Ostschweiz

#DCONO24: Medienmanipulation: «Ein Kampf um die Deutungshoheit»

#DCONO24: Medienmanipulation: «Ein Kampf um die Deutungshoheit»
Gulnaz Partschefeld
Lesezeit: 3 Minuten

Dr. Gulnaz Partschefeld, Lehrbeauftragte an der HSG und ehemalige Moderatorin eines staatlichen Senders in Russland, spricht bei der Digital Conference Ostschweiz über Desinformation und KI in den Medien. Im Interview berichtet sie über ihre Erfahrungen und Erkenntnisse.

Gulnaz Partschefeld, Sie haben von 2003 bis 2006 in Russland als Moderatorin gearbeitet, unter anderem bei der staatlich kontrollierten Medienholding All-russische staatliche Fernseh- und Radiogesellschaft WGTRK. Wie hat diese Erfahrung Ihre Sichtweise auf Medienmanipulation und Propaganda geprägt?
Im Berufsalltag waren damals Propaganda und Medienmanipulation im Vergleich zum heutigen Russland nicht stark zu spüren. Wir Moderatoren konnten auch im staatlichen Radio die News selbst zusammenstellen und damit live gehen. Der Staat konzentrierte sich in dieser Zeit auf den Kampf gegen Oligarchen und private Mediensender. Ein wichtiges Thema dieser Zeit war jedoch die mediale Darstellung Wladimir Putins.

Wie sollte er denn dargestellt werden?
Als fortschrittlicher und effizienter Staatschef, der Russland zu einem der lebenswertesten Länder der Welt machen würde. Beispielsweise mit der Lancierung sogenannter «Nationalprojekte zur Modernisierung der Gesellschaft» – und hier bekamen auch wir den Druck zu spüren, denn die staatlichen Sender sollten diese Projekte mit Putins Partei in Verbindung bringen und in die Nachrichtenblöcke integrieren. Anschliessend musste jeweils schriftlich festgehalten werden, welche Projekte wann und wie vorgestellt wurden.

Wie würden Sie den Unterschied zwischen klassischen Propagandamethoden und den neuen Möglichkeiten durch Deepfakes und KI definieren?
Klassische Propaganda nutzt Bild- und Tonbearbeitung sowie inszenierte und manipulierte Fotos (sog. Cheap-Fakes bzw. Shallow-Fakes), um Inhalte zu manipulieren. Diese Methoden sind seit Langem bekannt, qualitativ aber oft mangelhaft und fliegen deshalb auf. Mit Deepfakes und KI hat sich die technische Umsetzung klassischer Propaganda verbessert. KI ermöglicht die schnellere Erstellung und Verbreitung von Inhalten und verstärkt bestehende Narrative effektiver. Foto-, Video- oder Audio-Material hat Dokumentationsfunktion und fungiert in den Medien als eine Art «Beweis» für das vermittelte Realitätsbild. Der entscheidende Unterschied liegt in der Absicht: Während traditionelle Fotografen oft keine Täuschungsabsicht haben, manipulieren Deepfake-Ersteller bewusst die Realität.

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Wie haben sich die Technologien hinter Deepfakes in den vergangenen Jahren entwickelt und was sind die wichtigsten Fortschritte, die Sie beobachtet haben?
Die Technologie entwickelt sich rasant, die Möglichkeiten werden immer besser, die Ergebnisse immer hochwertiger und realitätsnäher. Gleichzeitig findet eine Demokratisierung der Technologie statt; sie wird für einen Grossteil der Bevölkerung zugänglich. Gerade der letzte Punkt sorgt dafür, dass sich ein Bewusstsein dafür entwickelt, dass theoretisch jeder Inhalt KI-generiert sein könnte – das wird den Charakter der Rezeption von Medieninhalten grundlegend verändern. Eine Besonderheit ist die Einbettung in die Algorithmen der sozialen Medien, die Inhalte ungefiltert hereinlassen und als Türöffner und Katalysator für Desinformation, Fake News und Deepfakes dienen.

Welche Ansätze sind derzeit am vielversprechendsten, um Deepfakes zu erkennen und zu bekämpfen?
Um Deepfakes zu erkennen und zu bekämpfen, sind sowohl technologische als auch politische und regulatorische Massnahmen notwendig. Vielversprechend sind Deep-Learning-Modelle und Technologien zur Deepfake-Erkennung, die in soziale Medien integriert werden und KI-generierte Inhalte entsprechend kennzeichnen. Wichtig sind auch der Faktencheck und die Verifizierung der Inhalte. Zudem sollte man die Nutzer aufklären, um die Absichten hinter KI-generierten Inhalten zu verstehen. Es ist entscheidend zu wissen, wer den Fake Content produziert, welche Ziele verfolgt werden, welchem Narrativ er dient und wie er die öffentliche Debatte beeinflussen möchte. Regulatorische Massnahmen sollten diese Technologien unterstützen und den Missbrauch von Deepfakes eindämmen.

Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung von Deepfake-Technologien und deren Einfluss auf die globale Informationslandschaft?
Die Technologie wird sich weiterentwickeln und es wird schwieriger werden, allein auf der Grundlage von Bildern und Videos zu unterscheiden, was echt und was künstlich geschaffen ist. Beim Prozess der Authentifizierung der Inhalte wird das Vertrauen in die Quelle, das Medium und die Verbreitungsmuster eine wichtige Rolle spielen. Dank spezialisierter Tools zur Erkennung und Verifizierung von Informationen wird die Unterstützung bei der Identifizierung von Desinformation von der KI selbst kommen.

Text: Patrick Stämpfli

Bild: zVg

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