Sind die Beteiligungen der Städte an öffentlichen Unternehmen unter Kontrolle?

Text: pd
Schweizer Städte mit mehr als 10'000 Einwohnern setzen für die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben Unternehmen ein, an denen sie mehrheitlich oder massgeblich beteiligt sind. Im Verwaltungsvermögen führen sie im Jahr 2021 Beteiligungen in der Höhe von über CHF 9 Mrd. Dies zeigt die Relevanz des Themas, wie diese öffentlichen Unternehmen zu führen, zu steuern und zu beaufsichtigen sind.
2022 wurde eine Studie durchgeführt, an der 40% der 162 Städte teilgenommen haben. Es zeigte sich dabei, dass die Themen zur Führung, Steuerung und Aufsicht in den Städten erkannt sind und im Vergleich zur Studie 2014 eine positive Entwicklung festzustellen ist. Weiterhin sind aber Schritte nötig, um den Umgang mit den Beteiligungen voranzubringen. Denn weiterhin haben über 30% der Städte keine Regelungen zur Führung, Steuerung und Aufsicht von öffentlichen Unternehmen (Public Corporate Governance, PCG).
PCG-Framework als Grundlage
Für öffentliche Unternehmen, die nicht rein ökonomisch funktionieren können und einer besonderen Legitimation bedürfen, ist die Führung, Steuerung und Aufsicht komplexer als in der Privatwirtschaft. Im Rahmen der Entwicklung von adäquaten Instrumenten wird zur Verbesserung der Übersicht über die Thematik seit Jahren folgende bewährte Darstellung eingesetzt. Sie stellt dabei kein Modell im engeren Sinn dar, sondern ist als Framework zu verstehen, das die Logik der PCG-Instrumente übersichtlich visualisiert.
Die wesentlichen Studien-Erkenntnisse in der Übersicht
In zwei Drittel der Städte sind für die Beteiligungen PCG-Regelungen etabliert worden. Der Anteil in den grössten Städten ist dabei etwas grösser. Unter Regelungen werden dabei auch Exekutiv-Entscheide zur Führung der Beteiligungen, Entscheide zu Eignerstrategien oder auch Leistungsvereinbarungen verstanden. Aber: Ein Drittel der Städte hat noch keine PCG-Regelungen im engeren Sinn.
Der Fokus der Legislative liegt in der Einschätzung der befragten Personen in der Definition der zu erbringenden Leistungen, in Inputs zu Eignerstrategien, im Controlling von Eigner- und Leistungszielen sowie in der Wahl von SFE-Mitgliedern.
In 70% der grössten Städte werden Legislativ-Mitglieder in die SFE eines öffentlichen Unternehmens delegiert. In den mittleren und kleineren Städten beträgt der Anteil 30%.
Über alle Städte hinweg betrachtet sitzen Exekutiv-Mitglieder in knapp 90% der Strategischen Führungsebene (SFE, z.B. Verwaltungsrat) von öffentlichen Unternehmen. Im Vergleich mit der Studie aus dem Jahr 2014 ist der Wert praktisch unverändert.
Als Hauptgrund für den SFE-Einsitz in öffentlichen Unternehmen wird über alle Städtegrössen hinweg der direkte Informationsweg genannt. An zweiter Stelle folgt das Einbringen der politischen Logik.
In der Auffassung der Befragten liegt die Rolle der Exekutive in der Definition der Leistungserbringung, der Wahl der SFE-Mitglieder, der Festlegung der Eignerstrategie sowie im Controlling der Eignerziele und der erbrachten Leistungen.
Der SFE-Einsitz von Mitgliedern der Verwaltung in öffentlichen Unternehmen kommt insbesondere in den grössten Städten vor (70%). In Städten mit weniger als 40‘000 Einwohnern geschieht dies in einem deutlich geringeren Umfang (knapp 20%).
In den grössten und den mittleren Städten sind die Aufgaben für die Führung, Steuerung und Aufsicht auf verschiedene Departemente verteilt, in der Hälfte der kleinsten Städte wird sie in einem Departement vorgenommen.
Die Risiken aus Mehrheitsbeteiligungen bzw. strategisch wichtigen Beteiligungen für die Stadt werden über alle Städte hinweg in knapp 34% regelmässig evaluiert. Erwartungsgemäss ist in den Städten mit mehr als 40'000 Einwohnern der Anteil höher (55%). In den mittleren und kleinen Städten werden Risiken eher bei Bedarf evaluiert. Die Auswertung zeigt auch, dass in über 10% der Städte keine Risikoevaluationen durchgeführt werden.
Die öffentlichen Unternehmen werden in der Regel mit einem strategischen Gremium in der Grösse von vier bis sechs bzw. sieben bis neun Personen geführt. Bei den grössten Städten liegt der Anteil der Unternehmen mit einer SFE-Grösse von mehr als zehn Personen bei 30%. Generell zeigt die Auswertung, dass eine Korrelation zwischen Stadtgrösse und Grösse des Gremiums besteht.
Bei der Suche nach neuen SFE-Mitgliedern werden in den grössten Städten sowie in der Mehrheit der anderen Städte Anforderungsprofile eingesetzt. In einem Drittel der Städte werden SFE-Positionen öffentlich ausgeschrieben.
PCG hat als Thema in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen und die befragten Personen errwarten, dass die Bedeutung weiter zunehmen wird. Ob Exekutivmitglieder in der SFE eines öffentlichen Unternehmens Einsitz nehmen sollen, wird gesamthaft positiv beurteilt (75%). Es fällt auf, dass die Zustimmung jedoch geringer ausfällt als die gelebte Praxis (90%).
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Weiterhin beträchtliches Entwicklungspotenzial
Die Studienerkenntnisse zeigen, dass bei der Umsetzung der Führung, Steuerung und Aufsicht von öffentlichen Unternehmen in den Städten ein «Zwischenstand» erreicht worden ist. Damit die öffentlichen Unternehmen aber «unter Kontrolle» sind, sind weitere Anstrengungen in der Entwicklung und Umsetzung der Public Corporate Governance nötig.
Der Studienbericht mit den wesentlichen Auswertungen und Hinweisen für eine künftige Entwicklung wurde in den letzten Tagen publiziert und steht hier zur Verfügung.
Roger W. Sonderegger, Dr. oec. HSG, berät und begleitet als selbstständiger Unternehmensberater seit Mitte der 1990er-Jahre den Bund, Kantone, zahlreiche Städte und Gemeinden sowie öffentliche Unternehmen in allen relevanten Themen der Führung, Steuerung und Aufsicht. Zu diesen Themen ist er auch als Dozent an Universitäten und Fachhochschulen tätig. Mit der Erforschung der Thematik, der Betätigung in Lehre, Aus- und Weiterbildung sowie der konkreten praktischen Umsetzung gehört er zum Kreis der PCG-Experten.