St.Galler Festspiele 2025

Grosse Dimensionen, intime Momente

Grosse Dimensionen, intime Momente
Jan Henric Bogen
Lesezeit: 4 Minuten

Die St.Galler Festspiele feiern 2025 ihr 20-jähriges Bestehen. Theaterdirektor Jan Henric Bogen blickt zurück auf zwei Jahrzehnte Open-Air-Opern, gibt Einblicke in die diesjährige Produktion «Tosca» – und verrät, warum künftig nur noch in der Stadt gespielt wird.

Jan Henric Bogen, was bedeutet das 20. Jubiläum der Festspiele für Sie persönlich?
Es ist eine grosse Ehre, Konzert und Theater St.Gallen und der Musiktheatersparte voranstehen und dieses besondere Jubiläum mitorganisieren zu dürfen. Ich bin dankbar, dass mein Vorgänger, Werner Signer, das Wagnis «Festspiele» vor zwei Jahrzehnten eingegangen ist.

Mit Puccinis «Tosca» kehrt die Festspieloper nach einjähriger Pause auf den Klosterhof zurück. Was macht diesen Ort für Sie so besonders?
Festspiele ausrichten zu dürfen, ist an sich schon ein Privileg. Und wenn die Kulisse erst noch Teil des Unesco-Weltkulturerbes ist, dann sind die Voraussetzungen nahezu perfekt. Das Gesamtpaket ist für mich entscheidend: Wir bespielen ja nicht nur den Klosterhof – die Altstadt mit ihren Lokalen wird für kurze Zeit zum schönsten Theater-Foyer der Schweiz. Damit bieten wir dem Publikum etwas, das für viele zum Highlight gehört, bevor es in die Sommerferien geht.

Floria Tosca bewegt sich zwischen emotionaler Zerrissenheit und entschlossener Stärke. Wie gelingt es, diese komplexe Frauenfigur in einer Open-Air-Produktion glaubhaft auf die Bühne zu bringen?
Vielleicht ist der Klosterplatz gerade der Schlüssel dazu! Hier laufen nicht wenige Fäden politischen und religiösen Einflusses zusammen. Ich habe volles Vertrauen in das Team um Regisseur Marcos Darbyshire, dass es ihnen gelingen wird, den Klosterhof in eine packende Opernkulisse zu verwandeln. Auch die vergangenen Jahre haben ja schon gezeigt, dass trotz der grossen Dimensionen der Bühne auch intime Momente möglich sind – vor allem wenn es nach der Pause nächtlich dunkel ist.

 

Giacomo Puccinis Musik lebt von ihren feinen Zwischentönen und intensiven Momenten grosser Intimität. Welche musikalisch-akustischen Herausforderungen bringt eine Freilichtaufführung mit sich – gerade in einem nicht für Oper konzipierten Raum wie dem Klosterhof?
Es gibt auch dieses Jahr einen Faktor, den wir leider nicht kontrollieren können: das Wetter. Alles andere versuchen wir zu steuern. Wir haben Kolleginnen und Kollegen im Team, die wenn nicht die gesamten 20 Jahre, so doch schon sehr lange Festspielerfahrung haben. Ausserdem steht uns gerade beim Ton modernste Technik zur Verfügung. Das Orchester spielt wie in den vergangenen Jahren in der Tonhalle und wird per Glasfaserverbindung auf den Klosterhof übertragen. Damit haben wir quasi «best of both worlds»: die magische Atmosphäre des Klosterhofs kombiniert mit der hervorragenden Akustik der Tonhalle.

Bis dato galt die Festspiele-Devise, eher unbekannte Opern aufzuführen und sie so einem breiteren Publikum wieder zugänglich zu machen. Mit «Tosca» wird dieses Prinzip umgestossen – bekannter geht’s fast nicht mehr.
Es stimmt, dass (Wieder-)Entdeckungen des Opernrepertoires fester Bestandteil der Festspiel-DNA sind. Allerdings haben wir in den vergangenen Jahren mit der szenischen Aufführung der «Carmina Burana» oder Verdis «Il trovatore» auch bekanntere Werke aufgeführt. Insofern würde ich nicht von einem Strategiewechsel sprechen. Zum Jubiläum wollten wir uns einfach mit einem wirklich grossen Namen selber ein Geschenk machen. Das Feedback vom Publikum spricht übrigens dafür, dass wir damit nicht nur uns beglücken – die Vorfreude ist riesig. 

So auch bei mir! Die Aufführungen auf dem Klosterhof sind nur alle zwei Jahre möglich. Wie gehen Sie mit dieser Einschränkung um?
Dass wir die Konzession, auf dem Klosterhof zu spielen, nur noch jedes zweite Jahr erhalten, war für uns sicher nicht das Wunschszenario. Aber wenn es etwas gibt, das uns der Bühnenbetrieb jeden Tag vor Augen hält, dann das: Die Rahmenbedingungen sind nie gleich. Sie verändern sich, und entscheidend ist, was man daraus macht. Das Publikum wird auch in den ungeraden Jahren in den Genuss einer hochkarätigen Opernproduktion kommen – so viel steht auf jeden Fall fest.

 

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2024 fand die Festspieloper erstmals auf dem Flumserberg statt. Wie beurteilen Sie dieses Experiment rückblickend?
Wer das Glück hatte, einer der Vorstellungen bei schönem Wetter beigewohnt zu haben, wird mir zustimmen, dass die «Fairy Queen» auf dem Berg ein einzigartiges Erlebnis war. Wir haben vom Publikum und der Kritik viele begeisterte Rückmeldungen erhalten. Aber es war, wie Sie sagen, ein «Experiment». Daraus haben wir unsere Schlüsse – und einen Schlussstrich gezogen. Entscheidend war, dass wir dem Publikum ebenso wie den Angehörigen des Hauses mehr Planungssicherheit geben wollten.

Damit wird die Festspieloper künftig nur noch in der Stadt St.Gallen veranstaltet?
Ja. Denn auch hier haben wir die Stimmen aus dem Publikum ernst genommen. Erfreulicherweise haben wir mit der Festspieloper auf dem Flumserberg viele Lokale angesprochen. Aber man darf trotzdem nicht ausser Acht lassen, dass der Grossteil des Publikums aus der Stadt und der Umgebung kommt. Auch auf Sponsorenseite wurde der Wunsch nach St.Gallen als Hauptstandort geäussert. Selbstverständlich sind aber auch unsere Mitarbeitenden ein wichtiger Faktor: Festspiele mit dieser Distanz zum Stammhaus sind, insbesondere am Ende einer langen Saison, auch für sie eine Herausforderung.

Können Sie bereits etwas über die Kriterien für den neuen, zweiten Spielort in St.Gallen verraten?
Theater zu machen bedeutet – wie so oft im Leben –, mit beschränkten Ressourcen umzugehen. Wir haben darauf verzichtet, einen neuen Festspielstandort ausserhalb der Stadt zu suchen und zu promoten. Im Zentrum stand, ein Festspielprogramm auf die Beine zu stellen, dessen Dreh- und Angelpunkt das Grosse Haus ist. 

 

Neben der Oper bietet das Festspielprogramm 2025 wie immer auch Schauspiel, Tanz und Konzerte. Wie gelingt es, die unterschiedlichen Sparten zu einem stimmigen Gesamtfestival zu vereinen?
Unser Haus ist in vielerlei Hinsicht divers; wir arbeiten vermehrt an spartenübergreifenden Projekten, ohne aber die spezifischen Ausdrucksformen der einzelnen Sparten aufgeben zu wollen. Diese Verschiedenheit gehört zu unserer Identität und soll sich auch bei den Festspielen zeigen dürfen. Wir haben den Anspruch, ein Programm anzubieten, bei dem für alle etwas dabei ist. Aber gerade weil es vielfältig ist, soll man auch Entdeckungen machen können.

Mit dem Stück «Kalter weisser Mann» setzen Sie auf eine Komödie von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob. Was hat Sie dazu bewogen, dieses Autorenduo erneut einzuladen?
Diese Entscheidung lag ganz bei Barbara-David Brüesch und ihrem Team von der Schauspielsparte. Aber ich bin überaus froh, dass sie sich so entschieden hat.

Text: Stephan Ziegler

Bild: Marlies Beeler-Thurnheer

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