Es geht nicht ohne chemisches Kunststoffrecycling

Die meisten von uns haben eine ziemlich genaue Vorstellung von Kunststoffrecycling. Wir sammeln leere Joghurtbecher, Plastikflaschen für Waschmittel und Kosmetika sowie Verpackungen von Lebensmitteln. Diese werden dann wieder dem Recyclingprozess zugeführt, an dessen Ende neuer Kunststoff entsteht. Aber wir ignorieren vieles von dem, was sich ausserhalb unseres Blickfeldes befindet, etwa die Tatsache, dass die Recyclingquote für Kunststoffabfälle seit Jahrzehnten unter 10 Prozent liegt, dass es eine Vielzahl möglicher Recyclingverfahren gibt, die unterschiedliche Vorteile bieten und sich in ihrer Energiebilanz erheblich unterscheiden, und welche Endprodukte diese Verfahren hervorbringen können.
Werden Plastikabfälle aus Haushalten und Industrie nicht aufwendig vorsortiert und gereinigt, dann bleiben für den Recyclingprozess nur gemischte und verunreinigte Abfälle, erklärt enespa-Wissenschaftler Paparo, der ein hochmodernes Labor in Deutschland leitet. «Die Qualität des so wiedergewonnen Kunststoff-Rezyklats verschlechtert sich in der Regel im Laufe der Zeit», sagt er. Hintergrund ist, dass beim wiederholten mechanischen Kunststoffrecycling Additive verloren gehen und sich die Längenverteilung von Polymerketten ändern kann. Dadurch lassen sich irgendwann die ursprünglichen Eigenschaften des Kunststoffs nicht mehr reproduzieren, so dass man diesen besser zur Energiegewinnung verbrennt oder ihn chemisch recycelt.
Chemisches Recycling setzt dort an, wo mechanische Verfahren an Grenzen stossen
Bei chemischen Verfahren gebe es hingegen keine Grenzen, wie oft Kunststoff recycelt werden kann. Zudem eigneten sich herkömmliche, mechanische Verfahren – bei denen Plastikabfälle zerkleinert, gewaschen und eingeschmolzen werden – nur bei relativ sauberen, sortenreine Kunststoffen. Aber gerade Verpackungen, die einen hohen Anteil unseres Plastikabfalls ausmachen, bestehen oft aus Verbundstoffen, die das mechanische Recycling erschweren.
Chemisches Recycling erlaube dagegen die Verarbeitung von gemischten Kunststoffabfällen, sagt der enespa-Experte. Gleichzeitig ermögliche das Verfahren die Herstellung hochwertiger Rezyklate, da es die chemische Struktur der Kunststoffe aufbricht. Die einzelnen Bestandteile können dann in neue Materialien umgewandelt werden. Paparo räumt zugleich ein häufig geäussertes Missverständnis aus: «Recycling heisst nicht, dass aus Kunststoff stets wieder Kunststoff entstehen muss».
Aus Kunststoffen müssen nicht neue Kunststoffe entstehen
Für die Recycling-Industrie bestehe die eigentliche Herausforderung darin, die Prozesse zur Umwandlung von Plastik zu Öl und Öl zu Plastik zu kontrollieren. Mit der fortschrittlichen Pyrolyse-Technologie von enespa können Verbundkunststoffe und gemischte Kunststoffabfälle in hochwertiges Öl umgewandelt werden. Die Skalierbarkeit dieser Verfahren, d.h. die Verarbeitung industrieller Mengen von Plastikabfällen, sei derzeit das wichtigste Thema für das Appenzeller Unternehmen.
Zwar benötigten chemische Recycling-Verfahren immer noch viel Input-Energie, aus Sicht des Experten sei aber entscheidender, ob sich der Energieeinsatz lohne. «Die Einsparung an Erdöl, egal was aus dem Pyrolyseprodukt hergestellt wird, wird oft ausser Acht gelassen. Ebenso wird nicht betrachtet, dass das Pyrolysegas zur Energiegewinnung genutzt werden kann», sagt er. Unter dem Strich liessen sich mit dem enespa-Verfahren also Energie und damit CO₂ einsparen. Ausserdem sei Pyrolyse für Polyolefine als inerte, d.h. reaktionsarme Kunststoffe, eine der besten Recycling-Technologien, da diese auch ohne aufwendige Katalysatoren auskomme.
Ein Zukunftsmarkt im Wert von Milliarden
Eine zukünftige Herausforderung sieht Paparo im Bereich PVC-Recycling, den er als den «heiligen Gral» der Pyrolyse bezeichnet. Der für seine Vielseitigkeit, Langlebigkeit und geringen Herstellungskosten bekannte Kunststoff, ist aufgrund zahlreicher Zusatzstoffe wie Weichmacher und Flammenschutzmittel nur schwer recyclebar. Ausserdem wird beim Erhitzen giftiger und stark ätzender Chlorwasserstoff (HCI) freigesetzt. «Ich arbeite derzeit an dem Thema, werbe Gelder ein und suche Partner», sagt Paparo. Bei einem möglichen Durchbruch sieht er goldene Zeiten auf die Kunststoffrecycling-Branche zukommen. Daraus würden sich eine Vielzahl neuer Patenten sowie ein milliardenschwerer Zukunftsmarkt ergeben, sagt er.
Wer ist enespa
Als globale Innovatorin entwickelt, baut und betreibt die enespa-Gruppe wirtschaftliche und nachhaltige Technologien und Systeme für die Kreislaufwirtschaft. Kernkompetenz bilden der Anlagenbau und die dazugehörigen industriellen Dienstleistungen. Mittels zukunftsweisender Technologien und einem eigenen Forschungs- und Entwicklungslabor werden inhouse Anlagenlösungen für das chemische Recycling von gemischten Plastik-Abfällen, für die Ölveredelung und für die Reifenpyrolyse konstruiert. Das Unternehmen betreibt Gesellschaften in der Schweiz, Deutschland und den USA und beschäftigt rund 60 Mitarbeitende. Interessierte Anleger können in Aktien und Anleihen der enespa ag investieren.