Jährlich grüsst das Murmeltier
Text: Alessandro Sgro, Chief Investment Officer Cronberg AG
Sie vermitteln vermeintlich Orientierung und ein gutes Gefühl. Doch Prognosen liegen erstaunlich oft daneben. Kaum jemand hat die Pandemie, den Inflationsschub, den rasanten Zinsanstieg oder die Geschwindigkeit des technologischen Wandels vorhergesehen. Und dennoch lassen wir uns jedes Jahr aufs Neue von scheinbar präzisen Ausblicken verführen.
Das ist menschlich. Prognosen vermitteln Kontrolle in einer Welt voller Unsicherheit. Sie liefern einfache Geschichten und klare Erwartungen. Für Medien sind sie dankbar, für Anleger emotional beruhigend. Doch sie lenken oft vom Wesentlichen ab. Denn beim Investieren geht es nicht darum, die Marktentwicklung des nächsten Jahres zu erraten, sondern darum, für jedes Szenario gewappnet zu sein, um die definierten Anlageziele langfristig zu erreichen.
Die entscheidenden Fragen sind andere – und deutlich weniger spektakulär:
- Passt die Anlagestrategie zur persönlichen Lebenssituation, zu den Zielen und zum Risikoprofil?
- Ist das Portfolio wirklich diversifiziert oder nur auf den ersten Blick?
- Liegt der Fokus auf Qualität, Stabilität und Ertragskraft der Anlagen?
- Können Schwankungen ausgehalten werden, ohne hektische Entscheidungen zu erzwingen?
Genau hier entstehen die grossen Unterschiede. Wer seine Strategie jedes Jahr an neue Prognosen anpasst, handelt nicht vorausschauend, sondern reaktiv. Die Märkte verändern sich schneller als jede Jahresvorschau – und sie tun dies oft dann, wenn es niemand erwartet. Stress entsteht dabei nicht durch Volatilität an sich, sondern durch Portfolios, die nicht zur eigenen Risikofähigkeit passen.
Ein stressfreier Anlageansatz bedeutet deshalb nicht, Risiken zu vermeiden, sondern sie bewusst einzugehen. Gut strukturierte Portfolios müssen nicht jedes Szenario korrekt treffen. Sie müssen robust genug sein, um mit Überraschungen umgehen zu können – nach oben wie nach unten. Qualität spielt dabei eine zentrale Rolle: Unternehmen mit soliden Geschäftsmodellen, klarer Marktposition, Preissetzungsmacht und gesunden Bilanzen sind langfristig widerstandsfähiger als kurzfristige Modetrends. Ebenso entscheidend ist eine echte Diversifikation über Regionen, Branchen und Ertragsquellen hinweg – nicht nur über die Anzahl der gehaltenen Positionen.
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Zum Jahreswechsel lohnt es sich deshalb, einen Schritt zurückzutreten und sich dem Lärm der Prognosen zu entziehen. Mehr Struktur bringt mehr Klarheit und Gelassenheit. Die beste Voraussetzung für ein erfolgreiches Anlagejahr ist nicht die zutreffendste Vorhersage, sondern eine Strategie, die auch dann trägt, wenn Prognosen wieder einmal falsch liegen.
Eine tragfähige Anlagestrategie beginnt mit einer zur persönlichen Situation passenden Asset Allokation. Diese Struktur wird aktiv gesteuert und durch eine selektive Titelauswahl mit Fokus auf Qualität und Stabilität präzise umgesetzt. Ziel ist dabei kein prognosegetriebener Aktionismus, sondern ein robustes Portfolio, das unterschiedliche Marktphasen möglichst stressfrei übersteht.