St.Gallen

«Lage, Lage und nochmals Lage»

«Lage, Lage und nochmals Lage»
Stefan Gabriel
Lesezeit: 4 Minuten

Der Immobilienmarkt 2025 ist von Gegensätzen geprägt: historisch tiefe Zinsen, gleichzeitig ein spürbarer Kreditengpass, steigende regulatorische Anforderungen und hohe Baukosten. Fortimo-CEO Stefan Gabriel erklärt in der LEADER-Sonderausgabe invest@SG 2025, weshalb private Investoren stärker unter Druck geraten, welche Chancen die Ostschweiz trotz Herausforderungen bietet, wie ESG-Kriterien die Branche verändern, warum moderne Büroflächen wieder an Bedeutung gewinnen und welche Rolle Digitalisierung und Künstliche Intelligenz künftig im Portfoliomanagement spielen.

«Obwohl die Zinsen historisch tief sind, spüren wir aktuell eine Art Kreditengpass. Kapital ist nicht in dem Ausmass verfügbar, wie man es erwarten würde», sagt Stefan Gabriel. «Institutionelle Anleger, insbesondere Versicherungen, verfügen zwar über ausreichend Mittel und können entsprechend aktiv investieren. Für private Investoren stellt sich die Lage jedoch deutlich schwieriger dar.»

Eine der grössten Hürden sei die Finanzierung. «Gerade im Bereich von Baukrediten ist die restriktive Kreditvergabe der Banken eine zentrale Herausforderung – teilweise bedingt durch die strengeren Vorgaben von Basel III und durch die hohen Anforderungen der Schweizerischen Nationalbank an die Tragbarkeitsvorschriften. Für viele kleinere Investoren wird es dadurch fast unmöglich, grössere Projekte zu stemmen.»

«Wer Nachhaltigkeit glaubwürdig umsetzt, wird langfristig erfolgreicher sein.»

Chancen und Grenzen in der Ostschweiz

Die Ostschweiz sei von diesen Entwicklungen zwar betroffen, aber in geringerem Ausmass als die grossen Zentren. «Die Wohnungsknappheit ist spürbar, führt aber nicht zu vergleichbaren Spannungen oder politischem Aktivismus wie etwa in Zürich. Auch die Einspracheflut, die in den Städten viele Projekte blockiert, ist hier weniger ein Thema – in der Ostschweiz sucht man häufiger den Dialog am Tisch, statt sofort den Rechtsweg einzuschlagen.»

Gabriel warnt aber vor zunehmender Regulierung: «Mehr Auflagen, höhere Baukosten und längere Bewilligungsverfahren erhöhen die Komplexität. Dabei könnte man viele Vorgaben längst kantonsübergreifend harmonisieren.» Trotz allem sei die Region attraktiv: «Die Ostschweiz bietet weiterhin spannende Entwicklungs- und Investitionsmöglichkeiten. Entscheidend ist ein sehr gutes Verständnis des lokalen Marktes, der Mikrolagen und deren Absorptionsfähigkeit.»

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Renditeerwartungen und Strategien

Das Zinsumfeld wirke sich je nach Kreditnehmer positiv aus. «Niedrigere Zinsen senken die Kosten für Hypotheken und Kredite und steigern damit die Rendite. Zudem mangelt es an attraktiven Alter­nativen, Kapital anzulegen. Immobilien werden dadurch zur bevorzugten Anlageklasse, was die Nachfrage und die Preise steigen lässt.» Die Inflation habe derzeit wenig Einfluss. «Die strukturellen Herausforderungen bleiben jedoch: komplexe Bauverfahren, steigende Baupreise, strengere Kreditvergaben und höhere Eigenmittelanforderungen. Das erhöht das Risiko und bremst vor allem private Investoren.»

Die richtige Strategie sei entscheidend, so Stefan Gabriel: «Eine noch sorgfältigere Standort- und Projektwahl ist Pflicht. Wer die lokalen Märkte, die Nachfrageentwicklung und die Marktbedürfnisse genau kennt, kann stabile Renditen erzielen. Dazu kommt, dass Finanzierungsstrategien breiter aufgestellt werden sollten – etwa durch frühzeitige Gespräche mit mehreren Kapitalgebern. Know-how, Flexibilität und solides Risikomanagement sind die Schlüsselfaktoren für nachhaltigen Erfolg.»

Nachhaltigkeit zwischen Anspruch und Realität

Nachhaltigkeit sei kein Randthema mehr. «Für institutionelle Investoren haben ESG-Kriterien enorm an Bedeutung gewonnen – nicht zuletzt durch regulatorische Vorgaben. Sie sind heute fester Bestandteil jeder Investitionsentscheidung.» In der Praxis bleibe aber die Lage entscheidend. «Am Ende zählt nach wie vor: Lage, Lage und nochmals Lage, eine hohe Vermietungsquote und ein Gebäude, das nicht älter als fünf Jahre ist. In solchen Fällen genügt Investoren oft schon eine Photovoltaikanlage auf dem Dach, selbst ohne umfassendes Label.» Zugleich kritisiert er: «Es gibt noch zu viel Greenwashing. Wer Nachhaltigkeit glaubwürdig und zielführend umsetzt, wird langfristig erfolgreicher sein.»

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Wohnungsbau, Büroflächen und Mischnutzungen

Auch beim Wohnungsbau sieht Gabriel differenzierte Entwicklungen. «In gewissen Regionen ist der Markt praktisch ausgeschöpft und überhitzt, während andernorts Wohnungen nach wie vor weggehen wie warme Semmeln. Wichtig ist, zwischen Mietwohnungen und Stockwerkeigentum zu unterscheiden – beide Märkte funktionieren unterschiedlich.» Der Grundsatz bleibe derselbe: «Lage und Preis. Erfolgreich ist, wer den Markt sorgfältig analysiert, die Nachfrage realistisch einschätzt und auch einmal Nein sagt.»

Bei Büro- und Gewerbeflächen sieht Stefan Gabriel eine neue Dynamik. «Viele Unternehmen holen ihre Angestellten zumindest teilweise zurück ins Büro. Erfolgreicher ist, wenn Homeoffice ein ergänzendes Modell bleibt – nicht die Regel. Dafür braucht es moderne Büros: Arbeitsplätze, die Wohlbefinden fördern, flexible Flächen bieten und kollaboratives Arbeiten ermöglichen. Chancen liegen deshalb weniger in klassischen Büroflächen, sondern in multifunktionalen Arbeitswelten.»

Mischnutzungen seien häufig durch Behörden vorgegeben. «Grundsätzlich ist der Ansatz sinnvoll, aber er funktioniert nicht überall. Wenn in einer kleinen Gemeinde eine publikumsorientierte Nutzung im Erdgeschoss vorgeschrieben wird, ist ein Leerstand fast vorprogrammiert.» Bei grossen Arealen wie in Basel sehe er die Vorteile deutlicher. «Dort entsteht eine Art 10-Minuten-Stadt, in der Wohnen, Arbeiten und Freizeit in einem funktionierenden Ökosystem zusammenkommen.»

«Chancen liegen weniger in klassischen Büroflächen, sondern in multifunktionalen Arbeitswelten.»

Digitalisierung und neue Risiken

Die Digitalisierung verändere die Branche massiv. «Systeme wie SAP oder ABACUS machen Prozesse effizienter, auch wenn ihre Einführung teuer ist. PropTech-Unternehmen helfen zum Beispiel neue Anforderungen wie ESG-Bewertungen umzusetzen.» Den grössten Einfluss werde aber die Künstliche Intelligenz haben. «Sie verändert ganze Branchen – auch die Immobilienwirtschaft. KI kann Marktanalysen, Risikobewertungen oder Strategien optimieren.» Entscheidend sei, Prozesse konsequent zu digitalisieren. «Nur so lassen sich Effizienzgewinne realisieren. Gleichzeitig bleibt der Mensch unverzichtbar: Erfahrung, Marktkenntnis und persönliche Einschätzungen sind nach wie vor der Schlüssel.»

Zum Schluss wirft der CEO einen Blick auf «seine» Fortimo: «Wir werden uns auch in Zukunft klar auf Wohnimmobilien und Hospitality konzentrieren – vorwiegend in der Deutschschweiz. Unsere Stärken liegen in der regionalen Verankerung in der Ostschweiz, in unserer Flexibilität und in unserem Know-how entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Spannende Chancen sehen wir dort, wo andere zögern – sei es aus Sorge vor Risiken oder durch Fehleinschätzungen. Hier können wir unsere Erfahrung gezielt einbringen und Projekte erfolgreich realisieren.»

Text: Stephan Ziegler

Bild: zVg

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