Effizienz und Pragmatismus statt Papier und Verzögerungen
Emmanuel Marti, Sie prägen den Umgang mit Baugesuchen im Kanton St.Gallen mit. Welche Prioritäten setzen Sie 2025 im Baubewilligungsverfahren?
Im Fokus stehen derzeit die weitere Zentralisierung der Erfassung, Koordination und des Versands von Baubewilligungs- und Planungsverfahren an die Gemeinden sowie durchgängig papierlose Prozesse. Im Herbst 2025 übernimmt die Koordinationsstelle Bau zusätzliche Aufgabenpakete, um Abläufe zu vereinheitlichen. Ab Anfang 2026 werden Baugesuche für den Kanton vollständig digital eingereicht – ohne Papierunterlagen. Das ist ein zentraler Meilenstein für mehr Effizienz.
Persönlich gefragt: Was reizt Sie an dieser Schnittstelle zwischen Bauherren, Architekten und Verwaltung am meisten?
Als ehemaliger Mitarbeiter in der Privatwirtschaft und in mehreren Gemeindeverwaltungen habe ich die Abläufe im Baubewilligungsverfahren kennengelernt. Heute habe ich die Möglichkeit, Schwachstellen gezielt anzugehen. Ich kann in meiner täglichen Arbeit die Verfahren nachvollziehbarer und zielführender machen – für alle Beteiligten.
Das Baubewilligungsverfahren wird von vielen Investoren als komplex und langwierig empfunden. Wo sehen Sie die grössten Hürden – und wie lassen sie sich abbauen?
Die Komplexität resultiert weniger aus der Verwaltungspraxis als vielmehr aus der Verdichtung rechtlicher und fachlicher Anforderungen. Gleichzeitig haben Auslegungen der Gesetze an Tiefe gewonnen, und die Bereitschaft, Rechtsfragen gerichtlich klären zu lassen, ist gestiegen. Das verlangt Spezialisierung und sorgfältige Koordination. Unser Beitrag ist, Entscheidungen effizient vorzubereiten, Doppelspurigkeiten zu vermeiden und die Akteure entlang eines klaren Pfads zu führen. Ziel ist es, dass alle ihre Zeit dort einsetzen, wo sie den grössten Nutzen für das einzelne Gesuch erzielen. Genau darauf zielt die Weiterentwicklung der Koordinationsstelle Bau.
«Ab 2026 können Baugesuche vollständig digital eingereicht werden.»
Digitalisierung und Standardisierung versprechen effizientere Abläufe. Wie weit ist der Kanton St.Gallen hier schon?
Mit der Koordinationsstelle Bau und der Entwicklung von «eBaubewilligungSG» stellen Kanton und Gemeinden die Weichen für eine vollständig digitale Bearbeitung. Wir standardisieren Formulare und Prozesse, etablieren das «Once-Only»-Prinzip, schaffen medienbruchfreie Schnittstellen zu Fachstellen und ermöglichen Nachvollziehbarkeit in Echtzeit. Das Go-Live von eBauSG ist für Ende 2027/Anfang 2028 vorgesehen. Bereits heute haben wir die Weiterentwicklung im Blick. Digitalisierung ist kein Selbstzweck: Wir kombinieren Technolo-gie mit Change-Management, Schulungen und Support, damit die Mehrwerte in der Praxis ankommen – bei Gesuchstellenden, Planenden und den Behörden.
Welche Rolle spielt die frühzeitige Kommunikation mit Bauherren und Investoren, um Einsprachen oder Verzögerungen zu vermeiden?
Frühzeitige Kommunikation ist ein zentraler Erfolgsfaktor: Sie verhindert Fehlannahmen, reduziert Wiederholungsschleifen und schafft Vertrauen. Deshalb empfiehlt die Koordinationsstelle Bau Bauherren und Investoren, bereits zu Projektbeginn Vorabklärungen zu treffen. Alle kantonalen Fachstellen begrüssen eine solche Kontaktaufnahme, weil mögliche Herausforderungen früh erkannt und gemeinsam Lösungen entwickelt werden können.
Oft hört man: «Die Verwaltung ist ein Bremsklotz.» Wo würden Sie entgegnen – und wo geben Sie den Kritikern vielleicht recht?
Ich nehme die Kritik ernst und setze auf Transparenz. Rechtsstaatlichkeit und Sorgfalt sind nicht verhandelbar, auch wenn die Abklärungen anspruchsvoll sind und Zeit beanspruchen. Gleichzeitig können Silodenken und Detailvorgaben aus einzelnen Fachgebieten Gesamtlösungen erschweren. Deshalb ist es wichtig, vernetztes Arbeiten zu fördern. Gerade dort, wo das Gesetz Ermessensspielräume zulässt, besteht Potenzial, diese noch gezielter zu nutzen. Das entspricht auch der politischen Haltung unserer Vorsteherin des Bau- und Umweltdepartements: Pragmatismus und verhältnismässige Lösungen sollen möglich sein – insbesondere bei atypischen Einzelfällen.
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Gibt es aus Ihrer Sicht «No-Gos» in Baugesuchen, die vermieden werden sollten, um unnötige Verzögerungen zu verhindern?
Ja. Vermeidbare Verzögerungen entstehen häufig durch unvollständige Dossiers oder das Übersehen elementarer Rahmenbedingungen. Dazu zählen etwa Planungen innerhalb des Gewässerraums, beispielsweise auf eingedolten Bächen. Aus meiner Erfahrung in kommunalen Bauverwaltungen weiss ich, dass die Qualitätsunterschiede bei den Planenden erheblich sein können.
Und wie gelingt die Balance im Bewilligungsverfahren zwischen Ortsbildschutz, Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Entwicklung?
Die Balance gelingt, wenn Ziele offengelegt, Konflikte früh erkannt und nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit abgewogen werden. Unser System der Gesamtbewilligung stellt sicher, dass alle zuständigen Behörden eingebunden sind und rechtliche Anforderungen gesamthaft betrachtet werden. Wo Normen kollidieren – etwa Denkmalschutz versus Brandschutz –, braucht es interdisziplinäre Variantenprüfungen und die Bereitschaft, tragfähige Kompromisse zu entwickeln. Dafür ist eine lösungsorientierte Kultur bei allen Beteiligten entscheidend. Das Bau- und Umweltdepartement des Kantons St.Gallen hat sich genau diese Kultur zum Ziel gesetzt.
Zum Schluss: Welche Tipps geben Sie Investo-ren und Projektentwicklern mit, die im Kanton St.Gallen Baugesuche einreichen möchten?
Die Erfahrung zeigt, dass die Wahl eines erfahrenen und gut vernetzten Projektpartners ein zentraler Erfolgsfaktor ist. Solche Partner erkennen Risiken früh, kennen die relevanten Ansprechpartner und führen den Prozess proaktiv. Sie bringen Erfahrung mit typischen Herausforderungen mit und entwickeln, wo nötig, frühzeitig umsetzbare Alternativen.
Text: Stephan Ziegler
Bild: zVg
