Vom Nachwuchstalent zum Schweizer Meister

In den folgenden Jahren durchlief Tiefenauer konsequent alle Nachwuchsstufen. Bereits 2020 sammelte er internationale Erfahrung: Beim CSIO-J in Chevenez platzierte er sich im Grand Prix der Junioren auf Rang 7. Seither gehört er regelmässig dem schweizerischen Junioren- und U21-Nationalkader an. Seine Leistungen blieben auch national nicht unbemerkt: 2024 wurde er als erster Springreiter aus dem Pferdesport überhaupt zum «Rheintaler Sportler des Jahres» gewählt.
Der Durchbruch gelang Jonas Tiefenauer anlässlich der Schweizer Nachwuchs-Meisterschaften im August 2024 in Wädenswil. Auf seiner sportlichen Partnerin, der 14-jährigen Schimmelstute Canna (gespendet von Gönner Victor Maurer aus Gossau), blieb er im anspruchsvollen Finalparcours über 1,45 bis 1,50m Höhen beide Male fehlerfrei. Mit einer Gesamtwertung von 4,9 Strafpunkten sicherte er sich verdient den Titel in der Kategorie Junge Reiter (U21). Medien konstatierten, dass sein Sieg «in einer dramatischen Entscheidung» fiel – als Führender ging er zwar in den Endkampf, unterstrich dann aber mit Nervenstärke und fehlerfreien Runden seine Führungsposition.
Tiefenauer entwickelte sich in kurzer Zeit zum Spitzenreiter seiner Altersklasse. Er ist ausgebildeter Zimmermann, hat aber seine bisherige Arbeit auf dem Bau zugunsten des Reitsports aufgegeben. Seit Herbst 2024 macht er seine Leidenschaft beruflich: Im Gestüt Wichenstein absolviert er eine zweijährige Lehre zum Pferdefachmann EFZ (Bereiter). Diese Kombination aus Berufsausbildung und hochklassigem Training erlaubt ihm, täglich mehrere Pferde zu reiten – eine wichtige Voraussetzung für den Leistungssport.
Am Gestüt Wichenstein, das von Karin Hanselmann-Weder geführt wird, wurde Jonas Tiefenauer von Kindesbeinen an gefördert. Hanselmann, ehemalige Nationenpreis-Reiterin und Mutter seines langjährigen Freundes Linus, fungierte auch als seine Trainerin. Die Anlage geniesst einen Ruf als Talentschmiede – viele Top-Nachwuchspferdesportler der Region gehen aus ihrem Stall hervor. Hier kann Tiefenauer in einem fördernden Umfeld lernen: «Im Springreiten braucht’s Zeit, um es in die Elite zu schaffen», sagte er selbst und betont, dass er nach wie vor ruhig und kontinuierlich an seinen Zielen arbeite.
Ein wichtiger Erfolgsfaktor sind auch die Pferde, mit denen Tiefenauer antritt. Seine bisher erfolgreichste Partnerschaft ist die mit der Schimmelstute Canna 5 (Holsteiner Stute, 2010, von Conteur). Canna stellte ihm der Gönner Victor Maurer aus Gossau zur Verfügung – ohne diese Unterstützung wären die Erfolge wohl nicht möglich gewesen, so Tiefenauer. Weitere bedeutende Pferde in seinem Stall sind der 2015 geborene Falco de Reuillard (Selle Français, v. Type Top du Monteil) und der ebenfalls 2015 geborene Don de Plaisir H (†). Mit Falco de Reuillard erzielte Tiefenauer Ende 2024 und Anfang 2025 beachtliche Resultate: So platzierte er sich im CSI-W2*-Springen von Basel (Januar 2025) über 1,40m Höhe auf Rang 3. Dieser internationale Erfolg untermauerte seinen steigenden Stern im Springsport.
Trotz dieser Erfolge bleibt Jonas Tiefenauer bodenständig – typisch Rheintal, halt: Er spricht offen aus, dass der Weg in den Elite-Bereich noch lang sei. «Wenn ich es überhaupt schaffe», fügte er bescheiden hinzu. Gleichzeitig hat er klare Ziele: Die Titelverteidigung bei den Jungen Reitern, eine Teilnahme an den Schweizer Elite-Meisterschaften und der Start an einer Nachwuchs-Europameisterschaft stehen für ihn 2025 ganz oben auf der Agenda.
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Neben der sportlichen Karriere führt Tiefenauer ein ruhiges Privatleben in Oberriet. Er ist Mitglied im lokalen Reitverein; Förderpatenschaften, etwa durch die Stiftung Schweizer Sporthilfe, unterstützen ihn auf seinem Weg in den Profisport. Seinen Sport pflegt er ebenso akribisch wie seine Ausbildung – ein Zeichen dafür, dass er sich ganz der Reiterei verschrieben hat.
Mit gerade erst 21 Jahren hat Jonas Tiefenauer bereits Erfolge auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene errungen. Sein Werdegang von den Nachwuchskategorien bis zum Schweizer Meister lässt auf eine vielversprechende Zukunft schliessen. Dank der Kombination aus talentierter Ausbildung, starkem Pferdematerial und professionellem Umfeld wird mit ihm auch in den nächsten Jahren zu rechnen sein. Für den Springreitfan ist er längst kein Geheimtipp mehr – sein Name steht für eine neue Generation erfolgreicher (Ost-)Schweizer Springreiter.
Text: Stephan Ziegler