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Quo vadis, Ostschweizer Immobilienmarkt?

Quo vadis, Ostschweizer Immobilienmarkt?
Lesezeit: 4 Minuten

Für viele bleibt der Traum vom Eigenheim genau das: ein Traum. Besonders in den vergangenen Jahren schossen die Immobilienpreise in die Höhe. Caroline Hilb Paraskevopoulos, Leiterin Anlagestrategie und Analyse der SGKB, schätzt
die aktuelle Situation auf dem Ostschweizer Immobilienmarkt ein.

Caroline Hilb Paraskevopoulos, seit Jahren – aber besonders während der Pandemie – stieg die Nachfrage fürs Eigenheim. Was sind die Gründe dafür?
Die Pandemie hat die Wohnung oder das Haus zum zentralen Lebensmittelpunkt gemacht und damit den emotionalen Wert von Wohnen verstärkt. Ebenfalls hat uns das Homeoffice örtlich flexibler gemacht und die Nachfrage in ländlichen Gebieten steigen lassen. Neben diesen weichen Faktoren gab es aber auch harte Fakten – den stabilen Arbeitsmarkt in Kombination mit tiefen Zinsen beispielsweise. Hinzu kommt, dass unsere Bevölkerung in den letzten Jahren stetig gewachsen ist. Und: Es wohnen immer weniger Personen in einem Haushalt, diese wollen aber mehr Fläche. 

Wie sehen die Zinsaussichten für das Jahr 2023 aus?
Ich gehe davon aus, dass die SNB ihren Leitzins 2023 auf zwei Prozent anheben wird. Ich nehme ebenfalls an, dass die Inflation im Verlaufe des Jahres zwar sinken wird, die SNB aber weiterhin der erhöhten Inflation entgegentreten muss. Für die SNB ist es ein guter Zeitpunkt, um die Geldpolitik zu normalisieren und sich damit wieder mehr Handlungsspielraum zu verschaffen. Die längerfristigen Zinsen und damit die Festhypotheken könnten sich also nochmals verteuern. Mit Zinssenkungen rechne ich 2023 noch nicht.

Zeichnet sich damit eine Abkehr vom langjährigen Preisanstieg ab?
Ja, ein Stück weit schon. Wichtige Nachfragetreiber wie die Einkommenssicherheit und das Bevölkerungswachstum sichern die Nachfrage und die Preise aber nach unten ab. Die steigenden Finanzierungskosten haben jedoch bereits ihre Spuren hinterlassen: Die Angebotspreise für Einfamilienhäuser sind im vierten Quartal 2022 gegenüber dem Vorquartal in der Ostschweiz gesunken. Bei den Eigentumswohnungen sind die Angebots- als auch die Transaktionspreise marginal gesunken. Dies zeigt, dass die Nachfrage nach wie vor gross ist, aber nicht mehr zugelegt hat. Interessant wird sein, was die höheren Zinsen bei den Mieten auslösen werden. Die Zinswende hat Mieten im Vergleich zum Kaufen wieder attraktiver gemacht. Das spüren die Preise für Eigentumswohnungen am stärksten. Wichtig finde ich zu erwähnen, dass dieser Effekt im Verlaufe des Jahres an Bedeutung verlieren wird, weil voraussichtlich auch die Mieten steigen. Das wiederum wird die Nachfrage nach Eigentumswohnungen stützen.

 

  
Caroline Hilb Paraskevopoulos
Caroline Hilb Paraskevopoulos

Wie schätzen Sie die aktuelle Stimmung auf dem Ostschweizer Immobilienmarkt ein?
Die Akteure sind sich bewusst, dass am Markt mit den höheren Zinsen die eine oder andere Stellschraube neu gestellt und sich die Marktlage verändern wird. Die Marktaktivitäten schätze ich jedoch solide ein. In den meisten Regionen in der Ostschweiz sind wieder mehr Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen auf den Markt gekommen, wenn auch auf tiefem Niveau. Zudem zeigt ein Blick auf die 2022 erteilten Baubewilligungen, dass die Bautätigkeit 2023 in den meisten Ostschweizer Kantonen anziehen wird.

Gibt es da regionale Unterschiede?
Generell ist die Lage in städtischen Gebieten angespannter als in ländlichen Regionen, wo Wohnraum oftmals noch leichter zu finden ist. In der Ostschweiz ist Wohnraum insbesondere in den Tourismusgemeinden, zum Beispiel im Engadin, schwer zu finden. In ländlichen Gegenden, die seit Ausbruch der Pandemie von einem starken Anstieg der Nachfrage profitieren konnten – etwa das Toggenburg – nimmt die durch die Pandemie ausgelöste Zusatznachfrage allmählich ab. Entsprechend dürfte die Preisdynamik dort stärker abflachen.

Konkret: Wie viel teurer werden Eigentumswohnungen?
Die Preisdynamik wird sich abschwächen, allerdings sichert das knappe Angebot den Markt nach unten ab. Wüest Partner rechnet 2023 mit einem Preisanstieg von 0,5 Prozent, was ich für realistisch halte.

 

Und Einfamilienhäuser?
Bei Einfamilienhäusern ist das Angebot noch knapper. Entsprechend werden wir weiterhin leichte Preisanstiege sehen. Wüest Partner rechnet hier für 2023 mit einem möglichen Preisanstieg von 1,7 Prozent. Das ist im Vergleich zu den letzten Jahren ein wesentlich kleineres Plus, macht aber im Hinblick auf die gestiegenen Zinsen absolut Sinn.

Sollten Interessierte also mit dem Kauf nicht zuwarten?
Beim Hauskauf ist Zuwarten nie ein guter Rat, sofern die Rahmenbedingungen wie Objekt und Tragbarkeit stimmen. Es ist ja nicht nur der Preis, sondern auch die Lage und das Objekt selbst. Wer ein Objekt findet, das sein Herz höherschlagen lässt, soll auf keinen Fall zuwarten! Wer nur aus Renditeüberlegungen investiert, sollte von Fall zu Fall entscheiden. Die Preise am Immobilienmarkt schwanken in der kurzen Frist kaum. Den Kauf ein paar Monate zu verschieben, macht daher im besten Fall nur einen kleinen Unterschied, besonders wenn man bedenkt, dass Eigenheime oftmals mehrere Jahrzehnte gehalten werden.

Kürzlich trafen sich in der Olma-Halle 2.1 rund 850 Investoren, Bauunternehmer und Exponenten der Immobilienbranche im Rahmen des SGKB-Immobilienforums. Wie haben Sie den grössten Anlass der Immobilienbranche erlebt?
Der Ausblick für den Ostschweizer Immobilienmarkt hat mich sehr interessiert. Die Stimmung allgemein habe ich als sehr positiv wahrgenommen – und natürlich hat mich das grosse Interesse am Anlass selbst gefreut.

 

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Und wie schätzen Sie die Stimmung in der Branche ein?
Konstruktiv optimistisch – die Branche schaut selbstbewusst und positiv nach vorn, ist sich aber Veränderungen und Hindernisse im Immobilienmarkt bewusst.

Zukunftsforscher Stephan Sigrist zeigte auf, wie wir in Zukunft leben und wohnen. Wie sieht für Sie das Wohnen in der Zukunft aus?
Ich fand seine Überlegungen zum Wohnen im Alter mit gezielter Bewegung und zur Nachhaltigkeit spannend. Diese Themen beschäftigen mich persönlich. Mein Alltag ist sehr voll; darum bin ich froh, wenn ich durch Treppensteigen schon Bewegung habe.

Welche Folgen hätte dies für den Immobilienmarkt?
Um das Thema Nachhaltigkeit kommen wir nicht herum. Hier ist der Weg noch nicht zu Ende gegangen und wir müssen uns grundsätzlicher Gedanken machen. Es geht ja nicht nur um Wärmepumpen, sondern auch um die Wahl von Baustoffen oder die Wiederverwendung. Auch finde ich, dass nachhaltiges Wohnen grösser und umfassender gedacht werden sollt: Es betrifft auch die Planung von Grünflächen oder von Flächennutzung allgemein. Ganzheitliche Konzepte werden hier an Bedeutung gewinnen. Darauf bin ich gespannt!

Text: Miryam Koc

Bild: unsplash, zVg

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