St.Galler Festspiele 2025

Der «Mount Everest» unter den Sinfonien

Der «Mount Everest» unter den Sinfonien
Modestas Pitrenas
Lesezeit: 2 Minuten

An den Festspielen 2025 bringt Chefdirigent Modestas Pitrenas gemeinsam mit dem Sinfonieorchester St.Gallen Bruckners monumentale Achte Sinfonie zur Aufführung – in der eindrücklichen Akustik der Kathedrale.

«Ich freue mich, ein Werk aufzuführen, das Zeitgenossen als apokalyptisch beschrieben haben», sagt Modestas Pitrenas über Anton Bruckners Achte Sinfonie. «Die Komplexität dieser Musik ist eine Herausforderung für jedes Orchester – musikalisch wie emotional. Darauf freue ich mich besonders.» Pitrenas hat sich für die Fassung von Robert Haas aus dem Jahr 1939 entschieden. «Sie kombiniert Bruckners eigene Bearbeitungen auf sehr stimmige Weise. Ausserdem passt sie ideal zur besonderen Akustik der Kathedrale – wir können mehr ursprünglichen, rohen Bruckner’schen Klang zeigen als im Konzertsaal.»

Die sakrale Dimension der Musik spielt für den litauischen Dirigenten eine zentrale Rolle. «Bruckners Musik trägt eine geistige Kraft in sich, die über das rein Musikalische hinausgeht. Diese Wirkung wird sich in der Atmosphäre der Kathedrale widerspiegeln – ein besonderer Moment für alle Beteiligten.» Besonders im Adagio könne sich die Musik frei entfalten: «Die langsamen Sätze gewinnen durch den Nachhall und klingen dadurch noch feierlicher, fast wie Orgelmusik.»

Auch für das Orchester ist das Werk fordernd. «Herbert von Karajan hat die Achte den «Mount Everest unter den Sinfonien des 19. Jahrhunderts» genannt. Man muss Ruhe bewahren, atmen, Schicht für Schicht erarbeiten – und dann die Aussicht geniessen», so Pitrenas. Die individuelle Interpretation jedes Musikers sei entscheidend: «Bruckner schreibt nicht viele Soli – aber jedes Detail, jedes Tremolo, jeder Choral muss präzise und mit Emotion gespielt werden. Nur so entsteht ein homogener Klang.»

Mit dem Sinfonieorchester St.Gallen verbindet Pitrenas eine langjährige Partnerschaft: «Wir haben sieben gemeinsame Jahre hinter uns. Das Orchester kennt mich, ich kenne das Orchester – wir verstehen uns manchmal im Halbschlaf. Es ist das beste Orchester in der Region, und das Publikum weiss das zu schätzen.»

Dass der Dirigent auch in der Oper zuhause ist, prägt seinen Zugang zur Symphonik. «Das Opernrepertoire, besonders Werke von Wagner oder Strauss, fliesst direkt in meine Bruckner-Interpretationen ein. Diese Musik verlangt dasselbe: geistige Grösse, emotionale Tiefe, menschliche Wärme.» Die Akustik der Kathedrale ist dabei Chance und Herausforderung zugleich. «Wenn der Nachhall vier Sekunden oder mehr beträgt, muss man klug mit Tempi und Pausen umgehen. Die Musik braucht Zeit zum Atmen – gerade das macht den Reiz dieser Aufführung aus.»

Zum Schluss erzählt Pitrenas eine persönliche Anekdote: «Vor drei Jahren bekam ich einen Zylinder geschenkt. Darin lag ein Original-Holzschnitt mit einem Porträt Bruckners – signiert für Otto Klemperer. Wie dieses Stück nach St.Gallen kam und zu mir, weiss ich nicht. Aber es hat mich berührt. Vielleicht ist es Zufall. Oder mehr.»

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