Edle Eier aus Staad
Wer Daniela und Michael Fitzi begegnet, merkt schnell: Diese Wachtelzucht ist eine Geschichte von Leidenschaft, Pragmatismus und Beharrlichkeit. Dabei begann alles beiläufig. Zum 40. Geburtstag schenkte Danielas Bruder ein paar Wachteln – schliesslich standen ohnehin Hühner im Garten. Bald folgten erste Bruten, provisorische Ställe und ein steiler Lernprozess. «Man steht nicht einfach am Morgen auf und sagt: Heute halte ich 500 Wachteln», sagt Michael Fitzi. «Das entwickelte sich Schritt für Schritt.»
Vom Hobby zur Profession
Anfangs legten die Tiere mehr Eier, als die Familie essen konnte. Nachbarn baten um Nachschub, Wiederverkäufer klopften an, die Nachfrage stieg. So begann das Ehepaar, Strukturen zu schaffen, Bewilligungen einzuholen und sich weiterzubilden. Glücklicherweise liegt ihre Liegenschaft in einer Gewerbezone – eine Voraussetzung, um überhaupt Wachteln in grösserem Stil halten zu dürfen. «Wir sind ortsverbunden, keine Globetrotter. Das passte, auch weil Wachteln nicht überall erlaubt sind», erzählt Daniela Fitzi.
Heute umfasst die Bewilligung 1200 Tiere, der Bestand schwankt je nach Saison zwischen 600 und 800. Als Daniela 2019 ihre Arbeit als Schneiderin aufgab, war das längst kein Hobby mehr. «Familie, Haus, Tiere – das ging irgendwann nicht mehr. Die Wachteln nahmen mich ganz in Beschlag.»
Ein Nischenprodukt mit Nachfrage
Das Kerngeschäft sind Eier. Über 100’000 Stück verlassen die Zucht pro Jahr. Die meisten gehen über Zwischenhändler in die Gastronomie oder in regionale Läden. Privatkunden spielen kaum eine Rolle, mit Ausnahme von Bruteiern für kleinere Hobbyzüchter, die über den Webshop bestellen. «Das Wachtelei ist edler als das Hühnerei, es ist ein Hingucker auf dem Teller», sagt Michael Fitzi. Ob im Salat, als Tatar oder als gebratenes Spiegelei – in der Spitzengastronomie gehört es zum Repertoire.
Doch das Geschäft bleibt volatil. Zu Ostern und im Frühling steigt die Nachfrage sprunghaft, im Sommer flaut sie ab, im Herbst zieht die Wildsaison nach. Fitzi beschreibt das als ständige Gratwanderung: «Die grösste Herausforderung ist, Produktion und Markt in Einklang zu halten.»
«Das Wachtelei ist edler als das Hühnerei, es ist ein Hingucker auf dem Teller.»
Zwischen Stall und Spitzenküche
Ein typischer Tag beginnt mit dem Einsammeln der Eier – bis zu zweimal täglich, je nach Temperatur. Denn Kälte oder Hitze können die kleinen Schalen schnell verderben. Wachteln legen ihre Eier nicht brav in Nester, sondern überall, sodass Suchen zum festen Ritual gehört. Nur makellose, saubere Eier werden als Speiseeier verkauft, andere wandern in die Verarbeitung oder in den Kompost.
Zusätzlich züchtet der Betrieb Küken. Spezielle Gruppen produzieren Bruteier, in denen Hähne für die Befruchtung sorgen. Diese Eier gehen nicht an Konsumenten, sondern Züchter in der ganzen Schweiz. «Da sind wir einmalig», sagt Daniela Fitzi, «mit elf verschiedenen Farbschlägen bieten wir eine Vielfalt, die man kaum findet.»
Neben den Eiern liefert die Zucht Fleisch für die Gastronomie. Doch das bleibt ein Nebengeschäft. «Es lohnt sich nicht, auf Fleisch zu setzen – das funktioniert in der Schweiz kaum», sagt Michael Fitzi.
Gesundheit und Genuss
Wer über Wachteleier spricht, kommt am Thema Gesundheit nicht vorbei. Schon die alten Ägypter schrieben den kleinen Eiern eine heilende Wirkung zu. Heute gelten sie als cholesterinärmer und fettärmer als Hühnereier. Zudem vertragen Menschen mit Hühnereiweiss-Allergie oft Wachteln besser. «Wir hatten sogar schon Ärzte, die gezielt bei uns bestellt haben», sagt Daniela Fitzi.
Kreativität gegen Marktschwankungen
Um die saisonalen Schwankungen abzufedern, haben die Fitzis früh begonnen, aus den Eiern eigene Produkte zu entwickeln. «Man muss etwas machen, wenn plötzlich viel mehr Eier da sind, als die Gastronomie abnimmt», erklärt Daniela Fitzi. Heute reicht die Palette weit über das frische Ei hinaus. Im Online-Shop finden sich eingelegte Wachteleier in verschiedenen Variationen – von Kräuter- bis Curry-Sud. Daneben entstehen süsse Spezialitäten wie Meringues in verschiedenen Geschmacksrichtungen – Natur, Vanille oder Schokolade – die zeigen, wie vielseitig das kleine Ei eingesetzt werden kann.
Auch in der Pasta-Produktion hat das Ehepaar Fuss gefasst: Steinpilz-Fusilli oder Urdinkel-Reginette mit Wachteleiern ergänzen das Sortiment. «Wir wollten von Anfang an auch kreativ sein», sagt Michael Fitzi. «Das macht uns unabhängiger und gibt den Kunden neue Gründe, bei uns einzukaufen.»
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Wachteln sind keine Hühner
Wer die Wachtelhaltung mit Hühnerhaltung gleichsetzt, liegt falsch. «Das Einzige, was beide verbindet, sind Federn und Eier», sagt Michael Fitzi. Wachteln sind Wildtiere, ortsungebunden und immer auf Deckung bedacht. Anders als Hühner kehren sie nicht von allein in den Stall zurück. Entsprechend braucht es andere Strukturen und Beobachtung. Jede Zuchtgruppe lebt in einem eigenen Stall, teils mit bis zu dreissig Tieren. «Die Zucht ist aufwändiger als die Legegruppen. Deshalb sind wir auch nicht Bio-zertifiziert – gewisse Vorgaben liessen sich gar nicht einhalten», erklärt Daniela Fitzi.
«Wir haben hier etwas aufgebaut, das wir gerne in gute Hände geben möchten.»
Kein Beruf für ein langes Wochenende
Der Alltag ist streng getaktet. Ein Bauer mit Milchwirtschaft kann nicht am Freitagabend den Stall schliessen und am Montagmorgen weitermachen – genauso wenig geht das mit Wachteln. Füttern, sammeln, kontrollieren: Sieben Tage die Woche, das ganze Jahr hindurch. «Wenn wir mal wegwollen, müssen unsere Kinder einspringen», sagt Daniela Fitzi. «Ein Betrieb wie dieser kennt keine Pause.»
Blick nach vorn
Mit sechzig Jahren denkt Daniela Fitzi inzwischen an die Zukunft. Spätestens bis 2027 möchte das Paar eine Nachfolge geregelt haben. «Von der Nachfrage her könnten wir grösser sein», sagt Michael, «aber wir bauen nicht mehr aus.» Stattdessen suchen sie jemanden, der übernimmt – mit Freude an den Tieren und einem Bewusstsein für die Verantwortung. Denn mit ihrer Grösse ist die Wachtelzucht Staad in der Schweiz fast einzigartig. Einfach aufhören wäre für die Fitzis keine Option. «Wir haben hier etwas aufgebaut, das wir gerne in gute Hände geben möchten.»
Text: Pascal Tschamper
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer
