärischer Willkür.

Es war für St.Gallen eine schwere Zeit mit Besatzungskosten, Kriegssteuern, grossen Geldzahlungen und Aushebungen von Soldaten. Und mit dem Anbruch der napoleonischen Ära und ihrem Nachspiel begann, nach Louis Specker, «eine Zeit nicht enden wollender Schwierigkeiten und Rückschläge, welche es dem  naiven, gradlinigen Fortschrittsglauben der Aufklärung schwer machten, sich  unangefochten zu behaupten. Absatzkrisen häuften sich, verursachten soziale Probleme von neuartigen Dimensionen und brachten weite Teile der Bevölkerung in Bedrängnis».

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