Gast-Kommentar

Wo sind die positiven Signale nach der Zoll-Senkung?

Wo sind die positiven Signale nach der Zoll-Senkung?
Lesezeit: 6 Minuten

In der Schweiz wird aufgeatmet. Die Senkung des US-Zolls auf 15 Prozent lässt auf eine wirtschaftliche Erholung hoffen. Von offizieller Seite mangeln jedoch Signale der Einigung. Für Europa prognostiziert die Europäische Kommission ein anhaltendes Wachstum. Der Internationale Währungsfonds erwartet in den USA für 2025 ein BIP-Wachstum von 2,0 Prozent, deutlich weniger als zu Jahresbeginn angenommen. Der Goldpreis hat sich im November auf hohem Niveau eingependelt. Silber erreichte ein Allzeithoch.

Text: Christian Brenner

Nach einer Schnellschätzung des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO von Mitte November dürfte die Schweizer Wirtschaft im dritten Quartal ein Minus von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinnehmen müssen. Besonders hervorgehoben wird die negative Entwicklung der Industrie insgesamt, getrieben von einem starken Rückgang im chemisch-pharmazeutischen Gewerbe.

Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO fällt das BIP im dritten Quartal leicht ins Minus.

Auch wenn man die Einigung mit den USA über die Absenkung der Zölle von 39 Prozent auf 15 Prozent begrüsst, meinen Kommentatoren, dass damit noch keinesfalls alle Probleme zwischen den beiden Staaten beseitigt seien. Die neue US-Botschafterin in der Schweiz, Callista Gingrich, wirbt in der Öffentlichkeit für eine gute Zusammenarbeit zwischen den USA und der Schweiz. Doch vermutlich braucht es mehr positive Signale von höherer Stelle.

Trotz der schlechten Werte des Flash-Berichts des SECO über das dritte Quartal sieht die Konjunkturumfrage der ETH Zürich KOF eine «deutlich aufgehellte Geschäftslage und wachsende Zuversicht» in der Schweizer Wirtschaft. Der Geschäftslageindikator für die Schweizer Privatwirtschaft sei im Oktober, noch vor der Einigung über die Zölle, deutlich gestiegen und habe wieder den Wert von Juli erreicht. Die Erwartungen der Unternehmen für die Geschäftsentwicklung im kommenden Halbjahr seien wieder zuversichtlich, so positiv wie seit Jahresbeginn nicht mehr.

In einigen Branchen wie dem Baugewerbe gibt es positive Preis- und Lohnerwartungen
In einigen Branchen wie dem Baugewerbe gibt es positive Preis- und Lohnerwartungen

«Die Schweizer Wirtschaft fasst wieder Tritt» heisst es in der Bewertung der Umfrage. Die Preis- und Lohnerwartungen blieben auf moderatem Niveau. Besonders positiv gelten die Einschätzungen im Baugewerbe, im Detailhandel, im Grosshandel und in den Dienstleistungen.

Die Teuerung in der Schweiz hat sich deutlich abgeschwächt. Der Landesindex der Konsumentenpreise ist im Oktober nur um 0,1 Prozent höher gelegen als 2024. Gegenüber September bedeutet das einen Rückgang um 0,3 Prozent. Wie in den Vormonaten sind die Preise für Hotellerie und Pauschalreisen ins Ausland zurückgegangen. Ebenfalls gesunken sind die Preise für Mieten von privaten Verkehrsmitteln. Gestiegen sind die Preise für Bekleidung und Schuhe sowie für Unterhalt und Hauswartung, teilte das Bundesamt für Statistik mit.

Säntis  Fortimo  

Europäische Kommission gibt sich optimistisch

Im Gegensatz zu den Daten einzelner Länder zeigt sich die Europäische Kommission in ihrem Herbstgutachten fast optimistisch. Demnach zeige die Wirtschaftsprognose für Herbst 2025 «trotz des schwierigen Umfelds» ein anhaltendes Wachstum in Europa. Das Wirtschaftswachstum habe in den ersten neun Monaten des Jahres die Erwartungen übertroffen. Das Wachstum werde durch einen robusten Arbeitsmarkt, sinkende Inflation und günstige Finanzierungsbedingungen unterstützt. Die anhaltende Unsicherheit in der Handelspolitik wird als Risiko für die weitere Entwicklung gesehen. Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse könnten das Wachstum stärker einschränken als erwartet.

Die Europäische Kommission sagt in ihrer Herbstprognose für den Euro-Raum ein BIP-Wachstum 2025 von 1,3 Prozent voraus, 2026 soll es 1,2 Prozent betragen und 2027 auf 1,4 Prozent steigen. Das ist jeweils 0,1 Prozent weniger als in der Gesamt-EU.

Die Europäische Kommission sucht bei der wirtschaftlich angespannten Lage Optimismus zu verbreiten
Die Europäische Kommission sucht bei der wirtschaftlich angespannten Lage Optimismus zu verbreiten

Nach Mitteilung des statistischen Amtes der Europäischen Union Eurostat ist die jährliche Inflationsrate im Oktober mit 2,1 Prozent September 2,2 Prozent und im Euro-Raum mit 2,1 Prozent September 2,2 Prozent etwas geringer gestiegen als im September. Die EU sagt für 2025 eine Inflationsrate von 2,5 Prozent, für 2026 2,1 Prozent und 2027 2,2 Prozent voraus. Im Euro-Raum liegen die Werte mit 2,1 Prozent, 1,9 Prozent und 2,0 Prozent etwas niedriger.

BIP-Prognosen in den USA nach unten korrigiert

Als Spätauswirkung des mit 43 Tagen längsten Shutdown in der US-Geschichte liegen noch immer keine offiziellen Zahlen des Bureau of Economic Analysis BEA über die Wirtschaftsentwicklung im dritten Quartal vor. Nach einem Einbruch des BIP im ersten Quartal mit 0,6 Prozent minus meldete das BEA Ende September in einer dritten Schätzung für das zweite Quartal ein Plus von 3,8 Prozent. Der Internationale Währungsfonds sagt in seinem World Economic Outlook von Mitte Oktober für die Vereinigten Staaten für 2025 ein BIP-Wachstum von 2,0 Prozent voraus. 2026 sollten es 2,1 Prozent sein. Das ist deutlich weniger als die 2,7 Prozent, die noch zu Jahresbeginn erwartet worden waren.

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Der Internationale Währungsfonds rechnet für die USA 2025 mit einem BIP-Wachstum von 2,0 Prozent.

Auch die Preisentwicklung scheint nicht ganz in das erwartete Erfolgsszenario von Präsident Donald Trump zu passen. Waren nach seinem Amtsantritt die Verbraucherpreisindizes von 2,8 Prozent im Februar auf 2,3 Prozent im April gefallen, steigen sie seitdem kontinuierlich an. Mai 2,4 Prozent, Juni und Juli 2,7 Prozent, August 2,9 Prozent und September 3,0 Prozent, also deutlich über der angestrebten Zwei-Prozent-Marke.

Das Weisse Haus pflegt in der Zollpolitik eine sanftere Gangart, um die Preisanstiege zu mildern
Das Weisse Haus pflegt in der Zollpolitik eine sanftere Gangart, um die Preisanstiege zu mildern

Die Leitzinsen wurden von der US-Notenbank Fed am 29. Oktober um 0,25 Punkte auf 3,75 bis 4 Prozent gesenkt. Es scheint, dass die Regierung nach der Zinssenkung nun auch im Zollbereich erste Anpassungen vornimmt, um den Preisauftrieb zu mildern. So hat Donald Trump am 15. November einen Teil seiner Zollerhöhungen aus April auf Lebensmittelimporte aus dem Ausland zurückgenommen. 200 Produkte wie Kaffee, Tee, Bananen, Tomaten, Rindfleisch, Kakao und Gewürze sowie Fruchtsäfte und bestimmte Düngemittel sollen Ausnahmeregeln unterliegen.

Hängige Gerichtsverfahren machen Prognosen im US-Zollstreit schwierig.

Das Auf und Ab der US-Zollpolitik ist noch nicht ganz klar, vor allem weil es eine Reihe anhängiger Gerichtsverfahren gibt, die dem US-Präsidenten das Recht absprechen sollen, allein über Zölle entscheiden zu können. Die Einbindung des Kongresses wird von Klägern gefordert. Erste Verfahren sollen schon beim Obersten Gerichtshof liegen, der in dieser Frage wohl das letzte Wort haben wird.

Letzte Analysen gehen davon aus, dass die Inflation von 2,9 Prozent 2025 auf 2,6 Prozent 2026 zurückgehen wird. Damit wird in den USA für 9. Dezember 2025 eine mögliche weitere Leitzinssenkung der Fed um 0,25 Basispunkte erwartet.

Silber übertrumpft im Zuge der Zinssenkungen Gold

Der Goldpreis hat im November seinen Rekordstand von 3 372.96 Franken am 13. November zunächst nicht halten können, liegt aber mit 3 388.05 Franken je Feinunze zum Monatsende um etwa 7 Prozent höher als zu Monatsbeginn, nachdem er sich von einem kurzzeitigen Einbruch in der dritten Novemberwoche wieder erholen konnte. Die Diskussion um mögliche weitere Zinssenkungen der US-Notenbank Fed scheint sich auf die Preisentwicklung bei Gold günstig auszuwirken. Im Vergleich zum Vorjahr notiert der Goldpreis in Schweizer Franken Ende November um 45,45 Prozent höher.

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Trotz Schwankungen des Goldpreises ist die Rendite beim gelben Edelmetall beachtlich.

Nach den Rekordzuflüssen von Gold-ETFs im September von 17 Milliarden US-Dollar sind im Oktober ETFs im Wert von 6,5 Milliarden US-Dollar zugeflossen, aus Europa aber um 4,4 Milliarden Dollar zurückgegangen. Der Zuwachs aus Asien betrug laut der Branchenorganisation World Gold Council WGC 6,1 Milliarden Dollar. Die Gesamtrechnung ergibt eine Zunahme von 8,2 Milliarden Dollar oder 55,1 Tonnen an Gegenwert.

Die Einführung der Mehrwertsteuer auf den Goldhandel in China scheint ohne wesentliche Auswirkungen geblieben zu sein. Atypisch für die Saison stieg die Nachfrage nach Gold im Oktober und im Vergleich zum Vorjahr auf 124 Tonnen an. Die Chinesische Nationalbank hat ihre Goldkäufe fortgesetzt und im Oktober neuerlich 0,9 Tonnen Gold erworben.

Die hohe Nachfrage nach Silber liess den Silberpreis auf ein Allzeithoch steigen.
Die hohe Nachfrage nach Silber liess den Silberpreis auf ein Allzeithoch steigen.

Ende November hat Silber ein neues Allzeithoch erreicht. Der Silberpreis kletterte zeitweise auf knapp 58 US-Dollar pro Unze und hat sich damit im laufenden Jahr nahezu verdoppelt. Getrieben wird die Rallye vor allem durch strukturelle Knappheit, rekordniedrige Lagerbestände in China, starke physische Nachfrage sowie die Erwartung weiterer Zinssenkungen der US-Notenbank. Researchhäuser sprechen bereits von einem «historischen Wendepunkt» am Silbermarkt.

Apropos Wendepunkt: Ende des 15. Jahrhunderts gab es eine entscheidende Regeländerung im Schach. Bis dahin war die Dame die schwächste Figur am Brett; ihr Aktionsradius beschränkte sich auf ein einziges Feld entlang der Diagonale. Mit der neuen Regel durfte sie plötzlich unbegrenzt in alle Richtungen ziehen, diagonal, horizontal und vertikal. Aus der schwächsten wurde die stärkste Figur. Schach blieb Schach, und doch war es von diesem Moment an ein anderes Spiel.

Ich wünsche Ihnen eine Woche, in der eine kleine Kurskorrektur für Sie zum Wendepunkt wird.

Mit goldenen Grüssen
Christian Brenner

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