Forster Rohner Gruppe

Der Stammsitz wird zum Kreativhaus

Der Stammsitz wird zum Kreativhaus
Sie führen das Familien-Unternehmen als Co-CEOs: Caroline Forster und Emanuel Forster.
Lesezeit: 5 Minuten

Der Stammsitz der Forster Rohner Gruppe in St.Gallen ist heute ein Innovationszentrum, wo die kreativen Köpfe von Forster Willi, Jakob Schlaepfer, Inter-Spitzen und Forster Rohner neue Kreationen entwickeln. Forster Rohner Textile Innovations und Biontec denken «Textilien» weiter und erfinden Hightech-Produkte.

Die Geschichte der Textil-Industrie lässt sich in St.Gallen fast auf jedem Schritt ablesen, insbesondere die Blüte und der Niedergang der Stickerei-Industrie sind noch sehr präsent. 

Niedergang? Tatsächlich ist die einst dominante Exportbranche der Schweiz Geschichte. Die Stickerei jedoch ist eine Zukunftsbranche. An der Flurhofstrasse 150 in St.Gallen wird dies sichtbar: Unter dem Dach der Forster Rohner Gruppe treffen Tradition und Innovation aufeinander, fast  200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter lassen mit Kreativität, Stilsicherheit und modernsten Technologien nicht nur textile Träume für die Laufstege der Modemetropolen dieser Welt entstehen. Hier werden auch Hightech-Produkte erdacht, die man spontan kaum mit «Textilien» in Verbindung bringen würde.

Neue Ideen entwickeln

«Ein Kreativhaus» nennt Emanuel Forster,  Co-CEO der Forster Rohner Gruppe, den Standort im Osten der Stadt St.Gallen, der gerade durch einen schlichten, eleganten Neubau erweitert wurde. Ein Neubau, der «Ausdruck der Transformation der Forster Rohner Gruppe ist», wie Ueli Forster, der langjährige Patron des Unternehmens, ergänzt.

Die industrielle Produktion von Stickereien und weiterer Textilien wurde in den vergangenen Jahren sukzessive nach China, Rumänien und Bosnien verlagert. «Der Standort St.Gallen hat sich zu einem Muster- und Innovationszentrum weiterentwickelt», erklärt Emanuel Forster. Hier gibt es keine eigentliche Produktion mehr, dafür haben sich viele neue Berufsprofile im Kreativhaus eingenistet. Neben Designerinnen und Designern mit Hochschulabschlüssen entwickeln hier auch Maschineningenieure und Materialingenieure neue Produkte.

Auf den zwei verbliebenen Industrie-Stickmaschinen werden Prototypen gefertigt, um ein Design eins zu eines auszuprobieren. Emanuel Forster nennt die Muster-Produktion deshalb auch die Research & Development-Abteilung von Forster Rohner. Hier finden sich auch Maschinen, um eigene Pailletten aus individuellen Folien zu stanzen, es können Stoffe und Garne gefärbt werden, hier kann aber auch Material mit Laser bearbeitet werden. Stoffe und sogar Stickereien können bedruckt werden. «Hier kommen sehr viele unterschiedliche Technologien und Materialien zusammen», sagt Emanuel Forster.

Die Muster-Produktion ist der Ort, an dem sich die Wege der Designerinnen und Designer der Gruppe kreuzen, wenn sie ihre Entwürfe testhalber umsetzen lassen. Ebenso werden Muster für Kunden gestickt oder gelegentliche Schnellschüsse produziert, wenn etwas umgehend in Paris oder Mailand benötigt wird. «Alles, was wir in Produktionsstätten in China, Rumänien und Bosnien herstellen können, können wir in kleinem Massstab auch in St.Gallen fertigen», sagt Emanuel Forster.

  

«Das sind Details, die auf diesem Niveau den Unterschied ausmachen.»

Emanuel Forster

Zukunftsweisende Aktivitäten

Das sind mitunter hochkomplexe Arbeiten für einen möglichen Chanel-Auftrag wurde gerade ein Stoff mit kleinsten Stückchen aus zwei unterschiedlichen Folien besetzt, die zum Teil auch mit miniaturisierten CC-Logos bedruckt sind. «Solche Finessen können nur wir machen», erläutert Emanuel Forster. Die Folien werden mit einem Lieferanten in der Region entwickelt und bei Forster Rohner weiterverarbeitet. «Das sind Details, die auf diesem Niveau den Unterschied ausmachen.» 

Gleich daneben wird für einen Haute-Couture-Traum von Balenciaga ein Stoff mit Bändern aus opulenten Materialien von Hand geflochten. Die erfahrenen Mitarbeiterinnen in der Muster-Produktion haben so in ihrer Prototypen-Werkstatt fast täglich neue Aufgaben. Erst produzieren sie kleine Stücke, dann nehmen sie mit den Designerinnen Rücksprache. Wird der gewünschte Effekt noch nicht erreicht, wird das Design überarbeitet. Wenn ein Design dann in grosser Menge geordert wird, können es die Produktionsstätten auf gleichem Niveau in industriellem Massstab herstellen.

Durch die Verlagerung der grossen Produktionskapazitäten ins Ausland herrscht in den früheren Produktionsräumen am Firmensitz in St.Gallen aber nicht etwa gähnende Leere, sondern im Gegenteil ein sehr emsiges Treiben. Die Unternehmerfamilie füllte die frei werdenden Flächen mit neuen, zukunftsweisenden Aktivitäten.

Deshalb reichte der Platz an der Flurhofstrasse 150 nicht mehr, als Forster Rohner  im Januar 2016 mit der Jakob Schlaepfer AG ein anderes St.Galler Traditionshaus übernahm und plante, die neue Tochterfirma rasch mit den anderen Textilfirmen der Gruppe unter einem Dach zu vereinen.

«Der Neubau ist Ausdruck der Transformation der Forster Rohner Gruppe.»

Ueli Forster

Die passende Ergänzung

Jakob Schlaepfer ist bekannt als Produzentin einzigartiger Stoffe, aus denen die grossen Haute-Couture-Häuser ihre spektakulären Kleider schneidern. Das Unternehmen stand aber vor einer Phase der Transformation und benötigte viel Aufmerksamkeit, darum sollte der Umzug möglichst schnell erfolgen. Zum einen, weil sich die verschiedenen kreativen Firmen gegenseitig inspirieren und befruchten können, zum anderen auch, weil die Gruppe so einfacher zu managen ist und Synergien geschöpft werden können – Services wie Personal, Finanzen oder IT werden zentral für die ganze Gruppe erbracht.

«Jakob Schlaepfer ist die passende Ergänzung zu unseren angestammten Bereichen», sagt Emanuel Forster, dies sei der Hauptgrund für den Kauf gewesen. Jakob Schlaepfer ist mit Drucken und laserbearbeiteten Stoffen von der Produktidee her viel breiter aufgestellt, macht aber im klassischen  Stickerei-Bereich wenig, abgesehen von der Pailletten-Stickerei.

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Stickerei für die Couturiers

Die Forster Rohner Gruppe ist im angestammten Textil-Bereich weiterhin mit den Marken Forster Willi und Forster Rohner sowie Inter-Spitzen präsent – alle mit einem  klaren Fokus auf dem Stickerei-Know-how.

Forster Willi steht heute für hochwertige  Stickereien für Haute Couture und Prêt-à-porter. Im Brand klingt noch der ursprüngliche Firmenname an: Die Forster-Willi & Co. wurde 1904 in der Blühte der Stickereibranche gegründet. Die Firma von Conrad Forster-Willi stellte vor allem Weissstickereien her, «die Frauen trugen lange weisse Röcke und schöne Hüte, das war ein Eldorado für Stickereien», sagt Ueli Forster.

Das der Name Forster mit dem Niedergang der Stickerei-Industrie nicht wie so viele andere verschwand, ist Willi Forster, dem Sohn des Firmengründers, zu verdanken. Er führte ab 1937 die Stickerei in der Haute Couture in Paris ein und sorgte dafür, dass Stickereien auch nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ein gefragter Artikel bei den grossen Modeschöpfern waren. Auch im Jahre 2022 gibt es kaum ein relevantes Couture-Haus, das nicht Kunde bei Forster Rohner ist, obwohl sich die Branche stark verändert hat.

Gerade in der Haute Couture sind nicht mehr viele Firmen übrig geblieben, «eigentlich sind sie reine Werbe-Veranstaltungen der angehängten Prêt-à-porter-Firmen», sagt Ueli  Forster. Diese hätten mit Schneidertum nichts mehr zu tun, «das sind hoch industrialisierte, professionalisierte Unternehmen».

Erste Adresse für Dessous-Hersteller

Die Namenskombination Forster Rohner entstand 1988 nach der Übernahme der  Jakob Rohner AG in Rebstein, die stark in Stickereien für Wäsche war. Stickereien auf Bett- oder Tischwäsche sind weitgehend zu einem Nischengeschäft geworden, seit den Fünfzigerjahren hat sich dagegen die gestickte Damenunterwäsche etabliert. Heute verkehren alle renommierten Hersteller gerne an der Flurhofstrasse 150, denn hier sind mit Inter-Spitzen und Forster Rohner gleich zwei Top-Anbieter von Stickereien für Dessous in sportlicher Konkurrenz unter einem Dach vereint.

Zwei Anbieter mit betont eigener Identität  allerdings – das macht diese spezielle Konstellation für die Kunden interessant, weil sie aus unabhängig entwickelten Kollektionen und somit aus einem insgesamt breiteren Sortiment wählen können, wie Ueli Forster erklärt: «Wir erreichen eine höhere Marktdurchdringung bei gleichzeitiger Nutzung von Synergien.»

Die beiden Anbieter aus St.Gallen bedienen den gleichen Markt mit jeweils hochwertigen Stickereien, die Differenzierung passiert vor allem im Design. Bestimmte Kunden orientieren sich deshalb stärker an Forster  Rohner, während andere eher bei Inter-Spitzen die passenden Ideen finden. Doch da die Unterwäsche-Hersteller jeweils mehrere Modelle pro Saison neu auf den Markt bringen, kann es auch gut sein, dass ein Kunde bei beiden Stickerei-Lieferanten ordert.

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