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Japanische Leichtigkeit

Japanische Leichtigkeit
Marie de France, Projektleiterin des SQUARE gemeinsam mit dem Architekten Sou Fujimoto.
Lesezeit: 4 Minuten

Neben Walter M. Förderer, Rolf G. Otto, Hans Zwimpfer und Bruno Gerosa reiht sich mit Sou Fujimoto ein weiterer bedeutender Name in die Historie der HSG-Architekten. Der 51-Jährige gilt als einer der bekanntesten zeitgenössischen Exponenten Japans.

«Leuchtturm», «Glaspalast» oder «Prunkbau»: Fujimotos Bauwerk sorgte weit über den HSG-Campus hinaus für Aufsehen. 2018 setzte sich der Architekt mit seinem Konzept «Open Grid, Choices of Tomorrow» gegen eine starke Schweizer Konkurrenz durch. In für schweizerische Verhältnisse ungewöhnlich kurzer Zeit konnte der Bau auf dem Rosenberg realisiert werden: Schon 2019 begannen die Bauarbeiten. Das 53 Millionen Franken teure, vollumfänglich durch Spenden finanzierte Gebäude kontrastiert mit seiner japanischen Leichtigkeit dem beeindruckenden Brutalismus des Hauptgebäudes und dem postmodernen Klassizismus der Bibliothek.

Eingliederung statt Neuerfindung

Aus Kuben bestehend, bildet der Bau eine Stufenpyramide, die in die Umgebung einfliesst. Dazu wurden sowohl physische wie morphologische Schnittstellen genutzt wie auch der Kontext von Region und Stadt berücksichtigt. Der in der Konstruktionsphase entstandene Aushub wurde zu kleineren Hügeln aufgehäuft und verstärkt die organische Verbindung von Bau und Natur. Die Begrünung der Terrassen, der Gönnerweg zum HSG Bibliotheksgebäude und die Verwendung  fugenfreier Materialen betonen die Durchlässigkeit des Gebäudekonzeptes.

SQUARE umfasst zwei Obergeschosse, ein Erd- und ein Untergeschoss mit einer Gesamtfläche von rund 7800 Quadratmetern. Die rechteckigen Proportionen und der ebene Untergrund erlauben höchste Flexibilität und Funktionalität für ein dynamisches Lernumfeld. Das geometrische Raster, das dem architektonischen Konzept zugrunde liegt, gestattet die freie Interpretation jedes Raums und die Entstehung organischer Prozesse.

«Ort zum Geniessen»

«Ich bin geradezu begeistert, dass kommende Generationen ihr Studierendenleben an einem so schönen Ort beginnen können», sagt Sou Fujimoto. «Ich freue mich auf viele kreative Interaktionen, auf spannende Beziehungen im SQUARE, auf ein Geben und Nehmen von Inspiration.» Er ist sich sicher: Hier werden in Zukunft «schöne, wertvolle Dinge geschaffen».

Fujimoto betont, dass der SQUARE ein Ort nicht nur für Studierende und Dozierende, sondern auch für die Bevölkerung sein soll – «ein Platz für alle». Überzeugt davon, dass die Grösse, die Schönheit, die Offenheit und die Flexibilität, aber auch die schnörkellose, geordnete Gestaltung kreativste Kollaborationen zulassen, sagt er voraus: «Der SQUARE  ist ein Ort, den man geniessen kann. Das wirkt sich auch auf die Zusammenarbeit aus.»

Wegen Corona konnte der Mann aus Tokio bei der Eröffnung des SQUARE nicht dabei sein. Umso mehr aber freut er sich auf seinen nächsten Besuch in St.Gallen: «Ich bin gespannt, wie das, was wir uns für die Nutzenden des SQUARE vorgestellt haben, in der Realität funktioniert.» Dabei wird er sicher auch einen Abstecher zu Akris machen: Die beiden Inhaber Peter und Albert Kriemler haben ihn bei der Innenausstattung des SQUARE sehr inspiriert; so sind etwa die Akustikdecken mit dem Textilmuster «Entre-Deux» von der Stickereifirma Labhard & Co. gehalten – eine Reminiszenz an die St.Galler Textilgeschichte.

  

«Ich denke über neue Architektur gerne von einer primitiven Basis aus nach.»

International tätig, international erfolgreich

Aufgewachsen auf der japanischen Insel Hokkaido, hat Sou Fujimoto seit seiner Kindheit ein starkes Interesse an der Natur entwickelt, auch dank seiner vielen Wanderungen als Kind in den Bergen und Wäldern der Insel Hokkaido. In seiner Auseinandersetzung in der Architectural League of New York (2014) mit dem Titel «Between Nature and Architecture» geht er auf die Eckpfeiler seiner theoretischen Reflexion ein, inspiriert von organischen und natürlichen Strukturen, einschliesslich Wäldern und Höhlen, an denen Fujimoto sich für eine «mehrdeutige Lesart von Räumen und Formen» orientiert, in einer Designphilosophie, die als «primitive Zukunft» definiert wurde.

1994 schloss Fujimoto sein Architekturstudium an der Fakultät für Ingenieurwissenschaften der Universität Tokio ab und gründete im Jahr 2000 sein eigenes Büro Sou Fujimoto Architects in Tokio. Aufgrund seiner Erfolge in Europa erweiterte der 51-Jährige sein Büro um einen Standort in Paris. Zu seinen jüngsten Werken zählt L’Arbre Blanc, ein imposanter 17-stöckiger Apartmentblock in Montpellier, bei dem der Stararchitekt Anleihen bei Kiefern genommen hat und das seine Form an die Umgebung anpasst. Auch das House of Music in Ungarn sorgte für Begeisterungsstürme – und Fujimoto blieb sich auch hier seiner Idee von der Eingliederung in die Natur treu.

«Ich denke über neue Architektur gerne von einer primitiven Basis aus nach.»

Architektur als Wald

Durch den Haupteingang des SQUARE gelangt man in das grosse Atrium – mit 18,5 Metern der höchste Raum des Gebäudes und sein unbestrittenes Zentrum. Die öffentlich zugänglichen Bereiche werden über zwei Wendeltreppen erschlossen. Einen herkömmlichen Hörsaal gibt es nicht, stattdessen wird im SQUARE auf offenen Galerien und in flexibel gestaltbaren Räumen gelehrt, gelernt und diskutiert. «Passend zum didaktischen Konzept begünstigt der Grundriss Interaktion, Inspiration und Blickbezüge zwischen den Ebenen», sagt Fujimoto, und vor allem fördere er den Austausch.

Durch organische Strukturen inspiriert, lotet der Stararchitekt die Grenzen zwischen natürlicher und gebauter Umwelt aus und entwickelt so faszinierende Visionen für eine Architektur der Zukunft. Sein architektonisches Denken sei hauptsächlich von Louis Kahns Konzept des Neuanfangs beeinflusst, von der Frage danach, was ein Gebäude sein möchte. Wenn Fujimoto über «primitive Zukunft» spricht, geht er zu ganz ursprünglichen Verhaltensweisen zurück oder beginnt bei den Materialien, der Umgebung oder den Tätigkeiten der Leute. Er überdenkt Fragen wie: Was ist ein Ort für Menschen? Oder: Was ist die Konstruktion? Oder: Was ist … einfach alles? «Ich denke über neue Architektur gerne von einer solch primitiven Basis aus nach», sagt Fujimoto.

Und wie sieht die Zukunft des Lernens aus? Für den japanischen Architekten findet es nicht mehr in einem Klassenraum statt, «sondern in verschiedenen Aktivitäten und Workshops, die durch die Räumlichkeiten fast schon automatisch entstehen». SQUARE  soll in diesen Interaktionen und Inspirationen als grosses Netzwerk fungieren.

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