Unzufriedenheit ist OK

Es gibt Menschen, die mit wenig zufrieden sind; Menschen, die mit dem Bestehenden zufrieden sind; Menschen, die ein Leben ohne Ausschweifungen führen und damit zufrieden sind.
Und es gibt dagegen Menschen, die nie zufrieden sind; Sachen hinterfragen; immer nach etwas Besserem streben, und so weiter und so fort.
Die Leaderin (ob Frau oder Mann – ich verwende in diesem Artikel zur Abwechslung die weibliche Form) führt ihre Organisation von A nach B. Um von A nach B zu kommen, muss sie sich Wege überlegen und diese beschreiten. Manchmal muss sie diese erfinden. Die Leaderin ist Gestalterin der Veränderung und nicht Verwalterin des Stillstandes.
Daher liegt die Hypothese nahe: Leaderinnen kultivieren ein Mindestmass an Unzufriedenheit. Sie streben nach dem Besseren, nach der Erneuerung. Und dieser Gedanke führt mich zu Nietzsche.
Nietzsches Übermensch
Friedrich Nietzsche hat in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts gelebt. Er war und ist sehr umstritten: Seine Philosophie, einschliesslich des «Übermensch»-Begriffs, wurde unter anderem von den Nazis verwendet. Sie ist ein heisses Eisen. Aber der (nicht politisch missbrauchte) Übermensch ist eine interessante Figur, weshalb ich es wage, ihn in diesem Zusammenhang zu nennen.
Der Übermensch erneuert sich ständig. Er braucht keinen Gott und keine höhere Macht, die ihm hilft, durchs Leben zu kommen. Er sucht in und um sich, aus eigenem Antrieb, die stetige Verbesserung. Mit anderen Worten: 1) Der Übermensch ist nie mit dem aktuellen Zustand zufrieden; und 2) Der Übermensch glaubt daran, dass er den aktuellen Zustand aus eigener Kraft verändern kann.
Diese Eigenschaften passen zur Figur der Leaderin.
Unzufriedenheit als Antrieb
Ist die Leaderin zufrieden, hat sie keinen Grund mehr, Veränderungen herbeizuführen. In diesem Moment wird sie zur Verwalterin. Ich gehe soweit und behaupte: Unzufriedenheit gehört zum Wesen der Leaderin. Wohlverstanden: Es handelt sich nicht um eine negative Einstellung zum Leben, sondern um den ständigen Wunsch nach Erneuerung.
Gleichzeitig glaubt die Leaderin, dass sie die Veränderung selbst bzw. mit Hilfe seiner Organisation herbeiführen kann. Sie wartet nicht auf die Hilfe von oben.
Auch interessant
An die eigene Kraft glauben
In der Sprache Nietzsches wäre die Unternehmerin (als Unterkategorie der Leaderin) vermutlich ein Übermensch. Auch sie sucht immer die Erneuerung, denn Stillstand ist keine unternehmerische Option: neue Märkte, neue Geschäftsmodelle, bessere Qualität und Differenzierung, usw.
Und die Unternehmerin glaubt an die eigene Kraft bzw. die Kraft ihres Unternehmens, um diese ständige Erneuerung herbeizuführen. Sie hofft in den wenigsten Fällen auf den Staat (der bei Nietzsche «Gott» heissen würde).
Ich ziehe folgende Schlüsse aus diesen Überlegungen:
Eine Prise Unzufriedenheit gehört dazu, solange sie nicht zu einer negativen Einstellung führt. Unzufriedenheit ist OK.
Die Kraft der Erneuerung suche ich in mir und in meiner Organisation, bevor ich sie von Dritten oder höheren Instanzen erwarte.
Die Kunst besteht, die eigene Unzufriedenheit in positive Taten umzuwandeln.