Gast-Kommentar

Scheinjobs als stilles Risiko in Familienunternehmen

Scheinjobs als stilles Risiko in Familienunternehmen
Rolf Brunner: «Familienunternehmen bieten viele Vorteile, doch 'Scheinjobs' können die interne Fairness und Leistungsorientierung untergraben. Entscheidend ist, Strukturen zu hinterfragen, die Kultur ehrlich zu bewerten und sicherzustellen, dass Leistung zählt – nicht allein Verwandtschaft»
Lesezeit: 4 Minuten

Scheinjobs sind ein heikles, oft tabuisiertes Thema in Unternehmerfamilien. In seinem Gastkommentar zeigt Rolf Brunner von der Continuum AG in St.Gallen auf, weshalb solche Rollen entstehen, welche Risiken sie für Unternehmen und Familien bergen und wie aus formalen Funktionen wieder echter Zweck entstehen kann.

Text: Rolf Brunner

Weshalb sind Familienmitglieder, die mittelbar oder unmittelbar mit Familienunternehmen verbunden sind, nicht offen zueinander? Weshalb versteckt man sich zuweilen hinter Funktionen?

Familienmitglieder von Unternehmerfamilien, die in Familienunternehmen eine Rolle spielen, verstecken sich oftmals hinter Titeln und Funktionen, die sie sich nicht ausgesucht haben, in Rollen, zu denen sie nicht passen, und geben vor, einen Mehrwert zu schaffen, von dem sie selber nicht glauben, dass sie ihn bringen.

Familienmitglieder, die Jobs, Beförderungen, Gehälter oder Ausschüttungen erhalten, die sie ohne den richtigen Nachnamen nie erreicht hätten, stehen oft im Rampenlicht. Was als Versuch beginnt, das Familieneigentum oder die Harmonie zu bewahren, kann leicht zur Quelle tiefer innerfamiliärer Spannungen werden, wenn nicht sensitiv und proaktiv damit umgegangen wird.

Bei einem kürzlichen Meeting, das sich mit dem Thema «Family Office» befasste, schwebte über dem Tisch eine unbequeme Wahrheit: «Scheinjob». Dabei handelt es sich um Positionen, die an Familienmitglieder vergeben werden, die entweder keinen oder nur marginalen Mehrwert bieten oder Fähigkeiten erfordern, die weit über ihre Ausbildung hinausgehen. Es ist eine Form von Nepotismus (Vetternwirtschaft), bei der Familienmitglieder bevorzugt werden, auch wenn sie weniger qualifiziert sind. Dies kann zu Frustration bei externen Mitarbeitern, aber auch bei eigenen Familienmitgliedern führen. Die Frage war einfach, aber herausfordernd: Wie geht man damit um?

Gleichzeitig bieten Familienunternehmen oft Stabilität, gute Arbeitsbedingungen, flexible Arbeitszeiten und flache Hierarchien, bergen jedoch auch Risiken durch familiäre Konflikte, die sich direkt auf das Geschäft auswirken können, insbesondere bei Themen wie Nachfolge oder Scheidungen.

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In einer unserer Mandantenfamilien war ein 40-jähriger Sohn von Geburt an dazu auserkoren, eine umsatzmässig grosse Abteilung einer Immobilienentwicklungsgesellschaft zu leiten. Während seine Geschwister auf dem von ihnen gewählten Weg innerhalb des Familienunternehmens erfolgreich waren, driftete er auf der Führungsebene ab. Er trug den Namen und das Erbe der Familie mit sich, brachte jedoch wenig Substanz ein. Er war nicht faul oder berechtigt, sondern schlicht verloren – ein gut bezahltes «Ersatzteil» ohne Zweck, mit dem die Firma fast nichts anzufangen wusste.

In einer anderen Familie erhielt ein Bruder beträchtliche Ausschüttungen aus dem Familienunternehmen, während sein Bruder unermüdlich für dessen Aufrechterhaltung arbeitete. Die Zahlungen, ursprünglich als Gesten der Inklusion und des Vermächtnisses gedacht, wurden zu Quellen von Schuld und Groll. Der eine Bruder stellte seinen Wert infrage, der andere fragte sich, ob hier das Erbe über den Verdienst gestellt wurde.

Obwohl solche Konstrukte oft gut gemeint sind, um das Familieneigentum zu erhalten, die Familienharmonie zu wahren und den sozialen Status der Familie zu sichern, können die Folgen erheblich sein, wenn sie nicht aktiv angegangen werden.

Schritte, um Scheinjobs in echten Zweck zu verwandeln

Legen Sie Kriterien fest.
Definieren Sie klare Standards für die Partizipation, etwa die Teilnahme an vier vierteljährlichen Meetings, die Rolle als verantwortungsbewusster Begünstigter oder die Vertretung der Familie bei Veranstaltungen. Motivieren Sie, die vorhandenen Familienwerte in der Unternehmung gemeinsam hochzuhalten. Klarheit reduziert Verwirrung und Ressentiments.

Seien Sie transparent.
Die Familienführung kann ihre Unterstützung zeigen, indem sie die Rolle offen befürwortet und erklärt, weshalb sie wichtig ist. Ist eine Position symbolisch, etwa zur Wahrung von Inklusion oder Verbindung, sollte dies klar benannt werden. Transparenz schafft Akzeptanz und Vertrauen.

Machen Sie es real.
Entwerfen Sie gemeinsam mit dem Familienmitglied konkrete Ergebnisse und Erwartungen. Etablieren Sie messbare Resultate, damit die Rolle Gewicht und Würde erhält und nicht reine Fassade bleibt.

Unterstützen Sie das Bewusstsein.
Bieten Sie Coaching- oder Entwicklungsressourcen an, um Familienmitgliedern zu helfen, ihren eigenen Weg zu finden, sei es innerhalb des Familienunternehmens oder darüber hinaus. Ermöglichen Sie den Wechsel vom Beifahrersitz auf den Fahrersitz und fördern Sie Selbstvertrauen, Zielstrebigkeit und echten Beitrag.

Entlarven Sie die Wahrheit.
Jedes Familienunternehmen hat seine Geister: alte Gewohnheiten, ererbte Titel und Rollen, die nicht mehr dienen. Die Herausforderung besteht nicht darin, sie zu exorzieren, sondern sie sichtbar zu machen. Wenn Familien Vortäuschung durch Zweck ersetzen, bewahren sie nicht nur das Unternehmen, sondern auch die Würde und Einheit, die es tragen.

 

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