Gast-Kommentar

Buy the dip

Buy the dip
Alessandro Sgro
Lesezeit: 3 Minuten

Finanzmärkte sind komplexe und äusserst dynamische Systeme – getrieben von starken menschlichen Verhaltensmustern. Das führt immer wieder zu kleineren und grösseren Kurskorrekturen. Mit dem Ausnutzen von Preiskorrekturen kann das Fundament für die nächste Aufwärtsbewegung verstärkt und damit die Performance verbessert werden, so Alessandro Sgro in der LEADER-Finanzkolumne «Inside financial markets».

Text: Alessandro Sgro, Chief Investment Officer Cronberg AG

An der Börse interagieren Menschen. Bei einer Kauf- oder Verkaufsentscheidung spielen vielfach verschiedene Facetten der menschlichen Emotionen eine Rolle. Steigen die Kurse, herrscht Euphorie und der Glaube, dass die positive Kursentwicklung nichts mehr aufhalten kann. Sinken die Kurse, werden die Anleger ängstlich und reagieren teils gar panisch.

Aktuell prägen verschiedene Risiken die Finanzmärkte. Dazu gehören insbesondere die Inflations-, Zins- und Konjunktursorgen. Der Kampf der Notenbanken gegen die Inflation ist weltweit nach wie vor im Gang. Zwar sind die Inflationsraten in den wichtigsten Ländern seit ihren Höchstständen im vergangenen Jahr zurückgekommen, erweisen sich aber als hartnäckig hoch.

Das Risiko, dass sie höher bleiben als erwartet, besteht. Die geldpolitische Straffung setzt sich fort und könnte unter Umständen auch in weiteren Zinserhöhungen resultieren, was wiederum die wirtschaftliche Entwicklung massgeblich bremsen könnte. Diese Entwicklung verunsichert aktuell viele Anleger und führt zu einer grösseren Zurückhaltung an den Finanzmärkten. Das widerspiegelt sich momentan in den Kursen an den Finanzmärkten.

Preiskorrekturen sind normal

Täglich, ja stündlich oder gar im Minutentakt, erscheinen neue Informationen über die Konjunkturlage oder über die Entwicklung von einzelnen Unternehmen, die einmal besser oder schlechter ausfallen und die Finanzmärkte immer in irgendeiner Form beeinflussen. Das führt auch in Aufwärtsbewegungen an den Finanzmärkten immer wieder zu kleineren oder grösseren Preisschwankungen. Tägliche Preisschwankungen im Rahmen von bis zu +/- 2 % sind nichts Ungewöhnliches.

Grössere Preiskorrekturen sind seltener, können – über einen bestimmten Zeitraum hinweg – auch gut und gerne einmal -5 % ausmachen. Seit Bestehen des Swiss Market Index resultierten auf wöchentlicher Basis gerade einmal 69 Wochen mit einer Negativperformance, die höher als 5 % ausfiel. Dies in einem Zeitraum von insgesamt 1’768 Wochen. Diese Preiskorrekturen können von den Anlegern genutzt werden, um von günstigeren Einstandspreisen zu profitieren.

Das systematische Zukaufen bei Preiskorrekturen wird auch «buy the dip» genannt. Ob damit nachhaltig eine Mehrrendite erzielt werden kann, ist umstritten, zumal die Theorie per Definition annimmt, dass immer zu Tiefstkursen gekauft wird. Die Praxis zeigt: Dieses perfekte Timing ist nicht realisierbar. Denn niemand weiss ganz genau, wann der Tiefpunkt erreicht ist.

Das Zukaufen bei Preiskorrekturen lohnt sich unter gewissen Umständen dennoch. Die Voraussetzung ist eine intakte Aufwärtsbewegung an den Märkten. Durch den Zukauf zu tieferen Kursen reduziert sich nicht nur der Einstandskurs («Cost-Average-Effekt»). Mit dem Zukauf von weiteren Anteilen zu tieferen Preisen wird das Fundament verbessert, mit dem bei wieder steigenden Preisen stärker profitiert wird.

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Kurzfristige Preiskorrekturen sind immer möglich, in der Tendenz entwickeln sich die Aktienmärkte langfristig aufwärts. Beispiel: Swiss Market Index (SMI) seit dem Jahr 1989
Kurzfristige Preiskorrekturen sind immer möglich, in der Tendenz entwickeln sich die Aktienmärkte langfristig aufwärts. Beispiel: Swiss Market Index (SMI) seit dem Jahr 1989

Die letzten Wochen waren durch eine hohe Unsicherheit über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung geprägt, die sich im Schweizer Aktienmarkt seit dem 28. Juli 2023 in einer Preiskorrektur von -4.23 % zeigte – eine Korrektur in einer gewöhnlichen Grössenordnung. In der vergangenen Woche zeigten sich nun erste, wenn auch zaghafte Erholungsversuche.

Noch sind wir aber weit entfernt von vergangenen Höchstständen. Das Potenzial gegen oben ist also vorhanden. Ein ähnliches Muster zeigt sich auch im Weltaktienindex MSCI World oder im S&P 500, dem breiten amerikanischen Aktienmarktindex.

Erhöhte Unsicherheit bietet Chancen

Die Börse ist und bleibt unberechenbar. Der Versuch, den Markt zu timen, beruht oft auf emotionalen Reaktionen auf aktuelle Ereignisse oder Nachrichten. Letztlich werden Erwartungen über die Zukunft gehandelt und diese sind per se subjektiv und mit einer hohen Unsicherheit behaftet.

Deshalb ist es wichtig, sich auf eine bewährte Anlagemethodik zu vertrauen, die frühzeitig Trends signalisiert und darauf beruht Unternehmen zu selektieren, die über ein solides und innovatives Geschäftsmodell verfügen. Diese Unternehmen können sich negativen Marktbewegungen zwar auch nicht entziehen, erholen sich allerdings wieder schneller, wenn die Aufwärtsbewegung wieder an Fahrt gewinnt. Diese Titelauswahl benötigt viel Erfahrung und Expertenwissen.

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