Wohnen im Rheintal: Nachfrage hoch, Angebot knapp

Aktuell besteht – trotz hoher Preise – eine ungebrochen starke Nachfrage nach Wohneigentum. «Sowohl das klassische Einfamilienhaus als auch moderne Eigentumswohnungen sind gleichermassen gefragt», weiss Roger Stieger, Partner bei der RT Immobilien Treuhand AG in Altstätten. «Mehrheitlich suchen junge Familien ein Einfamilienhaus mit Umschwung, Ältere sowie Singles eher praktische Eigentumswohnungen.» Aufgrund strenger Finanzierungsanforderungen sind dabei primär verhältnismässig erschwingliche Objekte gefragt. «Viele Interessenten erwerben lieber günstigere Objekte und sanieren diese dann nach dem Kauf auf eigene Kosten – teils sogar in Eigenleistung.»
Oft fliessen in solche Sanierungen Investitionen in Energieeffizienz mit ein, etwa durch Wärmedämmung oder moderne Heizsysteme, um die Nebenkosten nachhaltig zu senken. Bei den Einfamilienhäusern sind Lagen in schönen Wohnquartieren mit Nähe zu örtlichen Infrastrukturen gefragt; Eigentumswohnungen sollten eher zentral gelegen sein. Schöne Aussenräume sind bei Eigentumswohnungen fast Pflicht, ebenso ein Lift über alle Etagen, so Stieger.
Diese Einschätzung teilt auch Andrea Cristuzzi von der Geschäftsleitung der Cristuzzi-Gruppe in Widnau: «Weiterhin ist im Rheintal eine hohe Nachfrage nach Einfamilienhäusern zu beobach-ten – vorzugsweise Objekte in ruhigen, grünen und gut angebundenen Lagen. Stockwerkeigentum (insbesondere Attika- oder Gartenwohnungen) ist ebenfalls gefragt, hauptsächlich bei kleineren Haushalten oder als Startwohnung für junge Familien.» Auch ältere Eigentumswohnungen seien wieder gefragter – hier erhält man oft zu günstigeren Preisen Objekte mit Potenzial. Beim Ausbaustandard würden moderne und energieeffiziente Immobilien bevorzugt, da diese langfristig niedrigere Nebenkosten versprechen, so Cristuzzi. «Gerade nach den Energiepreissteigerungen der letzten Jahre achten Käufer stärker auf Dämmung, Heizung und nachhaltige Bauweise.»
Matthias Hutter, CEO der Casainvest Rheintal AG in Diepoldsau, stösst ins gleiche Horn: «Generell ist die Nachfrage nach Wohneigentum nach wie vor vorhanden.» Gegenüber vor ein paar Jahren habe sie allerdings abgenommen – wenngleich die jüngste Zinssenkung wieder für etwas Belebung sorge. «Der Traum vom Einfamilienhaus besteht weiter, wobei dieser für die Mehrheit kaum erschwinglich ist», gibt Hutter zu bedenken. Daher stehen Eigentumswohnungen hoch im Kurs – vorrangig Neubau-Wohnungen, bei denen die Käuferschaft von Anfang an mitgestalten kann. «Bestandsobjekte, genauer gesagt ältere Eigentumswohnungen, stehen vermehrt unter Druck und müssen sich preislich deutlich von Neubauten abheben», sagt Hutter. Der verlangte Ausbaustandard sei auch hier hoch; die Interessenten erwarten etwas für die verhältnismässig hohe Preisbasis. Geografisch ist nach wie vor das Mittelrheintal am beliebtesten, da hier alle relevanten Infrastrukturen nahe beisammen liegen. «Allerdings weichen Interessenten immer öfter auch auf umliegende Gemeinden aus, da die Preise dort grundsätzlich etwas tiefer angesetzt werden.»
Baubewilligungsverfahren dauern heute deutlich länger.
Verkehrsanbindung zählt
Bei Mietobjekten sind vorwiegend Wohnungen an zentralen Lagen mit guter Verkehrsanbindung sehr gefragt, weiss Andrea Cristuzzi. Die Grösse der Wohnungen variiert je nach Zielgruppe: Kleinere Ein- bis Zwei-Zimmer-Wohnungen sind besonders bei Singles und Paaren beliebt, während Familien eher nach grösseren Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnungen, idealerweise mit Gartenanteil, suchen.
«Ein hoher Ausbaustandard mit modernen Küchen und Bädern sowie ein Balkon oder Garten sind oft entscheidende Faktoren für potenzielle Mieter, heutzutage eigentlich bei allen Objekten im mittleren bis höheren Preissegment Standard», sagt Cristuzzi. Aber: «Eine weiterhin konstant hohe Nachfrage sehen wir auch nach Mietwohnungen im unteren Preissegment.»
Aufgrund der ausgetrockneten Marktverhältnisse seien praktisch alle Mietwohnungen äusserst begehrt, bestätigt Roger Stieger diesen Eindruck. Die Interessenten seien zwar gewillt, höhere Mieten zu bezahlen, «verlangen dafür aber auch bessere Ausbaustandards und ebenfalls schöne grosse Aussenräume». Stieger weist auf einen weiteren Punkt hin: «Gefragt sind nachhaltig gebaute Liegenschaften, bei denen die Heizkosten tief gehalten werden können.» Mit den gestiegenen Energiepreisen der jüngeren Vergangenheit achten Mieter verstärkt auf die Gesamtkosten ihrer Wohnung, was energieeffiziente Gebäude attraktiv macht.
Auch Matthias Hutter sieht das Preis-Leistungs-Verhältnis als entscheidend: «Wir spüren eine relativ grosse Preissensitivität; die Veränderungsbereitschaft ist gestiegen.» Nebst qualitativen Merkmalen spielen vermehrt auch die Nebenkosten eine Rolle; wegen gestiegener Energiekosten fallen diese stärker ins Gewicht. «Die Mieterschaft macht heute eine Gesamtkostenbetrachtung mit Nettomiete und Nebenkosten.»
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Nachfrage höher als Angebot
Das Angebot im Rheintal kann den Bedarf weiterhin nicht decken; die Nachfrage übersteigt das Angebot deutlich und wird durch Zuwanderung sowie demografische Veränderungen stark gestützt. Da kommt die Bautätigkeit nicht nach. «Primär bei Neubau-, aber auch Umbauprojekten wird für Planung, Bewilligung und Ausführung immer mehr Zeit benötigt – nicht zuletzt aufgrund komplexer Auflagen und Einsprachemöglichkeiten», sagt Matthias Hutter. «Oft dauert es mehrere Jahre, bis mit dem Bau begonnen werden kann. Das macht die Aufgabe in der Immobilienentwicklung herausfordernd.» Wichtig ist gemäss Hutter, bei Markteintritt der neuen Wohneinheiten die Bedürfnisse der Zielgruppen zu treffen; «je nach Dauer der Projektbearbeitung können sich diese verändern». Es müsse auch ein Ziel sein, «die preissensitiveren Nachfrager mit klarer Budgetvorgabe abzuholen; hierfür sind effiziente Projekte und eine ökonomische Bauweise entscheidend.»
Roger Stieger sieht das ebenso: «Aktuell kann in keinem Segment von einem Überangebot gesprochen werden. Vielmehr herrscht Knappheit. Baubewilligungsverfahren dauern länger, das Land wird knapper und teurer, die Zuwanderung bleibt hoch und die demografische Entwicklung trägt das Ihre dazu bei.» Insbesondere auf dem Mietmarkt würden nach wie vor zu wenige Einheiten realisiert; Neubauprojekte könnten praktisch immer ab Plan vermietet werden. Aber: «Schwieriger umzusetzen sind teurere Objekte im Verkauf.»
Derzeit gebe es im Rheintal in bestimmten Segmenten Engpässe, insbesondere bei preisgünstigen Mietwohnungen und erschwinglichen Einfamilienhäusern für junge Familien, beobachtet auch Andrea Cristuzzi. In anderen Bereichen – wie Luxusimmobilien oder grossen und damit teuren Wohnungen – könne es zu einem «leichten Überangebot» kommen. «Das Angebot hängt stark von der Makrolage (Gemeinde) und dem Preissegment ab», hält Cristuzzi fest. Sie gibt ein Beispiel: «Wir beobachten seit Anfang 2025 auf den Märkten Widnau und Diepoldsau bei den Neubau-Eigentumswohnungen eine vergleichsweise hohe Versorgung, was dort nun zu ersten Preiskorrekturen geführt hat.» Sie geht davon aus, dass diese Wohnungen eine etwas längere Absorptionszeit brauchen werden, sich der Markt dann aber wieder einpendelt.
Die anhaltende Knappheit trifft auf eine aktive Nachfrage, was die Preise weiter steigen lässt – wenn auch moderater als in den Vorjahren. Aktuelle Marktdaten zeigen, dass die Immobilienpreise im Rheintal im vergangenen Jahr erneut zugelegt haben: Der mittlere Transaktionspreis für ein Einfamilienhaus ist zwischen dem 3. Quartal 2023 und dem 3. Quartal 2024 um rund 2,2 Prozent gestiegen und liegt jetzt bei knapp 1,6 Millionen Franken. Bei Eigentumswohnungen stieg der Medianpreis im selben Zeitraum von 870’000 auf rund 910’000 Franken, ein Zuwachs von etwa 4,8 Prozent. Zudem wurden in den vergangenen zwölf Monaten Baubewilligungen für rund 250 weitere Eigentumswohnungen in der Region erteilt – ein Indiz für künftigen Angebotszuwachs. Allerdings zeichnet sich im Segment der Rheintaler Einfamilienhäuser ein Rückgang der Neubautätigkeit ab.
Ein Haus muss zu den eigenen Bedürfnissen passen.
Hohe Preise im Vergleich zum Einkommen
Die Immobilienpreise im Rheintal können insgesamt als relativ hoch im Vergleich zu den durchschnittlichen Einkommen der Region eingeschätzt werden. Dies gilt sowohl für den Wohneigentums- als auch für den Mietmarkt. «Die Preise reflektieren jedoch oft die hohe Lebensqualität und die gute Lage zwischen städtischen Zentren und naturnahen Erholungsgebieten», unterstreicht Andrea Cristuzzi. Ob die aktuellen Preise als «gerecht» angesehen werden, hänge von der individuellen Perspektive ab. Der Vorteil der Region im Vergleich zu den überhitzten Märkten in der Nähe der grösseren Städte ist, dass es für jedes Budget etwas gibt – «man muss einfach manchmal länger Geduld bei der Suche haben und Abstriche bei bestimmten Eigenschaften der Objekte machen», so Cristuzzi. Tatsächlich erfordert der Immobilienerwerb im Rheintal oft Kompromisse, denn viele Haushalte können sich Wohneigentum nur mit erheblichem Eigenkapitaleinsatz leisten.
«Unseres Erachtens spielt beim Verkauf von Liegenschaften der Markt», bringt es Roger Stieger auf den Punkt. Die Kaufinteressenten lassen die am Markt angebotenen Objekte via Berater oder Finanzinstitute prüfen. Sie sind dann auch nicht gewillt, überhöhte Preise zu bezahlen. «Auch im Mietwohnungsmarkt muss die Eigentümerschaft heute – trotz der eher ausgetrockneten Marktverhältnisse – marktgerechte Konditionen stellen, damit die Kunden gewillt sind, Verträge zu unterzeichnen.» Und: Angemessene Mietzinse tragen aus Sicht der Eigentümerschaft dazu bei, dass zukünftig weniger Fluktuationen und Leerstände im Haus entstehen.
«Aufgrund der Zinsveränderung und der wirtschaftlichen Abschwächung hat die Nachfrage nach – teurem – Wohneigentum zwischenzeitlich etwas nachgelassen», beobachtet auch Matthias Hutter. Demgegenüber ist die Nachfrage nach Mietwohnungen weiterhin äusserst robust. «Angebot und Nachfrage bestimmen die Marktpreise; so gesehen sind die Preise gerecht, wobei die Obergrenze in gewissen Segmenten erreicht zu sein scheint», weiss Hutter. Mit anderen Worten: Was der Markt derzeit an Preisen hervorbringt, entspricht der Zahlungsbereitschaft der Kunden – viel Luft nach oben sieht Hutter allerdings nicht mehr.
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Nicht (nur) wegen der Zinsen kaufen
Die Nationalbank hat die Schweiz in den vergangenen Jahren relativ gut durch stürmische Zeiten gebracht. Wurden früher oft die negativen Zinsen als Übel bezeichnet, ist das Zinsniveau nach dem raschen Anstieg nun wieder auf einem historisch niedrigen Stand angekommen. «Man sollte eine Liegenschaft aber nicht aufgrund der Zinslage kaufen; vielmehr soll ein solcher Kaufentscheid immer gut überlegt sein», sagt Roger Stieger. Ein Objekt muss zu seinem Eigentümer passen und die Bedürfnisse der Bewohner erfüllen. «Gewisse Preis- und Zinsschwankungen sollten deshalb in allen Zeiten verkraftbar sein.»
Das sieht Andrea Cristuzzi ähnlich: «In Zeiten unsicherer Zinslagen ist es wichtig, dass Kaufinteressierte ihre finanzielle Situation gründlich analysieren und nicht über ihre Verhältnisse investieren.» Wer flexibel ist und über ausreichend finanzielle Reserven verfügt, könnte von möglichen Preiskorrekturen profitieren, sollten die Zinsen einmal wieder steigen. «Wir gehen allerdings momentan eher von einem anhaltend tiefen Zinsniveau aus – was dafür spricht, dass man bei einem passenden Objekt heute eher zuschlagen dürfte», so Cristuzzi. «Ohnehin empfehlen wir auf jeden Fall eine ausführliche Beratung durch Fachleute – in Bezug auf das Objekt und die Finanzierung –, um Risiken zu minimieren.»
Und welche Empfehlung gibt Matthias Hutter ab? «Bei der Einschätzung der Zinssituation und daraus abzuleitenden Schlüssen bin ich generell zurückhaltend», gibt er sich vorsichtig. «Das muss jeder auf seine Vermögens- und Lebenssituation anpassen; es geht darum, wo und wie man sich wohlfühlt.» Einige Experten rechnen damit, dass das tiefe Zinsniveau vorerst anhalten wird – was eher für kurze Laufzeiten oder flexible Finanzierungsmodelle spreche. «Aber eben – meines Erachtens geht es primär darum, dass man sich wohlfühlt und einen für seine Situation passenden Ansatz wählt; das muss nicht immer ökonomisch optimiert sein.» Konkret heisst das: «Wenn das passende Objekt gefunden ist, sollte man zuschlagen und die Finanzierung auf sich sowie die eigenen Bedürfnisse ausrichten und gemeinsam mit dem Finanzierungspartner optimieren.»
Text: Stephan Ziegler
Bild: zVg