Geothermie Thurgau 2021

Mit Fördern und Fordern zum Ziel

Mit Fördern und Fordern zum Ziel
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Der Thurgau nimmt mit seinem energiepolitischen Förderprogramm schweizweit einen Spitzenplatz ein. Auch das neuste Energiekonzept setzt stark auf erneuerbare Energien. Im Gespräch skizziert Andrea Paoli, Leiter Abteilung Energie, was der Thurgau besser macht als andere Kantone und wie er das Energiekonzept konkret umsetzt.

Andrea Paoli, was zeichnet das neuste Energiekonzept des Kantons Thurgau besonders aus?
Es ist sehr umsetzungsorientiert ausgestaltet und enthält zahlreiche Massnahmen, die in den kommenden zehn Jahren sukzessiv realisiert werden können. Fachleute aus verschiedenen Disziplinen haben es erarbeitet und darin pragmatische Lösungsansätze entwickelt. Das Parlament hat dann das Konzept wohlwollend aufgenommen.

Und wie gelingt es Ihnen, die Wirtschaft und damit die Unternehmen mit ins Boot zu holen?
Durch ein breites Dienstleistungsangebot, das wir über das KEEST anbieten. Darin sind Vorgehensberatungen, Machbarkeitsstudien und das Energieförderprogramm enthalten. Damit sollen Unternehmen Massnahmen erkennen und umsetzen können, die ihre Energieeffizienz erhöhen und ihre Betriebskosten senken. Im Portemonnaie zählt jede eingesparte Kilowattstunde! Oder sie können auf erneuerbare Energien umsteigen und ihren CO2-Ausstoss und somit die CO2-Abgaben senken. Das Förderprogramm bietet zusätzlich einen finanziellen Anreiz, zum Beispiel mit den Angeboten «Energieeffizienz in Unternehmen» oder «Energieanalysen in Unternehmen». Es gibt im Kanton Thurgau zahlreiche vorbildliche Unternehmen, die vorausgehen und nachhaltiges Verhalten etablieren. Sie wissen, dass die Umsetzung von Energieeffizienzmassnahmen und der Umstieg auf erneuerbare Energien Aufträge und Arbeitsplätze in der Region schaffen.

Bei der Wärmeerzeugung sollen vermehrt erneuerbare Energien eingesetzt werden. Welche Rolle spielt dabei die Geothermie?
Die untiefe Geothermie, die in der Regel mit Erdwärmesonden und Wärmepumpen genutzt wird, ist heute etabliert. In Neubauten sind Wärmepumpenanlagen Standard, doch auch in bestehenden Bauten werden Wärmepumpenanlagen vermehrt eingesetzt und verdrängen Schritt für Schritt fossil betriebene Heizungen. Neu möchte der Kanton Thurgau das Wärmepotenzial des Bodensees erschliessen. Deshalb wurde eine Machbarkeitsstudie «Thermische Nutzung Bodensee und Rhein» in Auftrag gegeben, die demnächst abgeschlossen wird. Das Wärmepotenzial des Bodensees ist riesig und der Kanton Thurgau möchte Projekte zu dessen Nutzung vorantreiben.

Wo sehen Sie das grösste Potenzial?
Noch bei der untiefen Geothermie: Die Technologie hat sich rasch weiterentwickelt, ist kostengünstig und die Akzeptanz in der Gesellschaft mittlerweile sehr gross. Die tiefe Geothermie, also Bohrungen in eine Tiefe über 500 m, hat ebenfalls ein sehr grosses Potenzial. Dessen Erschliessung bedingt aber weitere technische Entwicklungen und Analysen des Untergrundes.

 

  

«Im Portemonnaie zählt jede eingesparte Kilowattstunde.»

Bei der Mobilität verfolgt der Thurgau ebenfalls ehrgeizige Ziele: So soll der Verbrauch fossiler Treibstoffe in den nächsten zehn Jahren um 35 Prozent sinken.
Der Kanton Thurgau hat einen Bericht erarbeitet, um die Chancen und Risiken der Elektromobilität abzuklären. Daraus ist ein Konzept mit Massnahmen entstanden, das die Marktdurchdringung der Elektromobilität beschleunigen soll. So wird mit verschiedenen Anlässen für die Bevölkerung die Elektromobilität erlebbar gemacht. Mit einer Förderprämie wird seit 2019 ein finanzieller Anreiz für den Umstieg von Benzin- und Dieselfahrzeugen auf reine Elektrofahrzeuge gesetzt. Wichtig sind aber auch raumplanerische Massnahmen, damit Wohn- und Arbeitsorte nahe beieinanderliegen. Zudem ist ein breites ÖV-Angebot sowie dessen Elektrifizierung wichtig.

Mit Energieförderprogrammen werden für Private und Unternehmen finanzielle Anreize geschaffen, vermehrt auf nachhaltige Energie umzusteigen, um so die Ziele der kantonalen und bundesrätlichen Energiestrategie zu erreichen. Reichen die aktuellen Anreize aus?
Das Thurgauer Förderprogramm zählt wohl, was Attraktivität und Wirkung betrifft, schweizweit zu den besten. Ein gutes Förderprogramm alleine reicht jedoch nicht aus! Es braucht die Bereitschaft von Privaten und Unternehmen, den Ausbau erneuerbarer Energien voranzutreiben und Energieeffizienzmassnahmen umzusetzen. Aber auch gesetzliche Anpassungen, also die Festlegung der Mindestanforderungen, sind entscheidend. So wurde auf den 1. Juli 2020 das neue Energiegesetz vom Parlament einstimmig verabschiedet. Es definiert den Stand der Technik und führt administrative Vereinfachungen für Planer, Bauherren und Behörden ein.

Wie viel Förderung ist gut und wie viele Vorschriften sind nötig, um die Energiewende zu erreichen?
Es wird beides benötigt. Gemäss dem Motto «fördern und fordern».

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Zum Schluss: Wo steht der Kanton Thurgau energiepolitisch in fünf Jahren?
Zurzeit befinden sich einige grössere Projekte in der Planung, einige davon mit Vorbildcharakter. Können diese umgesetzt werden, kann der Bedarf von fossilen Energien merklich reduziert werden. Zudem ist ein beschleunigter Umstieg auf erneuerbare Heizsysteme im Gebäudebereich und im Verkehr auf Elektrofahrzuge zu erwarten. Im Strombereich wird sich der rasante Zubau von Solarstromanlagen fortsetzen, insbesondere auch bei Unternehmen. Bei der Solarstromleistung pro Kopf liegt der Kanton Thurgau schweizweit an dritter Stelle. Darüber freue ich mich. Ich hoffe, dass Private, Unternehmen und Politiker weiterhin am selben Strick ziehen.