St.Gallen

Magische Premiere auf 1400 m

Magische Premiere auf 1400 m
Jan Henric Bogen
Lesezeit: 5 Minuten

Die St.Galler Festspiele finden 2024 zum ersten Mal am Flumserberg statt. Jan Henric Bogen, Direktor von Konzert und Theater St.Gallen, freut sich auf die Premiere auf dem Tannenboden.

Text: Stephan Ziegler

Jan Henric Bogen, mit The Fairy Queen von Henry Purcell gastieren die Festspiele heuer zum ersten Mal am Flumserberg. Was erwartet die Besucher bei dieser besonderen Premiere?
Wenn uns das (Wetter-)Glück hold ist, dann wird es ein traumhaftes Spektakel, das Natur- und Kulturerlebnis miteinander verbindet. Die berückend schöne Musik von Henry Purcell verschmilzt mit Szenen aus Shakespeares Sommernachtstraum und Tanzelementen zum künstlerischen Gesamterlebnis vor einer ohnehin schon atemberaubenden Kulisse. 

Die Wahl, The Fairy Queen am Flumserberg aufzuführen, ist mutig, ist doch die Festspieloper seit 2006 eigentlich auf dem St.Galler Klosterhof zu Gast. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Dass wir einen neuen Austragungsort finden mussten, basiert auf einem Entscheid der St.Galler Kantonsregierung, die die Bewilligung für die Nutzung des Klosterhofes nur noch alle zwei Jahre erteilt hat. Anstatt das gleiche Konzept an einem weniger prominenten Ort in der Stadt durchzuführen, haben wir uns überlegt, wie wir die Festspieloper in den Zwischenjahren zu einem ganz einzigartigen Erlebnis werden lassen können. Dass der Süden des Kantons oftmals weniger berücksichtigt wird, hat uns dazu noch besonders gereizt. Schliesslich werden wir auch aus dieser Region unterstützt. Der Flumserberg ist, neben seiner landschaftlichen Schönheit, auch noch perfekt für Grossveranstaltungen erschlossen, sodass wir auch auf eine gute vorhandene Infrastruktur aufbauen können. Zudem wurden wir vom Tourismusverband Heidiland und den Flumserbergbahnen mit offenen Armen empfangen und unterstützt.

Die St.Galler Festspiele stellen einen Höhepunkt im Kulturkalender dar. Welche spezifischen Aspekte von The Fairy Queen glauben Sie, werden das Publikum besonders ansprechen?
Ich glaube wirklich an das Gesamterlebnis. Egal, aus welcher Richtung man sich dem Spielort nähert: Man entflieht dem Alltag und kommt in eine andere Welt. Die Inszenierung, die Musik und die Naturkulisse werden gemeinsam das Publikum verzaubern.

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«Der Blick zu Walensee und Churfirsten ist vor der Oper die richtige Einstimmung und lässt einen den Alltag vergessen.»

Die musikalische Leitung und die Inszenierung spielen bei einer Opernaufführung eine zentrale Rolle. Können Sie uns etwas über das kreative Team hinter The Fairy Queen erzählen und wie deren (und Ihre) Vision die Aufführung prägt?
Ich bin froh, dass sowohl das musikalische als auch das Inszenierungsteam von zwei starken Frauen geleitet wird: Dirigentin Corinna Niemeyer ist international gefragt, insbesondere auch für Barockmusik. Sie freut sich darauf, mit unseren Musikerinnen und Musikern die wunderbare Musik Purcells wieder zum Leben zu erwecken. Regisseurin Anna Bernreitner hat am Anfang ihrer Karriere an den ungewöhnlichsten Orten gearbeitet: Die Fledermaus im Freibad zum Beispiel. Mittlerweile ist sie in den grossen europäischen Häusern gefragt für ihre ungewöhnlichen und vor Fantasie sprühenden Lesarten von Stücken – ihre Erfahrung mit ungewöhnlichen Orten wird ihr bei den Festspielen jedoch sicherlich auch helfen. 

Wie wird das natürliche Ambiente der Flumserberge in die Produktion von The Fairy Queen integriert?
Wir spielen in den Tannenhain auf der Tannenbodenalp hinein. Da ein gewichtiger Teil der Handlung im Stück im Wald spielt, bietet sich das natürlich an. Ferner geht es auch im Stück um den Wechsel vom Tag zur Nacht … und den werden wir zwangsläufig miterleben. Ich glaube auch, dass es für das Publikum lohnend ist, sich die Zeit zu nehmen und zumindest den kleinen Rundweg auf der Tannenbodenalp zu machen. Der Blick zu Walensee und Churfirsten ist vor der Oper sicherlich die richtige Einstimmung und lässt einen endgültig den Alltag vergessen. 

«Identitäten» spielen in der aktuellen, gleichnamigen Spielzeit eine wichtige Rolle. Inwiefern bringt auch The Fairy Queen frische Perspektiven in die Welt der Oper?
Ich glaube, dass die ästhetische Sprache von Anna Bernreitner und ihrem Ausstattungsteam ganz bewusst mit historischen Elementen spielen wird. Wir haben im Kostüm zum Beispiel klassische Silhouetten, die aber in ungewöhnlichen Materialien ausgeführt werden. Das Bühnenbild ist wirklich ein Fantasieland, in dem Bezüge aus allen Epochen und Genres miteinander vermischt werden.

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Opern und klassische Musik können manchmal als exklusiv wahrgenommen werden. Wie arbeiten Sie daran, nicht nur das Theater, sondern auch die Festspiele einem breiteren und möglicherweise jüngeren Publikum zugänglich zu machen?
Wir haben mit Beginn der Spielzeit einen U30-Club gegründet. Neben vergünstigten Tickets führen wir die jungen Menschen auch mit exklusiven Spezialveranstaltungen ans Theater heran. Daneben bilden Schulen und Vereine wichtige Multiplikatoren, sodass wir gezielt auf Lehrpersonen etc. zugehen. Und ja – daneben ist es wichtig, dass das Theater zugänglich bleibt und auch mal einen Bezug zu Themen von heute nimmt.

Das ist oft eine Gratwanderung, weil das «klassische» Publikum auch klassische Inszenierungen erwartet und von allzu zeitgeistigem Regietheater abgeschreckt werden könnte?
Kunst ist grundsätzlich immer eine Gratwanderung und es gibt kein Richtig oder Falsch. Es gibt künstlerische Angebote, die man annehmen kann – oder nicht. Ich frage mich oft, was eigentlich eine «klassische Inszenierung» sein soll. Auch der Begriff des «Regietheaters» wird allzu inflationär verwendet. Theater ohne Regie will jedenfalls auch niemand sehen, da bin ich mir sicher. Die Stücke, über die wir reden, sind oftmals mehrere Jahrhunderte alt. «Das Original» ist oftmals gar nicht mehr spielbar oder für alle Anwesenden unbekannt. The Fairy Queen zum Beispiel hat eine ganz besondere Form. Es ist eine sogenannte «Semi-Opera» oder «Masque». Die Aufführung dieser Stücke hat oftmals den ganzen Tag in Anspruch genommen. Zu diesem Original zurückzukehren, ist also gar keine Option.

«Es gibt unglaublich zarte Momente; dennoch entwickelt die Musik einen enormen Sog.»

Also darf sich auch das Stammpublikum auf «normale» Inszenierungen freuen, die nicht nur für Kritiker und Berufskollegen geschrieben wurden, um es überspitzt zu sagen?
Zunächst und auch wenn es überspitzt gemeint war: Kein Theatermacher hat das Ziel, nur fürs Feuilleton oder die Kollegen zu arbeiten. Dennoch gibt es keine Patentrezepte. Ich finde «normal» fast noch schwieriger als «klassisch». Denn will man bei Opern und Theatern nicht auch das «Normale» verlassen? Wir spielen ein Stück von 1692 auf 1440 m über Meer. Daran ist potenziell vieles schön, aber nichts normal. (lacht)

Abschliessend würden wir gerne wissen, was Sie persönlich an The Fairy Queen am meisten fasziniert und was Sie hoffen, dass das Publikum aus dieser Aufführung mitnehmen wird?
Ich liebe die Musik von Purcell sehr. The Fairy Queen habe ich an meinem ersten Theater schon einmal mitproduzieren dürfen und seitdem besteht die Faszination für das Stück, auch weil es so viele Möglichkeiten bietet. Es gibt unglaublich zarte Momente; dennoch entwickelt die Musik einen enormen Sog. Diese Faszination möchte ich gerne an das Publikum weitergeben und hoffe, dass es uns gelingt, mit der farbenprächtigen und fantasievollen Inszenierung den ein oder anderen persönlichen Sommernachtstraum zu inspirieren.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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