Banken-Crash als Geschäftsmodell

Text: Thomas Stucki
Der Ablauf der Geschichte sieht dabei immer ähnlich aus. Die betroffenen Banken haben einen ansehnlichen Teil ihrer Kundeneinlagen nicht in Kredite umgemünzt, sondern im Anleihenmarkt investiert. Um den Zinsertrag zu steigern, wurden dazu nicht kurzlaufende Treasury Bills, sondern Anleihen mit einer langen Laufzeit ausgewählt. Das damit verbundene Zinsrisiko wurde vielleicht unterschätzt, wahrscheinlicher bewusst eingegangen.
Durch die im letzten Jahr gestiegenen Zinsen haben diese Anleihen an Marktwert verloren. Der entsprechende Verlust wird jedoch erst zum Problem, wenn die Papiere verkauft werden. Auf der anderen Seite verlangen die Kunden auf ihren Einlagen einen höheren Zins. Das drückt auf die Profitabilität der Banken, gefährdet zumindest kurzfristig aber noch nicht ihre Existenz.
Auftritt der Short-Seller
Kritisch wird es erst, wenn die Kunden das Vertrauen verlieren und ihr Geld abziehen. Dann müssen die gehaltenen Anleihen verkauft und die Verluste realisiert werden, was das eh schon geringe Eigenkapital rasch schmelzen lässt. Nach dem Scheitern der Silicon Valley Bank im März, welche vor allem das Opfer der Klumpenrisiken in ihrer Kundenstruktur war, wurde der Banken-Crash als gewinnbringendes Geschäftsmodell erkannt.
Die Aktien verschiedener Regionalbanken, welche im zweiten Halbjahr 2022 trotz der damals schon hohen US-Zinsen stabil bis höher notierten, verloren innert Tagen massiv an Wert. Dass dabei nicht nur verängstigte Anleger, sondern auch und vor allem professionelle Short-Seller am Werk waren, liegt nahe. Diese verkaufen die Aktien ohne sie zu besitzen, um sie später zu einem hoffentlich tieferen Kurs wieder zurückkaufen zu können. Dazu müssen sie die Titel von jemand anderem ausleihen. Von der First Republic Bank waren bei der Schliessung rund ein Drittel der ausstehenden Aktien ausgeliehen, von der PacWest sind es aktuell 18%.
Das erklärt zu einem grossen Teil auch, warum bisher nur Regionalbanken zum Problemfall wurden, während die grossen Banken wie Wells Fargo oder die Bank of America nicht in Zweifel gezogen werden. Deren Aktienkurs lässt sich nicht so einfach drücken. Dazu sind viel mehr Mittel notwendig. Die Quote der ausgeliehenen Aktien von Wells Fargo und der Bank of America beträgt nur rund 1%. Zudem würden die Behörden bei einer Attacke auf eine systemrelevante Bank schnell reagieren und beispielsweise wie in der Finanzkrise 2008 das Short Selling verbieten.
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Geschäftsmodell mit Ablaufdatum
Die Short-Seller haben mit den Aktien der Regionalbanken seit Mitte März Milliarden verdient. Wie lange das Modell noch funktioniert, wird sich zeigen. Angreifbare Banken, die mit den hohen Zinsen zu kämpfen haben, gibt es in den USA sicherlich noch einige. Die Frage ist, wie lange die Behörden dem Treiben noch zuschauen, bevor sie Massnahmen wie das erwähnte Verbot von Leerverkäufen ergreifen.
Gefährlicher für die Short-Seller ist jedoch, dass grosse Investoren die tiefen Kurse der Aktien der Regionalbanken als gute Kaufgelegenheit betrachten und beginnen, diese systematisch aufzukaufen. Damit treiben sie deren Aktienkurse stark nach oben und der Traum der Short-Seller wird zum Albtraum.
Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Thomas Stucki hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Er führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 35 Mitarbeitenden. Er ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von 12 Milliarden Franken. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.