St.Galler Festspiele 2023

«Ich brauche einen Plan A, B, C und D»

«Ich brauche einen Plan A, B, C und D»
Rodula Gaitanou
Lesezeit: 3 Minuten

Rodula Gaitanou gibt mit Umberto Giordanos Oper «Andrea Chénier» ihr Schweizer Debüt. Eine Liebesgeschichte, die es in sich hat. Im Gespräch verrät die Griechin, auf welche Herausforderungen sie gestossen ist – und wieso sie sich als Regisseurin an einem Lady-Gaga-Zitat orientiert.

Die Opernwelt kann stressig sein: Rodula Gaitanou ist über den Sommer mit vier Opern in den USA, Italien, Norwegen und St.Gallen beschäftigt. Ständig hat sie die verschiedenen Stücke im Kopf; ihr aktueller Ohrwurm ist «Andrea Chénier». Das epische, gross angelegte Drama beschäftigt sich mit den Folgen der Französischen Revolution. «Nach der Revolution stellt sich die Frage: Was passiert als Nächstes? Was sind die Entscheidungen über eine neue Gesellschaft?», sagt Gaitanou.

Intimes Bild auf grosser Bühne

Es sei ein Kampf von Idealen, umrahmt von einem Liebesdreieck dreier Antihelden. Die Regisseurin integriert eine aktuelle Sichtweise auf die Oper in deren Umsetzung mit ein. Die Geschichte hat klare Referenzen wie Daten, «aber wir zerquetschen die Vergangenheit mit der modernen Hand, um etwas Neues zu erschaffen».

Natur kontrolliert die Show

Der Schauplatz von Umberto Giordanos Werk ist mit dem Klosterhof ein für  Gaitanou überwältigender Ort. «Die Stadt koexistiert mit den Bergen. So ist die Natur sehr präsent – das ist einzigartig.» In St.Gallen trifft die Griechin auf eine sehr grosse Bühne, was ihre Arbeit auf verschiedene Arten beeinflusst. «Man muss die ganze Grösse der Bühne füllen und gleichzeitig die intimen Momente der Geschichte unterstützen», erzählt Gaitanou. In der Vorbereitung erschuf sie diesen Handlungsraum, der lediglich auf Bildern des Klosterhofs basierte: «Wir haben eine gesamte Welt mit dieser Fassade kreiert.»

«Normalerweise habe ich alles unter Kontrolle, aber hier kann ich das nicht», verrät die 42-Jährige. Die Oper findet draussen statt, was zwei Herausforderungen mit sich bringt. Gaitanou ist mit ihrem Projekt auf die Gnade der Wettergötter angewiesen. «Ich muss offen sein, um mit verschiedenen Szenarien wie einem Abbruch oder einer nassen Bühne umzugehen», sagt die Regisseurin. «Das ist aufregend, aber beängstigend.» Ausserdem spielen die Akteure mit dem Verlauf des Lichts: Die Oper startet, wenn es hell ist, und endet, wenn es dunkel ist. Daraus entsteht ein einzigartiges Spiel mit dem natürlichen Licht. Für die Regisseurin ist es ein Genuss, aber auch hier gilt: «Es ist unbeeinflussbar. Ich brauche einen Plan A, B, C und D».

  

Starke Charaktere

Rodula Gaitanou legt viel Wert auf  den ersten Eindruck von Menschen. Bei  «Andrea Chénier» war sie begeistert. «Ich bin sehr beeindruckt und zufrieden mit der Arbeit des fantastischen Theater-Teams.» Das reiche vom Orchester bis zu den Malern der Hintergrundkulisse. «Gemeinsam kreieren wir Charaktere.» Gaitanou arbeitet mit den Darstellern; die Geschichte entwickelt sich im lebendigen Prozess weiter. Die Regisseurin hat eine Vorstellung, aber ihre Idee muss zum Darsteller passen und umgekehrt. «Ideen existieren nicht ohne Umsetzung», betont die Regisseurin.

Diese Zusammenarbeit gefällt ihr. «Ich will das Beste aus den Leuten holen.» Um das zu erreichen, folgt Gaitanou einem Zitat von Lady Gaga: In der Leidenschaft liegt die Disziplin. «Natürlich braucht es als Regisseurin die Liebe zur Kunst, den Blick für das grosse Ganze und musikalische  Fertigkeiten», erklärt sie. «Aber man muss leidenschaftlich sein. Und diszipliniert, wie man die Leidenschaft anwendet.»

Zur Person Rodula Gaitanou kommt aus Athen, wo sie auch ihre Ausbildung als Violinistin am Mousikoi-Orizontes-Konservatorium erhielt. Daraufhin studierte sie Musikwissenschaft sowie Operninszenierung in Paris. Zudem war sie Mitglied im Jette-Parker-Künstler-Programm und beim «Laboratoire d’Etude du Mouvement» an der internationalen Theaterschule Jacques  Lecoq. Nun lebt Gaitanou in London und inszenierte Opernproduktionen in Europa, China, Australien und den USA. Für ihre Engagements war sie bei diversen Award-Shows, u. a. den Helpmann- und Irish-Times-Theatre-Awards, nominiert und gewann den ARGO-Preis 2022 für «Kunst und Kultur». Zu ihrem Résumé gehören Wiederaufnahmen von Produktionen des Royal Opera House – Covent Garden.

Auch interessant

«Le jour de gloire est arrivé»
St.Galler Festspiele 2023

«Le jour de gloire est arrivé»

17 Festspiele begleitet
St.Galler Festspiele 2023

17 Festspiele begleitet

«Unvergessliche Abende mit aussergewöhnlichen Opern-Erlebnissen»
St.Galler Festspiele 2023

«Unvergessliche Abende mit aussergewöhnlichen Opern-Erlebnissen»