ASTAG Transporflash April 2023

«Wir müssen flexibel und vorausschauend agieren»

«Wir müssen flexibel und vorausschauend agieren»
Erich Goldenberg
Lesezeit: 3 Minuten

Die Corona-Pandemie hat auch die Schweizer Carbranche arg gebeutelt: Kunden und Einnahmen blieben aus und Mitarbeitende kündigten. Und nun sorgen hohe Energie- und Treibstoffpreise für neue Probleme. Wie geht die Branche damit um? Wir haben bei Erich Goldenberger, Präsident der ASTAG-Fachgruppe Car Sektion Ostschweiz nachgefragt.

Erich Goldenberger, wie waren die Corona-Jahre für die hiesigen Carunternehmen?
Selbst heute im Rückblick ist die ganze Situation noch irreal. Wenn plötzlich alle Fahrzeuge ohne Nummernschilder in der Halle stehen und es keine Perspektive mehr gibt, macht das betroffen und in einem gewissen Ausmass ohnmächtig. Wir waren es nicht gewohnt, dass es für ein Problem keine Lösung, keine Alternativen, keine gute Idee oder Nische gibt. Ich sehe rückblickend aber durchaus auch positive Nebeneffekte: Die Krise machte uns bewusst, dass wir schneller die Kontrolle verlieren können als wir denken, und dass Lebensqualität mehr ist als Karriere, Erfolg und Geld.

Seit 2022 reisen die Menschen aber wieder häufiger. Zeigt sich das nun auch bei der Nachfrage nach Carreisen?
Es wurde lange und oft über den ersehnten Neustart gesprochen. Erfolgt ist er definitiv nach dem Sommer 2022. Von Mitte August bis ca. Mitte Oktober stellte sich bei Vereinen, Firmen und Gruppen im Allgemeinen eine sehr grosse Nachfrage und ein Nachholbedarf ein. Dies führte uns schlagartig das Problem des Fahrermangels vor Augen. Für 2023 erwarten wir wieder ein gutes Jahr, über alle Bereiche, aber noch nicht ganz auf dem Niveau von 2019.

Was macht die Branche, um genügend Fachkräfte zu finden?
Das ist ein Thema, welches alle Sparten der Transportbranche betrifft, die ASTAG hat dieses deshalb zum Fokusthema erklärt. Allerdings unterscheiden sich die Möglichkeiten und Ansätze.

«Die ASTAG hat den Fachkräftemangel zum Fokusthema erklärt.»

Inwiefern?
Es gib keinen Berufslehrgang zum Car-Chauffeur und das Mindestalter für Kat. D liegt bei 21 Jahren. Somit kommen Schulabgänger für den Beruf des Carchauffeurs nicht in Frage. Ein grosses  Potential für den Car-Chauffeur sehe ich bei Quereinsteigern. Diese haben oft eine erfolgreiche Kariere in einem anderen Beruf hinter sich, sind schon etwas «reifer» und haben familiär wieder etwas mehr Spielraum in Bezug auf unregelmässige Arbeitszeiten und Abwesenheiten.

Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg auf Ihr Geschäft? Die Zeiten sind unsicher und die Lebenshaltungskosten steigen. Geben die Leute immer noch gleichviel Geld für Carreisen aus oder sind sie vorsichtiger?
Für Herr und Frau Schweizer gilt Reisen und Ferien nicht mehr als Luxus, sondern ist ein Bedürfnis im Rahmen unserer hohen Lebensqualität. Zudem sind Carreisen kostengünstig und überzeugen durch ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Ich rechne deshalb bei den meisten Destinationen nicht mit spürbaren Auswirkungen. Reisen nach Osteuropa wären aber schwierig zu verkaufen.

Teurer wird das Leben auch für Unternehmen. Wie sehr belasten Sie die hohen Treibstoff- und Energiepreise?
Die hohen Dieselkosten müssen wir an die Kunden weiterverrechnen, was bei der grossen Mehrheit verstanden und akzeptiert wird. Jeder Autofahrer weiss um die höheren Treibstoffkosten aus eigener Erfahrung und deshalb erhalten wir nur sehr wenig kritische Rückmeldungen. Auf den Fahrgast berechnet handelt es sich bei einer durchschnittlichen Reise um geringe Beträge im einstelligen Bereich. 

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«Die Branche wird sich weiterhin erfolgreich im Markt behaupten.»

Der Umgang von Kunden mit Dienstleistern hat sich in den vergangen Jahren verändert. Die Gastronomie bspw. beklagt immer häufiger, dass Reservationen nicht eingehalten oder kurzfristig abgesagt werden. Kämpft auch die Carbranche mit diesem Problem?
Tatsächlich stellen wir bei unseren Leistungsträgern Personal- und Qualitätsprobleme fest. Gerade bei Anfragen mit grösseren Gruppen erhalten wir aus diesen Gründen immer wieder Absagen. Hier gilt es nach Alternativen zu suchen, was nicht immer einfach ist und einen Mehraufwand bedeutet.

Wie blickt die Branche in die Zukunft? Herrscht Optimismus?
Nach den schwierigen Pandemie-Jahren fühlt sich die aktuelle Situation wieder gut an. Wir dürfen uns aber nicht täuschen lassen, denn mit Themen wie alternative Antriebe, erhöhtes Bewusstsein für Umweltfragen und Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Fachkräftemangel, internationaler Wettbewerb und unvorhersehbare externe Einflüsse werden wir gefordert sein, flexibel und vorausschauend zu agieren. Dem gegenüber sehe ich aber die grossen Stärken des kollektiven Personentransports: flexibel von Punkt zu Punkt, ökologisch, nahe beim Kunden, Gruppenerlebnis, attraktives Preis-Leistungsverhältnis, sicher, usw. Dies stimmt mich positiv und ich bin überzeugt, dass sich die Carbranche weiterhin erfolgreich im Markt behaupten wird. 

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