«Zölle sind ein schlechtes Instrument für die Industrie»

Text: pd/red
Organisiert von der Industrie- und Handelskammer (IHK) St.Gallen-Appenzell, der IHK Thurgau, dem St.Gallen Symposium sowie der Universität St.Gallen, brachte der Anlass Entscheidungsträgerinnen und -träger aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft mit jungen Talenten aus der Region sowie Studenten der Universität St.Gallen in einen generationenübergreifenden Dialog. «Die Schweiz kann sich durch strategische Offenheit, geschickter Diplomatie und wirtschaftliche Innovationskraft als stabiler und verlässlicher Akteur in einer unsicheren Welt positionieren», sagte Jérôme Müggler, Direktor der IHK Thurgau, zu Beginn des Symposiums.
«Offene Aussenwirtschaftspolitik ist zentral»
Botschafter Thomas A. Zimmermann, Mitglied der Geschäftsleitung des SECO, betonte die Bedeutung des internationalen Marktzugangs für die Schweizer Unternehmen. Der Welthandelsorganisation (WTO) komme dabei nach wie vor eine herausragende Bedeutung zu. «Rund drei Viertel des Welthandels werden noch immer nach den Regeln der WTO abgewickelt.» Gleichzeitig gelte es für die stark handelsabhängige Schweiz, ihr bereits dichtes Netz an Freihandels- und anderen Wirtschaftsabkommen weiterzuentwickeln.
«Die Frage ist nicht, ob wir als Schweiz international vernetzt sein wollen, sondern wie wir diese Vernetzung im aktuellen Kontext sichern und weiterentwickeln können», so Zimmermann. Protektionistischen Massnahmen erteilte er derweil eine klare Absage: «Zölle sind ein schlechtes aussenwirtschaftliches Instrument für die Schweizer Industrie.» Auch eine vertikale Industriepolitik, also branchenspezifische staatliche Unterstützungen, seien abzulehnen. Der Staat müsse stattdessen dafür sorgen, dass Unternehmen aller Sektoren Rechtssicherheit haben und sich flexibel dem sich rasch ändernden internationalen Umfeld anpassen können.
In diesem Sinne finde derzeit auch ein intensiver und konstruktiver Austausch mit den USA auf allen Stufen statt, um auf eine möglichst rasche Beseitigung der US-Zusatzzölle hinzuwirken.
Die Weltwirtschaft wandelt sich
Professor Reto Föllmi von der Universität St.Gallen analysierte in seinem Beitrag die Entwicklungen der weltweiten Handelsströme sowie deren Treiber. «Die USA ist nicht mehr die unangefochtene Nr. 1 in der Weltwirtschaft», so Föllmi. Chinas Bedeutungsgewinn im internationalen Handel schlage sich in den Handelsbilanzen vieler Länder nieder. Die Zollankündigungen Trumps deuten darauf hin, dass die bisherige regelbasierte Ordnung zumindest teilweise einer macht- und verhandlungsbasierten Ordnung weichen würde. «Die damit verbundene Unsicherheit zeigt Wirkung: die WTO schätzt den weltweiten Handel um 3 Prozent geringer ein als vor dem Amtsantritt von Trump», so Föllmi.
Podium fordert verlässliche Rahmenbedingungen
In einer anschliessenden Podiumsdiskussion diskutierten Nora Teuwsen (ABB Schweiz AG), Manuel Inauen (KUK Group), Thomas Schweizer (Pureon Group) und Botschafter Zimmermann mit Moderator Stefan Schmid (St.Galler Tagblatt) die Auswirkungen und Chancen für die Unternehmen hierzulande. Die ABB erwirtschaftet einen Drittel des Umsatzes in den USA. Trotzdem mahnte Teuwsen angesichts der aktuellen handelspolitischen Turbulenzen, als Unternehmen nicht in Aktionismus zu verfallen. «Es braucht eine Balance zwischen langfristig orientierter Strategie einerseits und Agilität andererseits.»
Schweizer betonte die Bedeutung der Personenfreizügigkeit mit der EU: «Wir können nur mit qualifiziertem Personal international erfolgreich sein. Dafür müssen wir über die Grenze rekrutieren können.» Auch Inauen hob die Bedeutung der bilateralen Beziehungen mit der EU für sein Unternehmen hervor, zeigte sich aber gleichzeitig überzeugt: «Europa darf den Pragmatismus nicht verlieren.» Ergänzt wurde das Podium durch drei Impulsreferate von Studierenden, die für das diesjährige St.Gallen Symposium verschiedene Länder der Welt bereist haben und nun von ihren Erfahrungen berichteten.
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Wohlstand als generationenübergreifende Herausforderung
Markus Bänziger, Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell, betonte in seinem Fazit: «Das Wohlstandsniveau in der Schweiz ist hoch und vergleichsweise breit verteilt. Dieser Wohlstand gründet wesentlich auf dem bisherigen Erfolgspfad der Schweizer Wirtschaft, die ihrerseits stark vom Aussenhandel abhängig ist.»
Für Bänziger steht fest, die Wetterlage im internationalen Handel werde rauer. Und dennoch sei die Ostschweizer Wirtschaft auf Freihandel und barrierefreie Marktzugänge angewiesen. Innen- wie auch aussenpolitisch müsse sich die Schweiz daran orientieren.