Der grosse Zerfall

Text: Alessandro Sgro, Chief Investment Officer Cronberg AG
«Der Dollar wird zusammenbrechen», so lautete schon häufig die vereinfachte und kernige Prognose. So auch im Jahr 2004 als die zwei Autoren James Turk und John Rubino mit ihrem viel beachteten Buch «The Coming Collapse of the Dollar and how to profit from it» den Kollaps als unausweichlich sahen – angetrieben von US-Schuldenbergen, staatlicher Geldflut und globalem Vertrauensverlust. Nun, mehr als zwei Jahrzehnte später, kann festgehalten werden: Der Dollar ist nicht kollabiert. Aber seine Vormachtstellung bröckelt. Die USA leben über ihre Verhältnisse. Die Staatsschulden haben 2025 ein neues Allzeithoch erreicht, die Zinslast frisst ein Drittel des Bundeshaushalts und trotz kräftiger Zinserhöhungen bleibt die Inflation hartnäckig.
Der Greenback wirkt angeschlagen, insbesondere auch gegenüber dem Schweizer Franken. Seit Jahresbeginn verlor der US-Dollar über 12% an Wert. Das ist einer der kräftigsten Rücksetzer der Geschichte. Ein markanter Bruch erfolgte im April als Donald Trump am «Liberation Day» vor dem Weissen Haus pompös inszeniert die neuen Zölle ausrief. Der langfristige Verlauf des USD/CHF-Wechselkurses spricht Bände. Während zur Jahrtausendwende der Wechselkurs bei 1.77 lag, erhielt man vor zehn Jahren für einen Schweizer Franken einen US-Dollar. Heute liegt der Kurs teilweise unter 0.80.
Die Rolle des Dollars als globale Leitwährung basiert auf Vertrauen. Dieses Vertrauen in die USA erodiert zunehmend. Dazu trägt die wenig vertrauensfördernde Politik der aktuellen US-Regierung massgeblich bei. Scharfe Attacken gegenüber der US-Notenbank, eine weiter wachsende und schuldenfinanzierte Haushaltspolitik sowie die erratische Handelspolitik fördern die Skepsis weltweit.
Seit Jahrzehnten ist der Dollar als Wertaufbewahrungsmittel sowie im internationalen Handel mit wichtigen Gütern und Dienstleistungen gefragt. Keine andere Volkswirtschaft der Welt verfügt über einen derart grossen und starken Kapitalmarkt. Dennoch wenden sich einige Staaten zunehmend vom Dollar ab. So sinkt die Nachfrage nach US-Staatsanleihen bei Auktionen und Länder wie China oder Indien versuchen sukzessive ihre Devisenreserven im US-Dollar zu reduzieren. Die sogenannten BRICS-Staaten diskutieren gar eine neue Verrechnungswährung und Saudi-Arabien zeigt sich offen für Ölverkäufe in anderen Währungen.
Eine vollständige Entdollarisierung ist unwahrscheinlich. Zu stark sind der institutionelle Rahmen und die Infrastruktur der USA rund um den Greenback, zu gross der Bedarf an nach wie vor sicheren US-Anleihen und am wichtigsten: Es gibt keine geeignete Alternative. Robuste Währungen wie dem Schweizer Franken gäbe es. Doch sie alle sind zu wenig liquide. Der Euro ist per Konstrukt ungeeignet und China scheint aus wirtschaftspolitischer Sicht selbst kein Interesse an einer globalen Leitwährung des Renminbis zu haben. Zumal hier die Rechtssicherheit aus Sicht von internationalen Investoren nicht gegeben ist. Auch Kryptowährungen wie der Bitcoin erfüllen die Kriterien einer Leitwährung nicht.
Schon oft wurde das Ende der Dollar-Dominanz ausgerufen – und nie ist es eingetreten. Auch diesmal zerfällt der Dollar nicht, doch seine Sonderstellung wird fragiler. Nicht Weltuntergangsszenarien sind gefragt, sondern das Befolgen wichtiger Investment-Grundsätze, um einen robusten Vermögensaufbau über verschiedene Anlageklassen und Währungen hinweg zu realisieren. Das zählt insbesondere auch für Anlegerinnen und Anleger mit Referenzwährung Schweizer Franken.
Dabei bringt auch ein kompletter Verzicht auf US-Werte ebenfalls wenig. Denn das hiesse auch ein Verzicht auf den liquidesten und innovationsstärksten Finanzmarkt, der auch Schweizer Anlegerinnen und Anleger über Jahre hinweg einen spürbaren Mehrwert im Portfolio geleistet hat. Gefragt ist deshalb ein aktives und selektives Vorgehen, um Währungsrisiken zu steuern.
Solange es keine echte Alternative gibt, bleibt der Dollar das unverzichtbare Fundament der globalen Finanzarchitektur, zumal sich der Dollar immer wieder nach Phasen der Schwäche wieder erholt hat.