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Das Haus wird zum Kraftwerk

Das Haus wird zum Kraftwerk
Die Nachfrage nach umweltfreundlichen Heizsystemen steigt.
Lesezeit: 4 Minuten

Nachhaltig Heizen ist aktuell wie nie. Die Corona-Pandemie hat die Lieferketten aber zeitweise unterbrochen und der Krieg in der Ukraine die Materialknappheit noch verschärft. Was heisst das nun für Liegenschaftsbesitzer, die auf nachhaltige Heizlösungen umsteigen wollen? Dennis Reichardt, Präsident Fachbereich Heizung beim Schweizerisch-Liechtensteinischen Gebäudetechnikverband (suissetec) und Inhaber von «Die Klimamacher AG» in Arbon, klärt auf.

Das Ziel des Bundes, die Energiewende bis 2050 zu erreichen, ist eine Herausforderung. Im Kanton Thurgau ist der Umstieg von fossil betriebenen Heizungen auf erneuerbare Heizsysteme voll im Gang. Seit dem Jahr 2015 haben die neu installierten Wärmepumpen um 60 Prozent zugenommen, die Erdölheizungen um zwölf Prozent abgenommen, und die Zahl der Erdgasheizungen blieb in etwa stabil. «Im kantonalen Förderprogramm wurden 2017 260 Gesuche für Wärmpumpen eingereicht, 2021 waren es bereits 900», rechnet Dennis Reichardt vor.
Seit 2015 hat der CO2-Ausstoss im Kanton Thurgau um gut fünf Prozent abgenommen. «Der Zubau von Solarstromanlagen im Kanton hat sich ebenfalls beschleunigt», sagt Reichardt. Die gesamte Fläche von Solarstromanlagen hat sich seit 2015 auf über eine Million Quadratmeter verdoppelt; sie produziert jährlich 140 Gigawatt Strom. Dieser starke Zubau von Stromerzeugungsanlagen ist auch den seit 2020 verankerten energiegesetzlichen Vorgaben zu verdanken, die bei Neubauten eine Solarstromanlage vorgeben. «Es braucht aber noch mehr Stromerzeugungsanlagen, insbesondere von winterstromfähigen Windenergieanlagen, damit die Wärmepumpen im Winter genug Strom haben», betont Reichardt.

Attraktives Förderprogramm
Insgesamt sei der Thurgau auf gutem Weg zur Energiestrategie 2050. Dies nicht zuletzt dank dem Förderprogramm: «Der Thurgau ist bekannt, dass er eines der attraktivsten Förderprogramme der Schweiz hat», hält Dennis Reichardt fest. Die erhöhte Bereitschaft, auf nachhaltige Heizlösungen umzusteigen, ist bei Eigentümern von Privat- und Gewerbebauten spürbar. «Bei einem Ersatz stellt sich aber immer auch die Kostenfrage. Hier sieht man dann die unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten», stellt Reichardt fest.
Es gebe aber bereits jetzt eine deutlich steigende Nachfrage nach umweltfreundlichen Heizsystemen. «Dies hat gesetzgeberische, klimapolitische und geopolitische Gründe», so Reichardt. «Wichtig für die Branche und für uns Unternehmer sind klare, verlässliche Rahmenbedingungen. Daran kann und wird sich die Wirtschaft ausrichten.» Bund und Kantone fördern bereits heute erneuerbares Heizen, auch gibt es Unterstützung von weiteren Akteuren wie etwa myclimate. Auf energiefranken.ch findet sich eine gute Übersicht über die Förderbeiträge.

  
Dennis Reichardt: Frühzeitig planen.
Dennis Reichardt: Frühzeitig planen.

Heizlösung frühzeitig planen
Wer seine Heizung in diesem oder nächsten Jahr durch eine umweltfreundlichere ersetzen will oder einen Neubau realisiert, muss aktuell gut planen, denn: Ein Problem, dass sich mit dem Krieg in der Ukraine verschärft hat, sind Materialengpässe für Bauteile, beispielsweise für Wärmepumpen. «Heute gilt mehr denn je: Den Heizungsersatz jetzt planen und das neue Heizsystem frühzeitig bestellen – das gilt auch, wenn die Umsetzung ‹erst› im nächsten Jahr stattfinden soll», rät Dennis Reichardt. «Der Run auf nachhaltige Heizlösungen dürfte weiter zunehmen und ein paar Monate müssen auf jeden Fall eingeplant werden.» Nur so sei gewährleistet, dass die umweltfreundliche Heizung auch termingerecht installiert werden könne.
Dies umso mehr, als auch bei Sanierungen von Liegenschaften der Trend und die Regulierung weg von Öl und Gas hin zu erneuerbaren Lösungen geht. «Das ist auch richtig so, ist doch der Heizungsersatz eine der effizientesten und sinnvollsten Massnahmen zur CO2-Reduktion einer Liegenschaft», betont Reichardt. Zudem zahlt es sich mittel- und langfristig auch finanziell aus: «Über die Lebensdauer einer Heizung von durchschnittlich 20 Jahren werden die anfänglich höheren Investitionskosten mehr als wettgemacht durch tiefere Betriebs- und Unterhaltskosten», erklärt Reichardt. Und: Der Wert einer Liegenschaft mit zukunftsfähiger Heizung ist höher. Das hilft etwa bei der Hypothekenverlängerung oder einem allfälligen Verkauf.

Fachkräfte ausbilden und halten
Bei der aktuell stark steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Heizlösungen sind Fachkräfte aus der Gebäudetechnik gefragter denn je. «Wie auch für andere Branchen ist es für viele unserer Mitglieder eine Herausforderung, genügend Nachwuchs zu rekrutieren», sagt Reichardt. Mögliche Verzögerungen bei der Installation einer neuen Heizung hätten aber nicht nur damit zu tun, sondern insbesondere auch mit der Lieferkette, die unter den verschiedenen Krisen leide. Zusätzlich hält Dennis Reichardt fest, dass die Gebäudetechnik seit vielen Jahren an der Dekarbonisierung des Gebäudeparks arbeite. «Viele Leute haben aber erst jetzt, seit wir mit einem Krieg in Europa konfrontiert sind und der Ölpreis wehtut, begriffen, dass Zuwarten und auf fossile Heizungen Setzen kein Zukunftsmodell ist.» Damit ist der Engpass auch stark durch die Nachfrage getrieben.

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Gute Beratung lohnt sich
Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, hat suissetec verschiedene Kampagnen lanciert, um Jugendliche für eine Berufslehre in Gebäudetechnik zu begeistern und bestehende Fachkräfte in der Branche zu halten. Insbesondere ist der Verband dabei, eine noch bessere Ausbildungskultur bei seinen Mitgliedern zu etablieren. «Hier gibt es mit dem Projekt ‹Bildungscoach› erste erfolgsversprechende Ansätze, um die Abbruch-/Durchfallquoten zu senken», erklärt Reichardt. «Wir bleiben dran! Denn der Fachkräftemangel wird unsere Branche wohl noch länger beschäftigen.» Liegenschaftsbesitzern, die auf eine nachhaltige Heizlösung umsteigen wollen, rät Dennis Reichardt, sich frühzeitig vom Heizungsinstallateur oder Planer ihres Vertrauens beraten zu lassen. Dadurch ergebe sich die individuell passendste Lösung – eventuell auch gleich in Kombination mit einer Solaranlage. Denn mit der zunehmenden E-Mobilität ergäben sich weitere, spannende Kombinationen für die Photovoltaik-Nutzung auf dem Dach. «Das Haus wird so immer mehr zum ‹Kraftwerk›.»

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