Gast-Kommentar

Trump gibt im Zins-Dilemma den Tarif durch

Trump gibt im Zins-Dilemma den Tarif durch
Lesezeit: 6 Minuten

Allmählich werden die Auswirkungen der neuen US-Zölle bekannt. Laut einer Konjunkturprognose dürfte das Schweizer BIP um 0,3 bis 0,6 Prozent sinken. In der EU stieg die Produktion für US-Exporte wohl kurzfristig. In einigen Ländern schrumpft die Wirtschaft, in anderen wächst sie. In den USA ist der Streit zwischen Präsident Donald Trump und den US-Notenbankvertretern eskaliert. In Kombination mit der Aussicht auf sinkende Zinsen sind der Gold- und der Silberpreis gestiegen. Silber knackte Rekordmarken.

Text: Christian Brenner

Die Konjunkturentwicklung in der Schweiz sieht sich mit dem am 7. August in Kraft getretenen US-Zoll von 39 Prozent neuen Risiken ausgesetzt. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO verweist darauf, dass 18 Prozent der Schweizer Exporte in die USA gehen, wovon wieder rund 60 Prozent von Zusatzzöllen betroffen werden.

Die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich erwartet, sollten die Zölle so weiter bestehen bleiben, einen deutlichen Rückgang des BIP um 0,3 bis 0,6 Prozentpunkte. Als Hauptbetroffene werden die Uhrenindustrie, die Hersteller von Präzisionsinstrumenten und die Maschinenbranche genannt. Auf dem Arbeitsmarkt müsse man langfristig mit 7500 bis 15'000 verlorenen Stellen rechnen.

Die Uhrenindustrie gehört zu den Hauptbetroffenen, die unter den neuen US-Einfuhrzöllen leiden
Die Uhrenindustrie gehört zu den Hauptbetroffenen, die unter den neuen US-Einfuhrzöllen leiden

Die Schweizer Wirtschaft dürfte im zweiten Quartal nur um 0,1 Prozent gewachsen sein. Dies ist dem am 15. August veröffentlichten Flash BIP des SECO zu entnehmen. Das Flash BIP für das erste Quartal hatte noch ein Wachstum von 0,7 Prozent ausgewiesen. Im zweiten Quartal scheint sich die Industrie negativ entwickelt zu haben, was aber durch ein Wachstum des Dienstleistungssektors kompensiert wurde.

Ernst & Young teilt in einer Studie mit, dass 70 Prozent der Schweizer Unternehmen geplante Investitionen aufgrund handelspolitischer Unsicherheiten stoppen oder verschieben. 44 Prozent der Schweizer CEOs sind «sehr besorgt» über die Auswirkungen möglicher Zollerhöhungen.

Wegen hohem Export-Überschuss im Handel mit den USA gilt für Schweizer Exporte nun ein Zoll von 39 Prozent
Wegen hohem Export-Überschuss im Handel mit den USA gilt für Schweizer Exporte nun ein Zoll von 39 Prozent

Die Schweiz erzielte im 2024 im Warenhandel mit den USA einen Überschuss von knapp 39 Milliarden Franken, worauf US-Präsident Trump den exorbitant hohen Zoll für die Schweiz verhängte. Experten sind der Meinung, dass der Zoll von 39 Prozent nicht gerechtfertigt ist, weil es im letzten Dezember hohe Gold-Exporte in die USA gab, die eine Ausnahme darstellten und die Handelsstatistik verfälschten. Die USA müsse dankbar sein für die guten Dienste, die Schweizer Raffinerien für das Umschmelzen von Barren leisten.

An der Börse in New York werden seit den 80er-Jahren standardmässig 100-Unzen-Goldbarren gehandelt. Seit der Coronakrise werden dort auch 1-Kilo-Barren akzeptiert. Der weltweite Standard beträgt jedoch 400 Unzen. Gibt es in New York eine Verknappung an Gold, müssen in der Schweiz 400-Unzen-Barren in die kleineren Einheiten umgeschmolzen und in die USA geliefert werden.

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Im August machte sich eine Unsicherheit breit, ob die US-Importzölle auch auf Gold gelten.

Derzeit herrscht immer noch Unklarheit, ob auf Goldexporte von der Schweiz in die USA ebenfalls ein Zoll von 39 Prozent gilt. Wie Christoph Wild, Präsident der Schweizerischen Vereinigung Edelmetallfabrikanten und -händler, in einem Interview gegenüber dem Wirtschaftsmagazin «Bilanz» Ende August bekannt gab, exportiert aufgrund der rechtlichen Unsicherheiten derzeit niemand mehr Gold in die USA.

Demgegenüber hat Ende August ein Berufungsgericht in den USA erklärt, dass viele der von US-Präsident Donald Trump erlassenen Importzölle illegal seien, darunter auch der generell für Schweizer US-Exporte eingeführte Zoll.

Wachstum und Schrumpfen in der EU-Wirtschaft

In EU-Ländern gilt für Ausfuhren in die USA zwar nur ein Zoll von 15 Prozent, dennoch dürfte dies exportorientierte Unternehmen einigermassen hart treffen. Die Wirtschaftsdaten zeigen aktuell ein uneinheitliches Bild. Im zweiten Quartal ist das Bruttoinlandsprodukt im Euro-Raum um 0,1 Prozent, in der EU um 0,2 Prozent gestiegen.

Im ersten Quartal betrug das Wachstum im Euro-Raum 0,6 Prozent, in der EU 0,5 Prozent. Die Inflation ist in der EU im Juli auf 2,4 Prozent angestiegen (gegenüber 2,3% im Juni), im Euro-Raum beträgt die Steigerung 2,0 Prozent (nach 2,6% im Vorjahr).

Die US-Zölle für die EU-Länder dürften im zweiten Halbjahr erste Auswirkungen haben
Die US-Zölle für die EU-Länder dürften im zweiten Halbjahr erste Auswirkungen haben

Die österreichische Erste Group kommt in einer Analyse zum Schluss, dass sich im zweiten Quartal im Wirtschaftswachstum auf Länderebene eine grosse Divergenz zeigen wird. So schrumpfe die Wirtschaft der grossen Länder Italien und Deutschland (je -0,1%), während Frankreich ein Plus von 0,3 Prozent und Spanien ein Plus von 0,7 Prozent verzeichnen könnte.

Für Österreich werden plus 0,1 Prozent geschätzt. Die Erste-Analysten in Wien erwarten für das zweite Halbjahr die ersten Auswirkungen der US-Zölle, somit sei das weitere Wirtschaftsgeschehen noch ungewiss. Im Euroraum sei für 2025 ein Wachstum von 0,9 Prozent zu erwarten.

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Laut dem Einkaufsmanagerindex von S&P war die Wirtschaftsstimmung in der Euro-Zone im August sehr gut.

Die Wirtschaftsstimmung in der Euro-Zone liege auf einem 15-Monate-Hoch. Zu dieser Einschätzung kommt der Einkaufsmanagerindex von S&P in der Euro-Zone für August. Der Index ist auf 51,1 Punkte gestiegen, der August markiert zum dritten Mal hintereinander einen Anstieg.

Besonders beachtenswert scheint die Tatsache zu sein, dass die Industrieproduktion auf ein 41-Monate-Hoch gestiegen ist.

US-Notenbank unter politischem Druck

Unterschiedlich sind auch die Wachstums-Voraussagen für die Wirtschaft in den USA. Nach Mitteilung des Bureau of Economic Analysis ist das BIP in den USA im zweiten Quartal um 3,0 Prozent gestiegen, nachdem es im ersten Quartal um 0,5 Prozent geschrumpft war. Die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds IWF rechnen aktuell im laufenden Jahr mit einem US-Wachstum von 1,9 Prozent. Das sind 0,1 Prozentpunkte mehr als im April erwartet.

Das ifo Institut geht von nur noch 1,7 Prozent Wachstum für das Gesamtjahr aus. Die Erste Group erwartet ein Wachstum von 1,4 Prozent. Sorgen bereitet manchen Anlegern die anhaltende Schwäche des US-Dollars. Ausgehend vom Höchstwert zu Jahresbeginn hat der US-Dollar gegenüber dem Schweizer Franken zuletzt etwa 10,5 Prozent verloren.

US-Präsident Donald Trump hat den Druck auf die amerikanische Zentralbank erhöht, die Zinsen zu senken
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US-Notenbank-Chef Jerome Powell scheint nunmehr seine Haltung geändert zu haben und zu signalisieren, dass am 19. September eine Zinssenkung der Leitzinsen möglich sei. Er verweist auf steigende Risiken und die mögliche schwächere Entwicklung des Arbeitsmarktes. Die US-Notenbank Fed müsse Wachstum und Preisstabilität ausbalancieren.

Vor Ende August griff US-Präsident Donald Trump in die Personalpolitik der Notenbank ein. Fed-Gouverneurin Lisa Cook wurde mit sofortiger Wirkung aus ihrem Amt im Vorstand entlassen.

Falls die neuen Zölle die Teuerung anheizen, kommt die US-Notenbank in eine schwierige Situation.

Das deutsche Beratungshaus Berenberg sieht die Lage für die US-Zentralbank schwierig. Die Kerninflation sei im Juli erneut gestiegen und liege mit 3,1 Prozent mittlerweile deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der Fed. Beobachter rechnen damit, dass die Folgen der neuen Zölle auch auf die Konsumentenpreise durchschlagen werden.

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Silber tritt aus dem Schatten von Gold

Der Goldpreis hat sich im August zunächst nur unwesentlich seitlich und im Wesentlichen gleichbleibend hoch geändert. Nach einem kurzen Hoch Mitte August lag er zuletzt nahezu auf derselben Höhe wie zu Monatsbeginn. Es scheint aber, dass er mit der zunehmenden Schärfe in der Diskussion zwischen US-Präsident Donald Trump und den Vertretern der US-Notenbank Fed über die weitere Zinspolitik wieder einen deutlichen Anschub bekommen hat.

Experten verweisen darauf, dass die Erwartung sinkender Zinsen üblicherweise zu stärkerer Nachfrage nach Gold führt, da andere Veranlagungen bei sinkenden Zinsen eben weniger Ertrag als die stabile Anlage in Gold versprechen. Am 31. August schloss der Goldpreis in Schweizer Franken bei 2769.37 Franken pro Feinunze.

Silber kommt im Zuge des steigenden Silberpreises immer mehr in den Fokus der Anleger
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Aus ähnlichen, aber nicht genau den gleichen Gründen, ist auch der Silberpreis im Steigen begriffen. Seit Januar 2024 zeigt der Silberpreis praktisch nur in eine Richtung, nämlich nach oben. Ende August dieses Jahres knackte der Silberpreis das bisherige Jahreshoch von 31.41 Franken pro Unze. Am Abend des 29. Augusts stieg er auf über 31.60 Franken. Der steigende Silberpreis geht auf die wachsende industrielle Nachfrage bei gleichzeitig begrenztem Angebot zurück.

Hinzu kommt, dass Silber ähnlich wie Gold eine beliebte Krisenwährung ist. Auch die kurzfristig zu erwartende Zinssenkung der US-Notenbank trägt zur Wertsteigerung von Silber bei. In den USA wird zudem diskutiert, Silber als strategisch wichtiges Element einzustufen, was die Nachfrage weiter ankurbeln könnte.

Zahlreiche Banken und Analysten haben sich in letzter Zeit auf einen steigenden Silberpreis festgelegt. Im laufenden Jahr werden Preise von über 40 US-Dollar pro Feinunze erwartet, während langfristig sogar dreistellige Preise möglich erscheinen, falls die industrielle Nachfrage weiter zunimmt. Die Marke von 40 US-Dollar wurde am 1. September bereits geknackt. Bei Prognosen wird oft das Gold-Silber-Ratio erwähnt, das derzeit tiefer ist als auch schon, aber deutlich über 80.

Der französische Astrologe Nostradamus hat im 16. Jahrhundert Hunderte Vorhersagen aufgeschrieben – angeblich für Jahrhunderte im Voraus. Weniger bekannt ist, dass er für das Jahr 2025 nichts Konkretes hinterlassen hat. Analysten tun sich da nicht unähnlich. Sie liefern seitenweise Charts und Modelle, doch sobald die Zukunft eintritt, wirkt vieles wie eine poetische Andeutung. Vielleicht liegt der wahre Wert von Prognosen ja gar nicht in ihrer Treffsicherheit, sondern darin, dass sie uns beschäftigen – und wir am Ende trotzdem überrascht werden.

Ich wünsche Ihnen eine Woche, in der Sie sich nicht von Prognosen treiben lassen, sondern die Realität geniessen – mit all ihren positiven Überraschungen.

Mit goldenen Grüssen

Christian Brenner

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