«Wir sind nicht Nordkorea»

Text: stz.
Roland Rino Büchel, im «Corriere del Ticino» ist ein ganzseitiges Interview mit Ihnen erschienen. Der Journalist hat interessante Antworten aus Ihnen herausgekitzelt. Waren Sie als ehemaliger Junior des FC Montlingen tatsächlich einmal Torschützenkönig in Venedig?
Das war keine spezielle Leistung (lacht). Ich arbeitete im Jahr 1989 auf dem Schweizer Konsulat und spielte hobbymässig in einer Firmenmeisterschaft mit. Wir hatten ein starkes Team. Sogar drei ehemalige Profis aus der italienischen Serie A waren dabei. Es war keine grosse Kunst für den kleinen «Svizzero», deren millimetergenaue Vorlagen dann und wann zu verwerten.
Im Interview wurden auch Ihre früheren Tätigkeiten beim Swiss Ski und im internationalen Fussball thematisiert. Gemäss Medienberichten will die FIFA Teile ihrer Aktivitäten ins Ausland verlagern. Zieht die FIFA mit ihrem Schweizer Präsidenten Gianni Infantino gar ganz aus Zürich weg?
Dass der Weltverband der global bedeutendsten Sportart in verschiedenen Teilen der Welt präsent ist, macht Sinn. Wichtig ist, dass der Hauptsitz bei uns bleibt. Bei einigen hiesigen Kritikern komme ich nicht draus: Einerseits wünschen sie die FIFA ins Pfefferland, anderseits heulen sie auf wie ein Rudel Wölfe, wenn der Verband ein paar Aktivitäten ins Ausland verlagert.
Wäre es nicht langsam an der Zeit, dass sich der ehemalige FIFA-Präsident Sepp Blatter und sein Nachfolger Gianni Infantino, beides Walliser, zusammenraufen und aufhören, sich wie zwei Walliser Eringerkühe zu bekämpfen?
Das müssen die beiden Männer entscheiden. Ich persönlich würde mir wünschen, dass sie einen Schritt aufeinander zugehen würden und, wo möglich, alte Geschichten ruhen liessen. Dafür müsste man sie an einen Tisch bringen.
Ist das möglich?
Mein Vater war ab den Sechzigerjahren einer der ersten Toyota-Händler der Schweiz. Die Garage wird immer noch von unserer Familie geführt.
Was hat das mit Blatter und Infantino zu tun?
Erinnern Sie sich an den kultigen Werbespruch aus den Neunzigerjahren? Er lautete: «Nichts ist unmöglich, Toyoooota!»
Der Inhalt von Werbesprüchen und die Härten des realen Lebens sind nicht immer deckungsgleich.
Da haben Sie recht. Um hier etwas zu erreichen, bräuchte es starke Vermittler. Ich traue das in der Schweiz fünf Personen zu, eventuell sechs.
Welchen?
Sportministerin Viola Amherd ist aus Brig – und Juristin wie FIFA-Präsident Gianni Infantino. Brig liegt ganz in der Nähe von Visp. Sepp Blatter ist von dort. Einiges würde für sie sprechen. Der nächste Name mag Sie überraschen: Bundespräsident Alain Berset: Er weiss aus eigener Erfahrung, wie man aus den grössten Bredouillen herauskommen kann.
Wer ist noch geeignet?
Weil es den beiden Politikern eventuell am Mut fehlt, denke ich an andere gewichtige Persönlichkeiten, allesamt erfolgreiche, ehemals ranghohe Politiker: Ex-SVP-Präsident und Ex-Nationalrat Toni Brunner. Als bedeutender Züchter von Eringer-Kühen hat er Erfahrung mit kämpferischen Walliserinnen. Ich traue es ihm zu, auch zerstrittene Walliser Männer zu besänftigen. Alt Bundesrat Ueli Maurer und alt Bundesrat Christoph Blocher könnten das auch. Oder warum nicht Nationalrat Roger Köppel?
Weshalb er?
Der Weltwoche-Chef ist ein mutiger Mann mit unkonventionellen Ideen. Er schafft es immer wieder, eine andere Sicht einzubringen und Menschen zum Denken anzuregen. Dank seiner Rheintaler Wurzeln hat er einen «harten Schädel». So einer kann auch mit «Dickschädeln» aus anderen Regionen umgehen.
Und warum nicht an anderer Walliser, nämlich Christian Constantin, der umtriebige Präsident des FC Sion?
Zuerst hoffe ich, dass der FC St.Gallen von Präsident Matthias Hüppi am Samstag im altehrwürdigen Sittener Stade de Tourbillon gewinnt. Ob der quirlige Constantin sich genügend zurücknehmen könnte, um in einem festgefahrenen Konflikt zu vermitteln? Eher nicht. Dass er von den Herren Blatter und Infantino akzeptiert würde, bezweifle ich.
Im nächsten Monat gibt es nicht nur Wahlen für den St.Galler Ständerat, sondern auch für das FIFA-Präsidium. Wird es auch dort spannend?
Sicher ist: Es wird nicht vier Kandidaturen von Frauen geben wie in St.Gallen. Gianni Infantino ist der einzige Kandidat. Möglicherweise wird der eine oder andere Kontinentalverband noch für Unruhe sorgen, etwa die europäische UEFA oder deren ehemaliger Präsident, Michel Platini. Das wird keinen grossen Einfluss auf den Ausgang der FIFA-Wahlen haben.
Die St.Galler Stimmbürger wählen ein paar Tage vor Beginn des FIFA-Kongresses in Ruanda. Am 12. März geht es in den ersten Gang bei dieser St.Galler «Frauenwahl».
Hier wird es zwei Wahlgänge benötigen. Es war noch selten so wichtig, im ersten Wahlgang sehr gut abzuschneiden, wie dieses Mal.
Eine Umfrage führt Esther Friedli klar vor Susanne Vincenz, also die beiden bürgerlichen Frauen an der Spitze. Dann folgen Franziska Ryser und Barbara Gysi. Ihr Tipp?
Hier bestätigt sich die Dominanz von Esther Friedli, was ich in einem Interview mit stgallen24 schon am 11. November 2022 sagte – und es mir kein Experte glauben wollte. Nun sage ich, wieder gegen die Prognosen: Zweite wird Franziska Ryser von den Grünen. Rang drei geht an Susanne Vincenz. SP-Frau Barbara Gysi wird das Schlusslicht bilden.
Das Tagblatt schlägt vor, dass sich die drei anderen Frauen auf den zweiten Wahlgang hin gegen Esther Friedli verbünden sollten, um die Toggenburgerin am Wahlsieg zu hindern. Sie kennen die drei Frauen seit Jahren. Ist eine solche Allianz möglich?
Nein. Dass sich die Linken für den zweiten Wahlgang zusammentun, ist nachvollziehbar und offenbar zwischen den Parteien und mit Barbara Gysi und Franziska Ryser bereits so abgesprochen. Aber eine breite Allianz der Wähler gegen Esther Friedli? Dazu wird es im bürgerlichen Kanton St.Gallen nicht kommen.
Ab dem kommenden Montag geht es auf eidgenössischer Ebene vorerst nicht um Wahlkampf, sondern um handfeste Politik.
Das werden drei prägende Wochen. Mehr als einmal geht es um die Frage: Wollen wir eine Schweiz mit Menschen, die eigenverantwortlich handeln, oder wollen wir eine Gesellschaft, in welcher sich die Leute dem Staat an die Brust werfen?
Im erwähnten Interview im Corriere del Ticino wurde auch die Juni-Abstimmung thematisiert. Die SVP bezeichnet die Vorlage in typischer Abstimmungskampfmanier als «Stromfressergesetz».
Das ist eine wichtige Abstimmung gegen den Verbots- und Umverteilungsstaat. Ich bin froh, dass der schweizerische Hauseigentümerverband klar gegen das Gesetz ist.
Sie sollen sich im Vorstand massiv für ein Nein eingesetzt haben.
Der HEV-Vorstand hat eine klare Nein-Parole beschlossen. Je intensiver sich die verschiedenen Sektionen mit dem Referendum auseinandersetzen, desto mehr von ihnen werden zum Schluss kommen, dass man zu diesem Gesetz nicht Ja sagen kann.
Sie waren in den vergangenen Tagen wegen eines anderen Themas in den nationalen Medien präsent, nämlich dem Sammeln von biometrischen Daten in den Bahnhöfen.
Diese Aufdeckung war eine journalistische Meisterleistung des Chefredaktors vom K-Tipp, Marc Meschenmoser, einem gebürtigen Rheintaler.
Die Geschichte war aber nicht nur im «K-Tipp». Sie wurde vom Blick, vom Tagesanzeiger und von der SRF-Tagesschau aufgenommen …
… und zweimal ganz gross in der Tagesschau der Romandie und in verschiedenen Radios in der ganzen Schweiz.
Sie sagten im Blick wortwörtlich: «Wir sind nicht Nordkorea! Es darf nicht sein, dass sich Menschen bei uns ständig verfolgt fühlen müssen. Hier hat Verkehrsminister Albert Rösti eine wichtige Aufgabe vor sich.»
So ist es. Ich habe Teile des Ausschreibungskatalogs gesehen. Da stehen einem die Haare zu Berge. Es gilt, diesen Überwachungsaktivismus der SBB zu stoppen. Ich werde dem Bundesrat dazu in der nächsten Woche sehr kritische Fragen stellen.
Vorher sind Sie heute Abend noch in der SRF-Arena. Worum geht es und wer sind Ihre Gegner?
Themen sind der Krieg in der Ukraine und die Neutralität der Schweiz. Meine Widersacher? Die Fraktionschefin der Grünen, Aline Trede. Der Fraktionschef der SP, Roger Nordmann. Und die ehemalige Nationalratspräsidentin Christa Markwalder von der FDP.