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Ein nimmermüder Akku aus Ostschweizer Produktion

Ein nimmermüder Akku aus Ostschweizer Produktion
Visualisierung einer Gigafactory für eine Produktionskapazität von 7,6 Gigawattstunden. Denkbar wäre, die einzelnen Produktionsstrassen unabhängig voneinander zu realisieren.
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Mangelnde Speichermöglichkeiten für Strom bremsen  die effiziente Nutzung erneuerbarer Energien noch. Das Ausserrhoder Unternehmen High Performance Battery will mit einer neuen Generation von langlebigen Feststoff-Akkus Abhilfe schaffen.

«Wir haben alles, nur keinen Bill Gates», sagt Thomas Lützenrath, COO der in Teufen domizilierten High Performance Battery Holding AG (HPB).

Besagter Bill Gates hat sich an der Firma QuantumScape Inc. in den USA beteiligt, die Feststoff-Akkus produzieren will. Inzwischen hat sich auch Volkswagen 30 Prozent dieses Unternehmens gesichert – für 300 Millionen Dollar. Eine Milliarde hat das Unternehmen, nicht der einzige potenzielle Konkurrent, schon eingesammelt. Aber «der Chemie ist der Kontostand egal, es muss am Ende funktionieren».

Beim Ostschweizer Unternehmen sieht es umgekehrt aus. «Wir haben Schutzrechte, wir haben den Beweis, dass unser Prozess funktioniert», erklärt Thomas Lützenrath. Was fehlt, ist ein dreistelliger Millionenbetrag. Mit rund 100 Millionen Franken könnte die Swiss Clean Battery AG als Lizenznehmerin der HBP eine erste Gigafactory bauen.

30 Jahre gezielte Forschung

Das Know-how, dass die Konkurrenz in den USA erst erarbeiten muss, ist bei der HPB vorhanden. Der Chemiker Günther Hambitzer, heute CEO und Verwaltungsratspräsident des Unternehmens, hat forscht seit 30 Jahren, beginnend an der Universität Witten-Herdecke und am Fraunhofer-Institut in Pfinztal, an einer Frage: Warum altern Batterien? «Dieses Problem haben wir an der Wurzel gelöst», betont Thomas Lützenrath. Deshalb hat sich die HPB neben dem Firmenlogo das Symbol der Unendlichkeit gegeben.

Die noch flüssige Vorläufertechnologie wurde bereits in den USA industriell gefertigt und ein Container zur Netzstabilisierung erfolgreich ausgeliefert und eingesetzt. Im Labor hat diese Technologie 50'000 volle Ladezyklen gezeigt. Dieses flüssige System konnte durch die HPB  zwischenzeitlich zu einem Feststoffakku mit nochmals ver- besserten Eigenschaften weiterentwickelt werden.

  

Langlebiger Akku

Bei heutigen Lithium-Ionen-Akkus mit flüssigem Elektrolyten nimmt die Leistung kontinuierlich ab, die Lebensdauer ist auf etwa 3'000 Ladezyklen begrenzt. Der HPB-Feststoff-Akku mit festem Elektrolyten hingegen ist sehr langlebig und verliert fast keine Leistung beim Laden und Entladen, weil sich die üblichen Beläge nicht bilden.

Der Clou dabei: Für den Bau dieser Akkus braucht es keine seltenen Erden oder andere umstrittene Rohstoffe. «Da ist kein schwierig zu bekommender Rohstoff drin, nichts, was umweltkritisch wäre», sagt Thomas Lützenrath. «Wir bauen Akkus aus Schwefeldioxid, Schwefel-Eisen-Gemischen und Graphit.» Auch die Hülle soll anders sein: «Wir arbeiten mit Edelstahl, die anderen mit Aluminiumhüllen.»

Bessere Umweltbilanz

Den Akku nach HPB-Technologie soll es vorerst in einer normierten Grösse geben. Eine Zelle hat bei einer Spannung von 3,2 Volt eine Kapazität von 50 Amperstunden. Ein Einsatz als Akku für kleinere Geräte wie Bohrmaschinen oder Consumer Electronics ist nicht geplant, die Anwendungen reichen von Stromspeichern zuhause oder in der Industrie bis zu Autoladestationen, auch ein Einsatz in Autos selbst wäre denkbar. Die passende Dimensionierung wird durch Pakete von mehreren Zellen erreicht.

Der neue Feststoff-Akku dürfte gemäss Studie eine um mindestens 50 Prozent bessere Umweltbilanz aufweisen als herkömmliche Akkus. Tatsächlich dürften die Vorteile wesentlich grösser sein, wenn etwa die Schwierigkeiten beim Recycling von herkömmlichen Lithium-Ionen-Akkus manifest werden.

Das auf der Forschung von Professor Hambitzer basierende Know-how steckt in einer ganzen Reihe von Schutzrechten, die alle der der High Performance Battery GmbH in Bonn gehören. Diese Patente verlagert die HPB AG vorerst nicht an den Schweizer Hauptsitz, weil bei der Ausfuhr sofort Steuern fällig würden. «Das würde viele unnütze Millionen kosten» sagt Thomas Lützenrath, deshalb sitze diese GmbH mit den Patenten in Deutschland, sei aber eine 100-Prozent-Tochter der HPB AG in Teufen.

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Mögliche Standorte in der Ostschweiz

Thomas Lützenrath ist auch COO der Swiss Clean Battery AG, die in Lizenz die Technologie der HPB umsetzen soll. Die SCB ist in Frauenfeld angesiedelt, denn das Unternehmen wollte in Wigoltingen die erste Gigafactory hochziehen, sobald die Finanzierung steht. Inzwischen ist dieser Standort, wo Einsprachen drohen, nicht mehr die beste Option,  «wir haben einige andere Angebote», erklärt Lützenrath. Dabei soll es sich um Grundstücke im Kanton Graubünden, St.Gallen, aber auch weitere Flächen im Thurgau handeln.

Die SCB möchte innert weniger Jahre in drei Etappen eine Produktionskapazität von 7,6 Gigawattstunden aufbauen. Diese drei Etappen könnten auch in drei separaten Fabriken in einem nahen Umkreis realisiert werden, dann wären Synergien noch möglich. Beispielsweise bei den Mitarbeitern.

Mit Investitionen von rund 100 Millionen Franken soll der Start für die erste Fabrik mit 1,2 Gigawattstunden Produktionskapazität (drei Produktionslinien à 400 Megawattstunden im Dreischichtbetrieb) fallen und rund 180 Mitarbeitern ermöglicht werden. In dieser Grösse hätte das Unternehmen bei voller Produktion einen Umsatz von über 300 Millionen Franken im Jahr und einen Unternehmenswert von etwa 1,3 Milliarden Franken – «bei einem vergleichsweise kleinem Investment also ein grosser Hebel», hält Thomas Lützenrath fest.

Die weiteren Ausbauschritte sollten gemäss Businessplan über Eigenkapital und Cashflow finanziert werden können. Mit jeweils acht zusätzlichen Produktionslinien soll die Kapazität in der zweiten Etappe auf 4,4 Gigawattstunden und in der dritten Etappe auf 7,6 Gigawattstunden steigen. Über 1'000 Mitarbeiter erwirtschafteten dann einen Umsatz von zwei Milliarden Franken, das Unternehmen wäre etwa acht Milliarden wert.

Zu gross gedacht sind die Produktionskapazitäten kaum, die grössten Batteriefabriken auf der Welt haben bis zu  120 Gigawattstunden Kapazität, stellen aber noch herkömmliche Lithium-Ionen-Akkus her. Der Bedarf an Speichermöglichkeiten für Strom wächst und wächst, «der Markt ist gigantisch», kommentiert Thomas Lützenrath.

  

Lebenswerk nutzbar machen

Die HPB will eine normale Schweizer Aktiengesellschaft sein, wie Thomas Lützenrath betont, «und alle Aktionäre gleich behandeln». Das macht die Kapitalbeschaffung bei Venturecapital-Investoren schwierig, weil diese jeweils Sonderrechte verlangten. Ideal wären gemäss Lützenrath andere Unternehmen vor allem aus der Ostschweiz als Investoren, nicht infrage kämen Teilhaber aus Fernost, die allenfalls das Wissen abzügeln würden.

Die HPB will nicht, dass ihre Technologie monopolisiert wird. Die HPB möchte ihr Know-how vielmehr in Lizenz an weitere Produzenten weitergeben. «Oberstes Ziel ist es, diese Technologie breit verfügbar zu machen», sagt Lützenrath. «Professor Hambitzer möchte, dass sein Lebenswerk nutzbar gemacht wird.»

Ursprünglich plante das Unternehmen auch einen Börsengang noch in diesem Herbst, neue Optionen mit Grundstücken zum Kauf statt zur Miete führten nun dazu, dass der Finanzierungsplan neu aufgestellt worden ist. «Das Modell kann man in Geschwindigkeit, Skalierung und Investment anpassen», sagt Lützenrath, «das hängt auch von den Investoren ab.» Bei potenziellen Investoren aus der Ostschweiz wird das Unternehmen nun vorstellig.

Der Bau einer Fabrik könne in 18 Monaten geschehen,  die Bestellzeit für die Maschinen belaufe sich auf 15 Monate. Grundsätzlich benötigt die SCB für die Produktion den gleichen Maschinenpark wie herkömmliche Akku-Hersteller und hat für die Skalierbarkeit ein starkes Partnernetzwerk aufgebaut.

Text: Philipp Landmark

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