Gottlieben setzt auf Seethermie

Die Seethermieanlage in Gottlieben soll im Herbst 2026 den Betrieb aufnehmen. «Das Projekt ist ausgearbeitet, viele wichtige Arbeiten wurden vergeben», sagt Marcel Stofer, Geschäftsführer der Wärme Gottlieben AG und Leiter Wärme bei der EKT AG. Noch ausstehend sind die Baubewilligung und die Seewasserkonzession. Mit deren Erteilung wird im Oktober oder November 2025 gerechnet. Die Bauarbeiten sollen dann im Dezember starten.
Energie für fast ganz Gottlieben
Das Funktionsprinzip ist effizient und vergleichsweise einfach: Dem Seerhein wird Wasser entnommen, das in einer Heizzentrale über Wärmetauscher einen Teil seiner Energie abgibt. Danach wird das Wasser – rund vier Grad kühler – wieder zurückgeleitet. Die gewonnene Wärme wird auf etwa 70 Grad Celsius angehoben und ins sogenannte «warme Netz» eingespeist. Ein solches System erlaubt den direkten Anschluss auch älterer Gebäude.
Mit einer Leistung von 1,5 Megawatt kann die Anlage 70 bis 75 Prozent des Wärmebedarfs der Gemeinde decken. Rund die Hälfte der Gottlieber Gebäude sollen ans Fernwärmenetz angeschlossen werden; die CO₂-Einsparung beträgt jährlich rund 700 Tonnen.
Vielseitige Vorteile
Im dicht bebauten Gottlieben spielt der geringe Platzbedarf in den Gebäuden eine entscheidende Rolle. Weitere Vorteile gegenüber fossilen Heizsystemen sind die CO₂-Neutralität, die Versorgungssicherheit und die Unabhängigkeit von Importen. Im Vergleich zu anderen erneuerbaren Wärmequellen überzeugt die Seethermie durch hohe Effizienz, stabile Verfügbarkeit und einen minimalen Eingriff ins Landschaftsbild.
Die Bruttoinvestitionen für das Projekt belaufen sich auf rund 6,9 Millionen Franken. Finanziert wird über Eigenkapital, Kredite, Fördergelder und Anschlussgebühren, so Stofer. An der Wärme Gottlieben AG sind die Politische und die Bürgergemeinde Gottlieben mit je zehn Prozent beteiligt, die restlichen 80 Prozent hält die EKT Holding AG. Projektumsetzung und Betrieb erfolgen durch die EKT AG.
Besondere Herausforderungen ergaben sich durch den geplanten Standort der Energiezentrale im Gewässerschutzraum: Es musste nachgewiesen werden, dass dieser Standort zwingend notwendig ist, das Bauvolumen wurde auf das Minimum reduziert. Eine Teilzonenplanänderung war notwendig, um die Parzelle als Sonderbauzone Energie auszuweisen. Diese Anpassungen führten zu Verzögerungen und verschoben die geplante Inbetriebnahme vom Herbst 2025 auf den Herbst 2026.
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Ausstrahlung über die Gemeinde hinaus
Neben der Versorgung von Gottlieben wird auch über eine Erweiterung des Netzes nachgedacht. Gespräche laufen mit der benachbarten Überbauung Ochsegarte in Tägerwilen. Für Marcel Stofer hat das Projekt überregionale Bedeutung: «Es ist ein Leuchtturmprojekt, das zeigt, dass Seethermie auch wirtschaftlich tragfähig sein kann – und wertvolle Erkenntnisse für Folgeprojekte liefert, etwa im Umgang mit der Quaggamuschel.»
Zusätzlich betont er die Rolle der Anlage im kantonalen Kontext: «Die Bedeutung der Wärme Gottlieben AG ist gross. Gerade auch, weil verschiedene andere Projekte entweder sistiert worden sind oder sich verzögern. Da Wirtschaftlichkeit mit Seethermie nur sehr schwer zu erreichen ist, ist es umso wertvoller, mit der Wärme Gottlieben AG ein Leuchtturmprojekt zu haben, das sich auch wirtschaftlich langfristig rechtfertigen lässt.»
Text: Patrick Stämpfli
Bild: zVg