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Aufstocken statt Einzonen

Aufstocken statt Einzonen
Daniel Hengartner
Lesezeit: 4 Minuten

Immobilienentwickler Daniel Hengartner, Besitzer und Geschäftsführer der Wiler Reseda Invest AG, weiss die Vorzüge der Region  St.Gallen zu schätzen und empfiehlt, vermehrt verdichtet zu bauen.  Ein Fragezeichen setzt er bei der aktuellen «Einsprachenkultur».

Daniel Hengartner, worin unterscheidet sich die Region St.Gallen am stärksten von der Agglomeration Zürich/Winterthur?
Zunächst einmal sind die Landpreise in der Ostschweiz um einiges günstiger, der Unterschied zu Zürich/Winthertur dürfte 30 bis 40 Prozent ausmachen. Ein Nebeneffekt der Pandemiekrise ist gewiss auch die erhöhte Bereitschaft der Leute, sich in der Ostschweiz niederzulassen. Dank Home Office müssen sie nicht mehr jeden Tag in pendeln. Inzwischen wurde auch deutlich, dass etwa Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen in der Ostschweiz ein beachtliches Niveau erreicht haben und viel schneller erreichbar sind als im Grossraum Zürich und Verkehrsstaus eher zu den Randerscheinungen zählen. Der Dichtestress ist also deutlich geringer und damit sichert dieser Landesteil eine hohe Lebensqualität. Wer im Grossraum Zürich lebt, muss alle Schritte sorgsam planen, wogegen sich in der Ostschweiz eine gewisse Spontaneität erhalten hat.

Wie zügig Baubewilligungen durch die Behörden erteilt werden, ist ja von Kanton zu Kanton sehr unterschiedlich. Wie sieht die Lage diesbezüglich in St.Gallen aus?
Obwohl diese Verfahren allgemein komplizierter geworden sind, zeichnet sich die Ostschweiz durch kürzere Wege zu den Ämtern aus. Dass solche Prozedere zudem nicht selten einfacher verlaufen, führe ich persönlich auf die stärker wirtschaftsorientierte Denkweise der Verantwortlichen zurück, sie wollen dass in der Ostschweiz etwas bewegt.

Genehmigungen für neue Eigentumsprojekte sind landesweit seit längerem rückläufig. Lässt sich das auch anhand der Entwicklungen in der Region St.Gallen belegen?
In dieser Hinsicht spielt auch die Ostschweiz keine Sonderrolle. Aus Mangel an Anlagealternativen horten die institutionellen Anleger Grundstücke und zahlen hierfür sehr hohe Preise. Daher ist es für Immobilienentwickler auch in unserer Region weniger lohnend, Eigentumsprojekte umzusetzen.

 

Bekanntlich gewinnt der Erwerb von Wohneigentum weiter an Attraktivität. Welche Erinnerungen haben Sie an die Entwicklung der regionalen Marktsituation im vergangenen Jahr?
Weil das Immobilienangebot reduziert ist, entwickelten ich die Preise kräftig nach oben. Bankkredite für ein Eigenheim zu erhalten, ist zunehmend schwieriger geworden. Potenzielle Hausbauer müssen mittlerweile Anforderungen genügen, die zu hoch sind. Wer ein mittleres Einkommen erzielt, kann da einfach nicht mehr mithalten.

Welche nachhaltigen Veränderungen im regionalen Immobilienmarkt könnte Ihrer Meinung nach die Pandemiekrise herbeiführen?
Gewisse Tendenzen, die wir schon seit Jahren beobachten, also etwa die fortschreitende Digitalisierung oder die Erkenntnis, dass grosse Städte nicht nur Vorteile bieten, werden künftig eine Beschleunigung erfahren. Man hat nun gesehen, dass sich die Arbeit dank Home Office auch anders gestalten lässt. Wie bereits erwähnt, zieht man bereitwilliger in die östliche Schweiz und nimmt längere Arbeitswege billigend in Kauf, da man sie nicht mehr an jedem Arbeitstag bewältigen muss. Auch Unternehmen sehen Vorteile, sich in den kleineren Städten niederzulassen und zu produzieren oder Waren zu veredeln, das eröffnet dort zudem Perspektiven auf einen Zuwachs an Arbeitsplätzen.

Leerstandsziffern steigen derzeit an. Inwieweit wird das die Bautätigkeit in den nächsten Jahren beeinflussen?
Ich gehe davon aus, dass das auf die Baubranche keine Auswirkungen haben wird. Leerstandszahlen steigen ja nicht generell an, betroffen ist in erster Linie der Altbestand, dessen Standards hinsichtlich Energie und IT nicht den heutigen Anforderungen entspricht. Bei Neubauten, die bis zu zehn Jahre alt sind, kann von Leerstand nicht die Rede sein.

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Gemäss dem geänderten Raumplanungsgesetz soll vor allem auf innere Verdichtung gesetzt werden, um die Zersiedelung zu bremsen. Wo sehen Sie hier Möglichkeiten für Ihr Unternehmen?
Weil wir lokal ansässig sind und die Immobilienmärkte in diesem Rahmen sehr genau verfolgen, erkennen wir frühzeitig, wo genau in der Region St.Gallen Verdichtungspotenzial vorhanden ist und können entsprechend schnell mit Entwicklungsprojekten reagieren. Das Nachverdichtungspotenzial in der Bauzone ist meines Erachtens derzeit immens, in der Talsohle der Stadt St.Gallen etwa könnten wir problemlos Gebäude aufstocken. Wir brauchen keine neuen Einzonungen mehr, sonst zerstören wir unsere Landschaft, die ja unser wichtigstes Kapital ist. Folglich ist das Gebot der Stunde, dass wir näher zusammenrücken müssen.

Eine Mehrheit der Stimmberechtigten hat zwar zugestimmt, möchte aber bei sich selber trotzdem grosszügige Aussenräume und bloss keinen Schattenwurf. Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen bei der inneren Verdichtung?
Es lässt sich heutzutage feststellen, dass es für die Verdichtung in der Öffentlichkeit einen breiten Konsens gibt. Wenn allerdings befürchtet wird, dass die individuelle Wohnsituation dadurch beeinträchtigt werden könnte, dann ist mit einer Flut von Einsprachen zu rechnen. Das kann wichtige Nachverdichtungsprojekte über Jahre verzögern. In Hinblick auf diese «Einsprachenkultur» müsste meiner Meinung nach der Gesetzgeber unbedingt regulierend eingreifen.