«Sicherheit ist kein Produkt, sondern ein Prozess»
Thomas Schneider, was beschäftigt unsere KMU bezüglich Sicherheit aktuell am meisten?
Wir beobachten ein gestiegenes Sicherheitsbedürfnis insbesondere in der Kombination von physischer und digitaler Sicherheit. Viele Betriebe realisieren, dass klassische Einbruchschutzmassnahmen nicht mehr ausreichen, weil Cyberangriffe und Datenmissbrauch zunehmend reale wirtschaftliche Schäden verursachen. Das grösste Thema ist aktuell die Unsicherheit: Wie schütze ich mein Unternehmen ganzheitlich, ohne riesige Budgets? Genau hier setzen wir mit pragmatischen, risikobasierten Konzepten an, die Mensch, Technik und Organisation verbinden.
Viele kleinere Firmen sehen sich mit Einbrüchen, Cyberangriffen oder Vandalismus konfrontiert. Wie können KMU mit überschaubarem Aufwand ihre Sicherheit spürbar verbessern?
Sicherheit beginnt immer bei der Sensibilisierung. Ein geschultes Team ist die beste Firewall. Schon kleine Massnahmen – wie klare Zutrittsregelungen, saubere Passwortpolitik oder die regelmässige Überprüfung von Abläufen – bringen enorm viel. Ergänzend können moderne Systeme wie vernetzte Alarmanlagen oder intelligente Videoüberwachung helfen, Risiken früh zu erkennen. Wichtig ist: Es braucht kein Hightech für alles, sondern gezielte, auf das Unternehmen abgestimmte Schritte. Bewährt haben sich nebst einer gründlichen Analyse der Ist-Situation auch Schulungen für das Personal in Themen, die nicht zur Kernkompetenz des jeweiligen Betriebes gehören, jedoch auf die Sicherheit massiven Einfluss haben können. Hier fördern wir gezielt die Wahrnehmung.
Sie sagten einmal, moderne Sicherheit sei «lösungs- statt produktorientiert». Wie hat sich dieses Verständnis in den letzten Jahren verändert?
Früher stand oft das Produkt im Vordergrund – also eine Kamera, ein Sensor oder ein Patrouillendienst. Heute geht es darum, Probleme zu lösen: Wie verhindere ich Produktionsausfälle, Datendiebstahl oder Reputationsschäden? Dank Digitalisierung können wir Sicherheitslösungen viel stärker integrieren, zum Beispiel Videodaten mit Zutrittslogs oder Alarmmeldungen verknüpfen. So entsteht ein intelligentes Gesamtsystem, das Risiken erkennt, bevor sie entstehen. Die traditionellen Bewachungsaufgaben sind heute viel stärker vernetzt und ermöglichen eine Schwerpunktanalyse aus dem Rückfluss der Reportings und den Feststellungen. Solche Mittel können das Leben von Sicherheitsbeauftragten vereinfachen und Probleme verhindern oder vermindern.
«Viele KMU unterschätzen, wie interessant ihre Daten für Dritte sein können.»
Künstliche Intelligenz hält auch im Sicherheitsbereich Einzug, etwa in der Videoanalyse oder Gefahrenprävention. Welche Chancen ergeben sich daraus konkret für KMU?
KI kann uns helfen, Muster zu erkennen, die für das menschliche Auge vorerst unsichtbar bleiben – etwa untypische Bewegungen auf einem Gelände oder verdächtige Verhaltensmuster. Für KMU bedeutet das: präzisere Analysen, weniger Fehlalarme und eine viel effizientere Nutzung ihrer Ressourcen. Besonders spannend ist die Kombination aus KI und menschlicher Erfahrung, wenn etwa Algorithmen potenzielle Risiken identifizieren und unsere Mitarbeiter diese dann richtig bewerten. Generell erweitert die richtige Sensorik unsere menschliche Wahrnehmung, beispielsweise mit Wärmebildern, die bei Fahrzeugen frühzeitig Auffälligkeiten wie Hitzeentwicklungen aufzeigen.
Gleichzeitig wächst aber die Sorge, dass Algorithmen Fehlentscheide treffen oder zu übermässiger Überwachung führen.
Diese Sorgen nehmen wir sehr ernst. Technologie darf nie Selbstzweck sein, sondern muss den Menschen schützen, nicht überwachen. Wir arbeiten ausschliesslich mit Systemen, die datenschutzkonform und transparent sind. Zudem bleibt die letzte Entscheidung immer beim Menschen. Wir kombinieren technologische Präzision mit menschlichem Verantwortungsbewusstsein. Nur so entsteht echte Sicherheit mit ethischer Integrität.
Mit «Robotics as a Service» bietet Securitas heute bereits Roboterlösungen an. Wo liegen die grössten Potenziale solcher Systeme?Roboter ergänzen den Menschen dort, wo Routineaufgaben oder gefährliche Situationen auftreten – etwa bei nächtlichen Kontrollgängen oder der Überwachung grosser Areale. Für KMU ist das interessant, weil sie so rund um die Uhr Präsenz gewährleisten können, ohne hohe Fixkosten. Unsere Lösungen sind modular; der Kunde mietet die Leistung, nicht den Roboter. Das macht moderne Sicherheit auch für kleinere Betriebe zugänglich. Ob solche Systeme zum Einsatz kommen können, hängt immer von den individuellen Gegebenheiten ab. Aber zukünftig werden immer mehr dieser technischen Helfer zur Verfügung stehen, davon bin ich überzeugt.
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Welche Sicherheitsrisiken haben für KMU in den letzten Jahren am stärksten zugenommen, und wo sehen Sie den grössten Handlungsbedarf in der Ostschweiz?
Ich betrachte die Ostschweiz immer noch als eine sehr sichere Zone, in der insbesondere Themen rund um Produktionssicherheit und die Verhinderung von Störungen dominieren. Die grösste Zunahme sehe ich im Bereich Cyberkriminalität und Wirtschaftsspionage: Viele KMU unterschätzen, wie interessant ihre Daten für Dritte sein können. Gleichzeitig erleben wir mehr Vandalismus und teils Einbrüche, zukünftig wohl vermehrt in Kombination mit IT-Angriffen. Der Handlungsbedarf liegt also in der Vernetzung der Schutzmassnahmen: Physische und digitale Sicherheit müssen als Einheit verstanden werden. Das ist besonders für exportorientierte Ostschweizer Betriebe entscheidend und muss als Thema bei allen Angestellten verankert sein. Es reicht nicht, wenn sich nur die Geschäftsleitung der Gefahren bewusst ist!
Und wie stark beeinflussen wirtschaftliche Unsicherheit, Energiepreise oder gesellschaftliche Spannungen die Sicherheitslage von Unternehmen?
Je grösser die wirtschaftliche Unsicherheit, desto höher sehe ich die Anfälligkeit für Risiken – von internen Delikten bis zu Sabotage. Prävention ist deshalb wichtiger denn je. Sie kostet weniger als jeder Schadensfall. Sicherheit ist heute zwingender Bestandteil des Risikomanagements und damit ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor. Wer vorbeugt, handelt nicht nur verantwortungsbewusst, sondern betriebswirtschaftlich klug.
«Es reicht nicht, wenn sich nur die Geschäftsleitung der Gefahren bewusst ist.»
Sicherheit ist Vertrauenssache. Wie gelingt es Securitas, dieses Vertrauen langfristig aufzubauen, insbesondere bei KMU, die nicht täglich mit Sicherheitsdienstleistern zusammenarbeiten?
Vertrauen entsteht durch Nähe, Verlässlichkeit und Transparenz. Wir hören zuerst zu, bevor wir Lösungen anbieten. Unsere Mitarbeiter kommen aus der Region, kennen die Betriebe und sind oft über viele Jahre dieselben Ansprechpartner. Das schafft Kontinuität. Gerade im KMU-Umfeld ist Beziehungspflege wichtiger als jede Technologie. Am Ende zählt: Menschen schützen Menschen – mit Unterstützung modernster Mittel.
Zum Schluss: Was raten Sie einem Unternehmer, der spürt, dass Sicherheit für seine Firma wichtiger wird, aber nicht weiss, wo er beginnen soll?
Mein Rat: Machen Sie eine einfache Risikoanalyse. Schauen Sie, was im schlimmsten Fall passieren könnte und was davon wirklich existenzbedrohend wäre. Dann priorisieren Sie. Wir unterstützen KMU bei diesem Einstieg. Oft reicht ein unverbindliches Gespräch, um den richtigen Weg zu finden. Sicherheit ist kein Produkt, sondern ein Prozess, und jeder Schritt in die richtige Richtung zählt.
Text: Stephan Ziegler
Bild: Marlies Beeler-Thurnheer