«Der kombinierte Verkehr verliert an Boden»
Der Entscheid, mehrere Umschlagterminals für den kombinierten Verkehr (KV) zu schliessen, trifft auf wenig Verständnis in der Branche. Besonders in der Ostschweiz ist die Enttäuschung spürbar. «Die Einstellung von KV-Strecken ist sehr bedauerlich», sagt Christian Sieber, CEO der Sieber Transport AG und Vizepräsident der
ASTAG Schweiz. «In der Vergangenheit konnten wir durch den Nachtsprung auf der Bahn Vorteile für die Kunden, für die Mitarbeitenden wie auch für unser Unternehmen erzielen. Jetzt läuft der Verkehr wieder über die Autobahn.»
Auch aus Sicht der Verbandsarbeit ist der Rückbau problematisch. «Insbesondere der KV hat den Zugang zur Bahn für alle Unternehmen ermöglicht. Insofern ist die Einstellung ein Rückschritt in der Verlagerung», sagt Sieber. Der ASTAG-Vertreter plädiert dafür, die Stärken der jeweiligen Verkehrsträger gezielt zu nutzen: «Der Strassentransport ist und bleibt das Kernelement der Feinverteilung, die Schiene eignet sich hingegen besonders für den Transport über längere Distanzen.»
«Die Einstellung von KV-Strecken ist sehr bedauerlich»
Terminalabbau ohne Rückweg
Konkrete Auswirkungen ergeben sich auch für Terminalstandorte. «Die Terminals werden aus dem Netz verschwinden und bestenfalls von Privaten für andere Bahnanwendungen eingesetzt», sagt Sieber mit Blick auf Standorte wie Widnau oder Gossau. «Eine Kehrtwende mit der Absicht, die Terminals wieder zu eröffnen, ist daher schwierig.»
Pragmatische Lösungen aus der Praxis
Marcel Schmitter, Geschäftsführer der SAW Schmitter AG in Widnau, sieht die Entwicklung differenziert. Zwar sei sein Betrieb nicht direkt betroffen gewesen, jedoch «vermehrt für den kombinierten Verkehr der SBB Cargo tätig». Umso wichtiger sei es, flexible Lösungen zu finden. «Wir haben unseren Terminal nun wieder ausgelastet mit einem privaten Containerdienstleister, welcher vorwiegend Import-/Exportcontainer über den Terminal umschlägt», erklärt Schmitter.
Gleichzeitig warnt er vor zunehmenden Problemen durch instabile Netze: «Ein stabiles Schienennetz bedeutet für uns Planungssicherheit und Termintreue. Vermehrte Störungen führen zu kostenintensiven Feuerwehrübungen, welche langfristig nicht tragbar sind.»
Bahn nur dort, wo sie Sinn ergibt
Für Schmitter steht fest: Die Bahn kann ihren Platz in der Logistik behalten – aber nur unter klaren Voraussetzungen. «Richtig eingesetzt, kann die Bahn viele Möglichkeiten bieten, die Versorgungssicherheit der Schweiz zu gewährleisten und zu steigern», sagt er. Dabei sieht er vor allem die Privatwirtschaft in der Pflicht: «Es braucht innovative Konzepte aus der Privatwirtschaft, um die Bahn richtig einzusetzen.»
Zugleich fordert er eine politische Klärung: «Man muss die Subventionsfrage klären: Wollen wir eine gut funktionierende Bahn, die mit dem Strassenverkehr zusammen gute Konzepte generiert, oder wollen wir sagen, dass die Bahn die Strasse konkurrenziert und nur der Preis entscheidet?»
Entscheidend sei auch das richtige Verständnis der Systeme: «Wenn man das Netz anschaut, kann man auf der Strasse überall hinfahren – quasi an jedes Haus. Die Bahn ist streckenbasiert mit einem Ein- und Ausgangspunkt. Sie macht da Sinn, wo kontinuierlich grosse Mengen gefahren werden.»
«Es braucht innovative Konzepte aus der Privatwirtschaft, um die Bahn richtig einzusetzen.»
Multimodale Strategie bei Migros
Eine Stimme aus dem Detailhandel kommt von Kim Shutler, Leiter Logistik Transport beim Migros-Genossenschafts-Bund. Die direkte Betroffenheit durch die Schliessung einzelner Terminals sei zwar begrenzt, aber nicht folgenlos: «Die Verbindung Neuendorf-Gossau im Tiefkühlsortiment wurde bereits Anfang 2025 eingestellt. Betroffen sind wir einzig durch die Schliessung des Terminals in Cadenazzo – das entspricht rund 1300 LKW-Fahrten pro Jahr, die künftig auf die Strasse verlagert werden müssen.»
Für Shutler ist klar: «Eine Verlagerung von Bahn auf Strasse führt grundsätzlich zu einem höheren Ressourcenbedarf.» Diesen könne die Migros allerdings auffangen – durch eigene Fahrzeuge und die enge Zusammenarbeit mit Transportdienstleistern. Grundsätzlich sei man multimodal aufgestellt: «Die Migros verfügt bereits heute über eine Vielzahl von Anschlussgleisen für den Bahnverkehr. An einzelnen Standorten sind zudem Erweiterungen geplant.»
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«Eine Verlagerung von Bahn auf Strasse führt grundsätzlich zu einem höheren Ressourcenbedarf.»
Politischer Zielkonflikt ungelöst
Die politische Gemengelage ist kompliziert – und das spiegelt sich auch in den Aussagen der Unternehmer. Christian Sieber bringt es auf den Punkt: «SBB Cargo steht in einem Zielkonflikt. Es wird von ihr Eigenwirtschaftlichkeit erwartet und gleichzeitig wünscht die Politik die beschleunigte Verlagerung.» Neben einem politischen Konsens brauche es auch Verbesserungen bei der Leistungserstellung: «SBB Cargo muss beim Equipment und bei der operativen Qualität spürbar zulegen.»
Text: Patrick Stämpfli
Bild: zVg
