Ostschweiz

US-Zölle: 9 von 10 Ostschweizer Unternehmen erwarten negative Auswirkungen

US-Zölle: 9 von 10 Ostschweizer Unternehmen erwarten negative Auswirkungen
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Die handelspolitischen Turbulenzen der vergangenen Wochen treffen die Ostschweizer Wirtschaft stark – direkt wie auch indirekt. In der Folge rechnen die Unternehmen mit einem Nachfragerückgang. Über 90 Prozent der Unternehmen erwarten negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung hierzulande. Das zeigt eine gemeinsame Umfrage der IHK St.Gallen-Appenzell und der IHK Thurgau, an der knapp 300 Ostschweizer Unternehmen mitwirkten.

Text: PD/stz.

US-Präsident Donald Trump sorgte am 2. April mit seinen Zollankündigungen für ein handelspolitisches Erdbeben. Zwar folgte bereits eine Woche später ein Teilrückzieher: Die Zölle wurden mit Ausnahme von China für sämtliche Länder für die Dauer einer 90-tägigen Übergangsfrist reduziert.

Das durchschnittliche US-Zollniveau bleibt jedoch so hoch wie seit den 1930er-Jahren nicht mehr. Die erratische Handelspolitik sorgt zudem für eine erhöhte Unsicherheit an den Märkten. Nun zeigt eine Umfrage der Industrie- und Handelskammern St.Gallen-Appenzell und Thurgau konkrete Auswirkungen für die Ostschweizer Wirtschaft.

Herausforderungen überwiegen deutlich

Die Zölle treffen einerseits die Direktexporte in die USA. Ostschweizer Unternehmen exportierten im vergangenen Jahr Waren im Wert von rund 2,36 Milliarden Franken in die USA. Dies entspricht rund einem Siebtel aller Ostschweizer Ausfuhren. Die Vereinigten Staaten sind damit nach Deutschland zweitwichtigstes Exportzielland.

Erhöhte Unsicherheit

Die indirekten Auswirkungen der handelspolitischen Turbulenzen gehen aber deutlich weiter. Zwei Drittel der befragten Unternehmen berichten von erhöhten Unsicherheiten. Das führt dazu, dass Unternehmen Investitionen aufschieben. Die Ostschweizer Exportindustrie, die stark auf Investitionsgüter wie beispielsweise hochtechnologische Maschinen ausgerichtet ist, spürt diese Zurückhaltung besonders.

Dies hat wiederum negative Auswirkungen auf Zulieferbetriebe und Dienstleister. In der Folge erwartet jedes dritte befragte Unternehmen einen Nachfragerückgang innerhalb der Schweiz. Knapp jedes dritte Unternehmen rechnet zudem mit Lieferkettenproblemen und erhöhtem administrativem Aufwand. Als weitere, nicht abgefragte Herausforderung erweist sich die starke Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem US-Dollar, wodurch sich Schweizer Produkte für US-Kunden zusätzlich verteuern.

Optimismus fällt derweil schwer. Weniger als ein Fünftel der Unternehmen sieht Chancen für eine stärkere Diversifikation der eigenen Exportmärkte, für eine Reduktion der Abhängigkeiten oder für einen Innovationsschub im eigenen Unternehmen. Die Hälfte der Unternehmen kann der aktuellen Situation überhaupt nichts Positives abgewinnen. Insgesamt erwarten neun von zehn Ostschweizer Unternehmen negative Auswirkungen auf das hiesige Wirtschaftswachstum.

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Exporteure erhöhen Preise

Jene Unternehmen, die direkt in die USA exportieren, reagieren vorwiegend mit Preisanpassungen für US-Kunden sowie mit intensiven Kundengesprächen. Die Hälfte der Unternehmen hat keine Sofortmassnahmen ergriffen und analysiert die Situation laufend. Einige Exporteure prüfen gar einen Rückzug aus dem US-Markt beziehungsweise eine (Teil-)Verlagerung der Produktion in andere Länder.

Demgegenüber erwägt jedes sechzehnte Unternehmen eine stärkere Präsenz oder eine Produktionsausweitung im US-Markt. Die Massnahmen mit negativen Effekten für US-Konsumenten überwiegen jene im Sinne der US-Zollpolitik insgesamt deutlich. Die US-Zölle verfehlen damit im Falle der Ostschweiz ihre Ziele und rufen gar adverse Effekte hervor.

Weitere Entwicklung ungewiss

Nach der erwarteten Entwicklung gefragt, zeigt sich ein uneinheitliches Bild. Vier von zehn Unternehmen erwarten eine Aufhebung oder Senkung der Zölle. Jeder fünfte Betrieb geht davon aus, dass die Zölle in der aktuellen Höhe über die Übergangsfrist hinaus Bestand haben werden.

18 Prozent erwarten eine Erhöhung der Zölle, für weitere 21 Prozent ist die Entwicklung völlig ungewiss. Jene Unternehmen, die direkt in die USA exportieren, sind tendenziell etwas weniger zuversichtlich hinsichtlich möglicher Zollsenkungen.

Marktzugänge: Jetzt erst recht

Anlass zu gewissem Optimismus gibt der Austausch von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter und Bundesrat Guy Parmelin mit dem US-amerikanischen Finanzminister Scott Bessent von vergangener Woche. Die Gespräche seien konstruktiv verlaufen, die Schweiz zähle zu fünfzehn priorisierten Gesprächspartnern. Dies ist umso erfreulicher, als 86 Prozent der befragten Ostschweizer Unternehmen Hoffnungen in die Diplomatie setzen. Für Gegenmassnahmen sprechen sich demgegenüber nur 9 Prozent der Unternehmen aus.

Gleichzeitig zeigt sich die grosse Mehrheit überzeugt, dass bestehende Marktzugangsabkommen – u. a. die bilateralen Beziehungen mit der EU – gestärkt und neue Märkte erschlossen werden sollen. Auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen rücken verstärkt in den Vordergrund. Eine Ausweitung der Kurzarbeit erachtet jedes sechste Unternehmen als angebracht, wobei der Bundesrat diese in der Zwischenzeit beschlossen hat.

Nur gerade 0,7 Prozent der befragten Betriebe sprechen sich dafür aus, keinerlei Massnahmen auf wirtschaftspolitischer oder diplomatischer Ebene zu ergreifen. Damit zeigt sich deutlich: Die Ostschweizer Wirtschaft erwartet von Bundesrat und Seco einen klaren Einsatz für möglichst hindernisfreie Marktzugänge. Davon profitiert nicht nur die Exportwirtschaft, sondern die Wirtschaft als Ganzes.

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