LEADER-Special

Betagte Ostschweizer Kühe – amerikanisch zerlegt

Betagte Ostschweizer Kühe – amerikanisch zerlegt
Michael Vogt
Lesezeit: 4 Minuten

Michael Vogt kämpft für nachhaltiges, lokales Fleisch in perfekter Qualität – und wehrt sich zu Recht gegen dessen Ruf als Klimakiller. Mit unglaublich schmackhaften Cuts aus alten Schweizer Kühen machte er sich einen Namen über die Landesgrenzen hinaus. Im Interview verrät Michael Vogt, wie er sein Lieblingsstück zubereitet.

Michael Vogt, wie wird man Hinterhofmetzger?
Ich lernte Offset-Drucker und betreibe noch meine eigene Druckerei. Schon immer ass ich gerne Fleisch, aber die Massentierhaltung beschäftigte mich. Viel Fleisch hat kaum Geschmack oder wird importiert. In der Schweiz gibt es perfektes Fleisch, aber wer an Qualitäts-Steaks denkt, meint «U.S. Prime Beef» – das will ich ändern.

Musste es die eigene Kuhherde sein? Können Viehzucht andere nicht besser?
Ich will zurück zur Natur. Kühe fressen keinen Mais, sondern Gras und Heu. Ich kontrolliere die ganze Kette von der Auswahl der Tiere, über ihre Fütterung und Schlachtung. So erreiche ich das Maximum an Qualität. Von «Nose-to-Tail» reden alle, aber das ist verbraucht. Kein Metzger wirft Fleisch weg. Die Frage ist: Was macht man? Populäre Stücke und viel Wurst – oder beherrscht man «Special Cuts», um weniger beliebte Teile zu veredeln? 

Was macht Fleisch gut?
Die Genetik ist entscheidend. Ich kaufe 13 bis 18 Monate alte Tiere, denen ich zutraue, dass sie Fett ansetzen. Dann folgt die Ernährung, die Aufzucht als Herde und das Tierwohl. Das Alter macht einen Unterschied. Ein Kalb hat keinen Geschmack. Punkt. Geschmack kommt mit Futter, zieht ins Fett ein. Schlussendlich ist das Metzgen wichtig. Stress am Schlachttag ist miserabel fürs Fleisch. 

 

«Aus alten Kühen machen wir edle Stücke, statt Hackfleisch.»

In der Hinterhofmetzgerei geht es um das Maximum an Geschmack und nachhaltigen Konsum.
In der Hinterhofmetzgerei geht es um das Maximum an Geschmack und nachhaltigen Konsum.

Wie unterscheiden sich Deine Rassen beim Genuss?
Limousin- und Angus-Rinder sind fast identisch. Bei einer Blindverkostung könnte man sie meiner Meinung nach kaum unterscheiden – bei gleichem Alter und Futter. Wagyiu hat mehr intramuskuläres Fett. Es schmilzt bereits bei Körpertemperatur und hat darum ein anderes Gaumenerlebnis. Es zerläuft im Mund.

Wie kamst Du – ausser der eigenen Herde – auf die Idee, auch alte Kühe zu metzgen?
Inspiration waren Spanier, wo schon lange alte Tiere verwertet werden. Es ist das nachhaltigste Fleisch, das man essen kann.

Woher holst Du alte Kühe? Gibt es gute und schlechte?
Den Grossteil kaufen wir im Schlachthof St.Gallen zu, ein kleiner Teil sind Walliser Ehringer-Tiere. Abgemagerte und ausgemolkene Milchkühe haben meist zu wenig Fleisch und zu wenig intramuskuläres Fett. Von hundert Tieren eignen sich zwei oder drei dank guter Genetik. Wir machen kein Hackfleisch aus ihnen, sondern edle Stücke. Aber die sind erklärungsbedürftig, die Leute kennen sie kaum. Qualität wird leider oft nur mit Zartheit gleichgesetzt. Cuts aus der alten Kuh haben mehr Struktur und Biss, aber einzigartigen Geschmack. In der Hinterhofmetzgerei mit unserer Tavolata demonstrieren wir das.

 

Gutscheine schenken  ZbW  

Erzähl was übers Zerlegen der Kühe!
Amis kennen Special Cuts schon lange. Die legen alles auf den Grill. Dafür wurden die Schnitte erfunden. Fleisch von Silberhaut und Sehnen zu befreien, ist aufwendig. Ausbeinen und Reifen ist wichtig für perfektes Fleisch. Man muss auch wissen: Welches Stück braucht welche Garstufe?

Nicht alle Köche sind Fan von abgehängtem Fleisch.
Stimmt, hauptsächlich zu penetranten Nussgeschmack mögen nicht alle. Wir wollen nur leicht buttrig-nussiges Aroma mit präsentem Fleischgeschmack. Abgehängt werden bei uns Rückenstücke wie Entrecôtes. Für die Special Cuts wenden wir «Aqua ageing» an: Fleisch wird im Bottich gestapelt – mit sanftem Druck und etwas Mineralwasser reift es 28 bis 35 Tage im eigenen Saft.

Bist Du mehr Metzger oder Gastronom?
Ich bin Botschafter für nachhaltigeren Fleischkonsum – aber kein Messias. Ich sage: Wer sich das Beste gönnen will, braucht kein Filet. Zu Beginn war meine Berufung ein Hobby. Ich rechnete nicht damit, mich so zu etablieren. Jetzt kennen mich mehr und mehr; ich habe die Chance, etwas verändern zu können, indem wir unsere Special Cuts an unserer Tavolata verköstigen. Viele Gäste wollen das auch zu Hause probieren. So verkaufen wir – nur samstags – rohes Fleisch über die Gasse. Als Fleischsommelier sage ich: Wir essen zu viel Fleisch.

 

«Ich bin ein Botschafter für nachhaltigeren Fleischkonsum – aber kein Messias.»

Wer isst bei Dir?
Fleischliebhaber! Inzwischen kommen Gäste aus dem ferneren Ausland. Zudem bin ich in der ganzen Schweiz unterwegs. Wir beliefern auch exklusive Chefs wie Sven Wassmer vom «Memories» oder Silvio Germann vom «Mammertsberg».

Was isst Du am liebsten?
Mein Liebling ist der «Denver Cut», aus dem Nacken geschnitten. Der hat eine spezielle Konsistenz, ist buttrig, hat dank des intermuskulären Fetts einen wunderbaren Schmelz und ist von intensivem Geschmack. Wir salzen das Fleisch drei Stunden zuvor, dann garen wir es bei sehr geringer Temperatur nieder, und mit scharfem Anbraten verleihen wir den Steaks schlussendlich die nötigen Röstaromen.

www.hinterhofmetzgerei.ch

Michael Vogt: Kuhliebe, die unter die Haut geht.
Michael Vogt: Kuhliebe, die unter die Haut geht.

Text: Pascal Tschamper

Bild: Reto Martin

Auch interessant

Köstliche Kaffee-Kunst
LEADER-Special

Köstliche Kaffee-Kunst

Das blaue Wunder
LEADER-Special

Das blaue Wunder

«Bier braucht Heimat»
LEADER-Special

«Bier braucht Heimat»