Frau Landammann im Renntaxi

Noch bei keinem Bergsprint zuvor war das Prominentenaufkommen so gross. Nicht nur, dass mit Peter Sauber, Mario Illien, Rolf Biland, Fredy Ambühl und Fredy Lienhard die Crémes de la Créme der Schweizer Motorsportszene am Start war. Auch aus der Politik kam hoher Besuch, nämlich der regierende Landammann von Appenzell-Ausserrhoden Dölf Biasotto.
Eine Fahrt im Renntaxi als Hochzeitstagsgeschenk
Und da Biasotto an diesem Tag seinen 28. Hochzeitstag feierte, war Gattin Marie-Theres auch dabei. Was dazu führte, dass zwei Grössen des Motorsports spontan den obersten Ausserrhödler mit Gattin einluden, beim zweiten und dritten Lauf am Nachmittag mitzufahren.
Gesagt, getan. Und schon war Marie-Theres Biasotto in einen Rennanzug gesteckt und in den wunderschönen Prototypen-Ferrari 333 SP mit Zwölfzylindermotor und 700 PS verfrachtet. Mit Motosportlegende Fredy Lienhard am Steuer ging es zweimal die Strecke nach Lachen hoch.
Breites Grinsen im Gesicht
Respekt, Respekt, die Landamann-Gattin hatte bei ihrer Rückfahrt zum Zielgelände keineswegs eine graue Gesichtsfarbe, sondern ein breites Grinsen im Gesicht. Wie es ihrem Gatten Dölf Biasotto im Citroen Traction Avant 118, Bj. 1955, mit Motorenpapst Mario Illien am Steuer ergangen ist, ist nicht überliefert. Aber Herr Illien ist ja ein höflicher Mensch, er wird entsprechend vorsichtig zu Werke gegangen sein.
Einige Stunden zuvor hatte Landamman Dölf Biasotto in seiner Begrüssungsrede erzählt, dass er zum allerersten Mal an einem solchen Motorsportevent zu Gast sei. Und er war sichtlich begeistert: «Die Atmosphäre hier ist der absolute Hammer, eine solche Veranstaltung gehört auch zur schützenswerten Kultur!»
Entwicklungen in der Technologie
Wer den Enthusiasmus, das innere Feuer und die Energie sehe, mit der hier Motorsport betrieben wird, hat keine Zweifel daran, dass solche Veranstaltungen oder der Sport an sich auch Entwicklungen in der Technologie bringen, die allen zugutekommen. «Ich bin der klaren Ansicht, wir müssten breit bleiben, also künftige auch Fahrzeuge für E-Fuels zulassen und nicht ausschliesslich auf Elektro setzen.»
Die kurze Fragerunde, die Medienchef Victor Rohner beim Begrüssungstreffen im VIP-Zelt machte, brachte überraschende Informationen. Etwa jene, dass Motorenpapst Mario Illien, der seit seinem Ausscheiden aus dem Formel 1 Umfeld, nicht mehr so präsent in unseren Medien ist, weiterhin als Motorenbauer und -entwickler 237 Mitarbeiter beschäftigt. Er führt das Motorenprogramm für Honda in der Indy-Car-Serie durch.
Interessant auch die Gespräche, die die Besucher im für alle zugänglichen Fahrerlager führen konnten. Wann kann man schon mit dem früheren «Bergkönig» Fredy Amweg frei von der Leber weg über Gott und die Welt, konzentriert auf den Rennsport, sprechen?
15-facher Schweizer Meister
Amweg ist 15-facher (!) Schweizer Meister bei den Bergrennen. Seine erste Meisterschaft gewann er schon 1973 auf einem Brabham BT 30. Seine jüngste Meisterschaft datiert aus 1998 auf einem Lola T94/95. «Inzwischen fahre ich nicht mehr gegen die Zeit, sondern nur noch bei Anlässen wie dem Bergsprint Walzenhausen. Ich will diese Veranstaltungen einfach nur geniessen.»
Was den Altmeister Fredy Amweg, der ja auch Rundstreckenrennen in Monoposti auf den meisten Rundstrecken Europas, wie auch auf der Nordschleife des Nürburgrings, bestritten hat, besonders auszeichnet: «Ich habe mein ganzes Leben im Motorsport Glück gehabt. Denn in insgesamt mehr als fünfhundert Rennen habe ich keinen einzigen Unfall gehabt.»
Ein letztes Mal im Renntempo
Welchen Stellenwert der Bergsprint Walzenhausen in der Rennszene hat, beweist auch die Tatsache, dass der grosse Peter Sauber hier an diesem Wochenende seine eigene Rennkarriere beendet. Seine Fahrten im ersten von ihm selbst gebauten Auto, dem Sauber C1 sind seine Abschiedsfahrten. Wer also den legendären Rennstallchef noch ein letztes Mal im Renntempo erleben will, muss morgen Sonntag nach Walzenhausen pilgern.
Dass die Faszination für den Rennsport trotz Energiekrise, Gaskrise und sonstigen Krisen ungebrochen ist, war wieder einmal am Zuschaueraufmarsch zu sehen. Schon am Samstag dürften sich trotz des eher nassen und wechselhaften Wetters über zweitausend Auto- und Motorradfans auf den Berg zwischen Walzenhausen und Lachen gemacht haben.
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Positive und schöne Eindrücke
Und wer die Leute beobachtet hat, der hat gesehen, dass da wohl kaum einer darunter war, der nicht positive und schöne Eindrücke für viele Tage mit nach Hause genommen hat. Was beim Motorsport sowieso bei allen Veranstaltungen zu beobachten ist: die Fans sind absolut friedlich. Lauter fröhliche und zufriedene Menschen und keine Betrunkenen.
Die Zuschauer haben ein zufriedendes Glimmen in den Augen, wenn die wertvollen Motorräder und Rennautos den Berg hinauf jagen. Sprotzend, kreischend, bollernd oder mit Fehlzündungen, dass man vermeint, das Eidgenössische Schiessen hätte sich im Datum geirrt.
Dominic Schmitter nimmt Abschied
Neben den Abschiedsfahrten gibt es noch einen Grund, zum zweiten Tag des Bergsprints nach Walzenhausen zu kommen: Am Sonntagnachmittag nimmt Dominic Schmitter endgültig Abschied von seiner glänzenden Karriere als Superbike-Crack. Mit Fahrten auf der hoffentlich trockenen Strecke und Wheelies, die er in den Asphalt brennen wird.