50 Jahre Silberturm

St.Gallens futuristisches Wahrzeichen wird 50

St.Gallens futuristisches Wahrzeichen wird 50
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Ein halbes Jahrhundert steht er nun schon – der Silberturm beim Grossackerzentrum. Was einst als kühnes Bauprojekt begann, ist heute ein unverwechselbares Wahrzeichen der Stadt St.Gallen. Die markante Form, die aus der Luft- und Raumfahrt inspirierte Architektur und die bewegte Geschichte machen das Hochhaus zu einer «Superskulptur» mit Symbolkraft.

Der Silberturm prägt seit 1975 das Stadtbild von St.Gallen – insbesondere das Quartier St.Fiden. Mit seinen ovalen Fensteröffnungen, der silbrig glänzenden Aluminiumfassade und der zylindrischen Grundform hebt sich das Gebäude deutlich von seiner Umgebung ab. Der Architekt Heinrich Graf schuf mit dem Bau weit mehr als ein Bürohochhaus: Er schuf ein futuristisches Kunstwerk, das bis heute als eines der mutigsten städtebaulichen Projekte der Ostschweiz gilt.

Dabei war der Weg zum «modernen Wahrzeichen» alles andere als gradlinig. Bereits 1967 begannen die Planungen für das Grossackerzentrum mit Wohn-, Einkaufs- und Dienstleistungsnutzung – samt Hochhaus. Der Baustart erfolgte 1973, doch schnell geriet das ambitionierte Projekt ins Wanken: Der Verkauf der im Stockwerkeigentum angebotenen Flächen verlief schleppend, ein geplantes Hotel im Turm scheiterte, und die Generalunternehmung kam in finanzielle Schwierigkeiten. Die Folge: Der Fassadenlieferant stellte die Arbeit ein, Bauarbeiter mussten entlassen werden und warteten auf ihren Lohn, der Silberturm blieb als unfertiger Rohbau stehen.

Im März 1976 titelte die Ostschweizer AZ bitter: «Jetzt ist der Wurm im silbernen Profit-Turm». Doch das Blatt sollte sich bald wenden. Dank seiner hervorragenden Lage – mitten in einem gewachsenen Wohnquartier – gewann das Einkaufszentrum rasch an Bedeutung. Fünf Jahre nach der Eröffnung zog das St.Galler Tagblatt Bilanz: «Auch der Silberturm, dessen Fertigstellung mit grösster Skepsis verfolgt wurde, ist heute voll belegt (...). So hat sich denn allen Unkenrufen zum Trotz dieses Wagnis, dieses bauliche Zeichen unserer Zeit letzten Endes als Erfolg entpuppt.»

Ein Symbol dieser Erfolgsgeschichte ist die Radiostation der Ostschweizer Radio- und Fernsehgesellschaft ORG, die 1977 im 15. Stock des Turms ihren Betrieb aufnahm. Es heisst, die Studios im Silberturm seien «die schalldichtesten Studioräumlichkeiten der Schweiz» gewesen – ein Superlativ, der die Bedeutung des Hauses unterstreicht. Bis heute dient der Turm als Bürostandort für verschiedene Organisationen und Unternehmen.

Von Anfang an war das Grossackerzentrum mehr als ein Einkaufsort – es war als echtes Quartierzentrum gedacht. Ein durchdachter Ladenmix mit Restaurants, einer Postfiliale und vielfältigen Dienstleistungen sollte die Bewohner aus den umliegenden Quartieren anziehen. Besonders wegweisend war dabei die Gestaltung des öffentlichen Raums: Über 4000 Quadratmeter autofreie Begegnungszonen mit Bepflanzung und grosszügigen Plätzen schufen eine lebendige Atmosphäre. «Diese grosszügigen Flächen mit ihrer Bepflanzung sollen als künftiger Ort der Begegnung zum Verweilen einladen. Sie dienen zu festlichen Anlässen oder teilweise zu Marktattraktionen und sollen der in der Gestaltung angestrebten fröhlichen und jugendlichen Ausdrucksweise Haltung verschaffen», hiess es in der damaligen Eröffnungsanzeige der Hugo Steiner AG.

Heinrich Graf setzte mit seiner eigenwilligen architektonischen Handschrift starke Akzente. Eindeutige Bezugspunkte wie der Osttrakt (ursprünglich Jelmoli), die Piazza vor der PTT und der Silberturm selbst sollten dem Besucher Orientierung geben und das Zentrum aufwerten. Dass der Architekt sich dabei von Formen aus der Technik und Natur inspirieren liess, zeigt sich etwa in der Interpretation des Grossacker-Areals als stilisierter Wal – ein weiterer Beleg für die künstlerische Tiefe des Entwurfs.

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Der Silberturm wurde im Laufe der Jahrzehnte mehrfach modernisiert, zuletzt zwischen 2011 und 2013 im Rahmen der Gesamterneuerung des Grossackerzentrums. Dennoch war der Betrieb nicht frei von Herausforderungen: Sinkende Besucherzahlen, verändertes Konsumverhalten und Leerstände führten in den letzten Jahren zu Diskussionen über die Zukunft des Zentrums.

Doch auch 50 Jahre nach seiner Entstehung bleibt der Silberturm ein markanter Fixpunkt im Stadtbild. Er steht für eine Ära architektonischer Experimentierfreude, für urbanen Aufbruch und für die Idee, Architektur als gestaltende Kraft des Zusammenlebens zu verstehen. Mit dem geplanten Umzug des Ostschweizer Kinderspitals entsteht im Umfeld des Turms neuer Raum für städtebauliche Entwicklungen – und damit vielleicht eine neue Phase für ein Quartier, das seit einem halben Jahrhundert von einem visionären Bauwerk geprägt wird.

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