LEADER-Special

«Eine präventive Auszeit kann monatelangen Ausfall verhindern»

«Eine präventive Auszeit kann monatelangen Ausfall verhindern»
Christian Finschi
Lesezeit: 3 Minuten

Burnout betrifft nicht nur die betroffene Person, sondern das ganze Unternehmen. Christian Finschi, Geschäftsführer der Gesundheitszentrum Sokrates AG, spricht im Interview über typische Warnsignale, verpasste Chancen in der Prävention und die Bedeutung eines ganzheitlichen Gesundheitsverständnisses. Er zeigt im «Gesundheits-LEADER» 2025 auf, warum Führungskräfte frühzeitig Verantwortung übernehmen sollten – und warum sich eine dreiwöchige Auszeit mehr lohnt, als viele denken.

Christian Finschi, warum reagieren Arbeitgeber oft erst zu spät auf Überlastung?
Ein Burnout entwickelt sich meist schleichend. Wenn Mitarbeitende überlastet sind, sucht man die Ursache oft in der Situation – etwa einem Grossauftrag oder dem Ausfall eines Kollegen – und hofft auf Besserung. Eine ganzheitliche Analyse fehlt. Ein Zusammenbruch kommt dann scheinbar plötzlich. Schwierig wird es auch, wenn gute Fachkräfte in Führungsrollen befördert werden, denen sie nicht gewachsen sind. Eine Rückstufung erfordert Mut auf beiden Seiten. 

Wo sehen Sie versäumte Chancen in der Burnout-Prävention?
In der Mitarbeiterführung. Entscheidend ist, dass die Beziehung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden stimmt, damit offen über Belastungen gesprochen werden kann. So lassen sich frühzeitig Massnahmen ergreifen: etwa organisatorische Anpassungen, klarere Aufgabenverteilung oder Prozessvereinfachung. Oft reichen wenige Gespräche oder eine Auszeit von drei Wochen, um die Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Ist es wichtig, auch das private Umfeld und persönliche Prägungen einzubeziehen?
Ja, ein zufriedener Mensch ist leistungsfähiger. Dabei spielt ein ausgeglichenes Privatleben eine wichtige Rolle. Entscheidend ist auch, was jemand erlebt hat – und wie er damit umgeht. Das Ziel einer komplementären Behandlung ist das Gleichgewicht von Körper, Geist und Seele. Das verbessert den Umgang mit der Krankheit, erhöht die Heilungschancen und stärkt die psychische Stabilität.

«Burnout ist oft das Resultat langer Ignoranz – nicht plötzlicher Schwäche.»

Viele Betroffene kehren nicht in ihre alte Funktion zurück. Wie gelingt eine nachhaltige Reintegration?
Idealerweise greift man früh ein, bevor es zum Ausfall kommt. Falls nicht, sollte das Unternehmen alternative Aufgaben prüfen – etwa eine weniger belastende Funktion. Ich konnte z.B. einen früheren Finanzchef als Controller reintegrieren. In einer Auszeit lernen Betroffene, sich besser abzugrenzen und ihre Kräfte gezielter einzuteilen.

Führungskräfte nehmen ihre Fürsorgepflicht oft nicht wahr. Was wäre wünschenswert?
Vertrauen, Zeit und Empathie. So erkennt man frühzeitig Warnzeichen. Schwierig wird es, wenn Betroffene nicht einsehen wollen, dass sich etwas ändern muss. Dann braucht es Entscheidungs-kraft, um Schutzmassnahmen einzuleiten – notfalls gegen den Willen der Person.

Sie empfehlen präventive Gesundheitsaufenthalte. Wie gross ist der Nutzen solcher Interventionen?
Gross. Die Abwesenheit ist planbar, das Team wird weniger belastet und ein längerer Ausfall oft verhindert. Für die Betroffenen ist es zudem ein Zeichen von Wertschätzung. Auch Arbeitgeber und -nehmer profitieren von tieferen Krankentaggeldprämien, weil weniger Leistungen beansprucht werden.

 

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Kritiker bezweifeln den Nutzen kurzer Aufenthalte. Was entgegnen Sie?
Unsere Erfahrungen mit Menschen, die 3 Wochen bei uns waren, bezeugen die Verbesserungen sehr deutlich. Der Ausstieg aus dem Hamsterrad ermöglicht den Fokus auf die eigene Gesundheit. Bringt der Betroffene die Bereitschaft zur Veränderung mit, wird ein Umdenken stattfinden, mit nachhaltig positiver Auswirkung auf das gesamte zukünftige Berufsleben.

Warum ist der ganzheitliche Ansatz so zentral?
Der Mensch besteht aus Körper, Geist und Seele. Werden alle Ebenen gleichermassen angesprochen, ist die Heilung nachhaltiger. Oft haben körperliche Beschwerden seelische Ursachen – etwa unverarbeitete Erlebnisse. Deshalb sind Themen wie Vergebung, Loslassen und Sinnfindung zentral. Ziel ist es, Perspektiven zu eröffnen, die Eigenverantwortung zu stärken, Ressourcen zu aktivieren und die Lebensfreude zurückzubringen.

«Heilung gelingt, wenn Körper, Geist und Seele im Gleichgewicht sind.»

Wie können Unternehmen von reaktiver auf präventive Gesundheitsvorsorge umschalten?
Das beginnt bei der Geschäftsleitung. Sie muss den Willen haben, betriebliche Gesundheitsvorsorge als Teil der Unternehmenskultur zu verankern. Wenn die Personalabteilung mitträgt und bereit ist, Zeit und Mittel zu investieren, zahlt sich das mehrfach aus – für alle Beteiligten.

Lohnt sich eine Mitfinanzierung durch das Unternehmen?
Unbedingt. Wenn der Mitarbeitende offen für den komplementären Ansatz ist, steigt seine Leistungsfähigkeit innert kurzer Zeit oft markant. Davon profitiert nicht nur das Team, sondern das ganze Unternehmen.

Text: Patrick Stämpfli

Bild: zVg

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