Gourmet-Geflügel aus dem Ribelmaisfeld
Es ist Vormittag in Steinach, die Sonne liegt noch tief über den Feldern. Vor einem der mobilen Ställe von Geflügel Gourmet scharren Hühner im Gras, picken Körner und verschwinden zwischendurch zwischen hohen Maisstauden. Für Robin Geisser ist dieses Bild der Kern dessen, wofür sein Unternehmen steht: «Wir wollten von Anfang an eine Premium-Linie – anders als das Schweizer Standardpoulet.» Egal, wo man es kaufe, es sei immer dasselbe Produkt. «Wer früher als Koch etwas Besonderes wollte, brauchte französische Ware.» Heute ergänzen hochwertige Geflügel-Spezialitäten wie Appenzeller Enten, Ribel-Gänse oder Perlhühner das Angebot.
Vom Idealismus zur Marke
Die Geschichte von Geflügel Gourmet beginnt 2008, doch eigentlich reicht sie weit zurück. Bereits Grossvater Geisser war Geflügelzüchter. Im Stammgeschäft produziert die Familie konventionelles Geflügel – auch für den gewöhnlichen Detailhandel. Doch dann entschieden die drei Brüder, auch eine Premiumlinie aufzubauen. «Das war eine Idealismus-Entscheidung», erzählt Geisser.
Der Trägerverein Culinarium, das Gütesiegel für echte Regionalität aus der Ostschweiz, gab den Anstoss. Es ging um die Abnahme von Ribelmais aus dem Rheintal. Die Geissers experimentierten mit Rassen und Haltungsformen, setzten auf Maispoularden, die nach französischem Vorbild langsam wachsen, und etablierten das Konzept der Mobilställe. Daraus ist heute eine Marke geworden, die weit über die Ostschweiz bekannt ist: Geflügel Gourmet.
Die Ställe erinnern an übergrosse Davoser Schlitten. Sie werden über die Felder gezogen, sodass die Tiere immer wieder frisches Gras vorfinden. «Wir haben einen Kreislauf: frischer Boden, natürliche Immunisierung, bessere Widerstandskraft», erklärt Geisser. Während Bio-Betriebe in der Schweiz oft nur 500 Tiere pro Stall halten, fasst ein Mobilstall bei Geflügel Gourmet rund 2500 Tiere. Ein Kompromiss zwischen Effizienz und Tierwohl – «halb zwischen Bio und konventionell.» Die Poulets erhalten zur Hälfte Rheintaler Ribelmais. «Wir sind der grösste Abnehmer. Damit schliessen wir noch einen Kreislauf und geben dem Fleisch unverwechselbaren Charakter.»
Hühner scharren im Gras, picken Körner und verschwinden zwischendurch zwischen hohen Maisstauden.
Eine Nische in der Nische
Der Schweizer Geflügelmarkt ist riesig: Rund 65 Millionen Poulets werden pro Jahr produziert. Geflügel Gourmet steuert dazu nur rund 170’000 Tiere bei – ein Promillebereich. «Wir sind eine Nische in der Nische», sagt Geisser. Doch diese hat ihren Wert: Spitzenköche schwören auf die Produkte, und auch private Gourmets finden beispielsweise über die Delikatess-Online-Metzgerei Luma Zugang dazu.
«Unsere Enten gehen mit der Schweizer Mannschaft an den internationalen Kochwettbewerb Bocuse d’Or in Lyon», erzählt Geisser stolz. Beim Schweizer Finale waren seine Enten schon dabei – das Team um den mit drei Sternen und 19 Gault-Millau-Punkten dekorierten Spitzenkoch Franck Giovannini entschied es für sich. Er führt das renommierte «Restaurant de l’Hôtel de Ville» in Crissier – 2019 als bestes Restaurant der Welt ausgezeichnet. Geflügel-Gourmet-Kunden sind Häuser wie der Bürgenstock oder renommierte Gastronomiebetriebe an der Zürcher Goldküste und in St.Moritz. «Dorfbeizen gehören nicht zum Zielpublikum», schmunzelt Geisser.
Verarbeitung in Staad
Der Weg vom Ei bis zum fertigen Produkt ist klar strukturiert. Die Eier der speziellen Rassen stammen aus Frankreich und werden in der eigenen Brüterei ausgebrütet. Regionale Vertragsbauern ziehen die Tiere nach den Vorgaben von Geflügel Gourmet auf, gefüttert wird ausschliesslich mit dem bereitgestellten Futter. Nach 45 bis 65 Tagen werden die Tiere im eigenen Betrieb in Staad geschlachtet und verarbeitet. Das sei ein Kompromiss, sagt Geisser. Zu Beginn experimentierte Geflügel Gourmet mit noch langsameren Rassen, die 80 Tage alt wurden. «Für den Schweizer Geschmack waren sie zu intensiv.»
«Wir kühlen die Schlachtkörper langsam ab, das macht das Fleisch geschmacklich intensiver», erklärt Geisser. Tatsächlich unterscheiden sich die Produkte deutlich vom Standardpoulet: gelbliche Haut, festere Konsistenz, kräftigeres Aroma. «Es ist nicht unbedingt zarter, sondern fester – und dafür viel geschmacklicher.»
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«Das Fleisch ist nicht unbedingt zarter, sondern fester – und dafür viel geschmacklicher.»
Vielfalt und Saisonalität
Zum Sortiment gehören nicht nur Maispoularden, sondern auch Enten aus Appenzeller Ställen, Perlhühner oder Truthähne der alten englischen Rasse Kelly, die über ein halbes Jahr wachsen und im Winter als Weihnachtsbraten beliebt sind. Saisonale Produkte wie Gänse oder Truthähne ergänzen das Ganzjahresgeschäft mit Poulets.
«Früher verkauften wir fast nur Brust, heute sind auch Schenkel immer mehr gefragt – aber bei unseren Kunden knochenlos», berichtet Geisser. Sein Tipp: Poulet nicht totkochen. «Es muss knapp durch sein, nicht trocken. Dann kommen die Vorzüge unserer Haltung und Fütterung richtig zur Geltung.»
Poulet im Trend
Der Pro-Kopf-Konsum von Geflügelfleisch in der Schweiz liegt seit Jahren stabil bei rund zwei Kilo. Gerade Poulet profitiert von Trends zu gesunder und gleichzeitig bezahlbarer Ernährung. «Poulet ist in Mode – wegen dem Preis, wegen der Gesundheit, wegen der Nachhaltigkeit», fasst Geisser zusammen. Gleichzeitig bleibt Premium-Geflügel ein erklärtes Luxusprodukt: «Unsere Kundschaft achtet nicht in erster Linie auf den Fleischpreis.»
Corona zwang Geflügel Gourmet, sich breiter abzustützen. «Vorher bedienten wir praktisch nur die Gastronomie. Während der Pandemie holten Metzgereien auf.» Heute läuft der Vertrieb zweigleisig: über Grosshändler wie Bianchi in die Spitzengastronomie und über Plattformen wie Schlaraffenland in die Fachmetzgereien.
Die Premiumlinie soll bewusst klein bleiben, um Qualität und Philosophie zu bewahren.
Zukunft ohne Grossverteiler
Und wie geht es weiter? «Wir wollen jedes Jahr einen neuen Mobilstall aufstellen – aber nicht in die Grossverteiler», betont Geisser. Die Premiumlinie soll bewusst klein bleiben, um Qualität und Philosophie zu bewahren. Wachstum ja, aber kontrolliert. «Es geht nicht um Grösse, sondern um den Anspruch.»
Text: Pascal Tschamper
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer, zVg
