Thurgau

Wie gut sind die Thurgauer Elektrizitätsnetze für künftige Herausforderungen gerüstet?

Wie gut sind die Thurgauer Elektrizitätsnetze für künftige Herausforderungen gerüstet?
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Den damit verbundenen Fragen geht eine gemeinsame Studie der Abteilung Energie des Kantons Thurgau, der EKT AG, der IHK Thurgau und des Verbands Thurgauischer Energieversorgungen nach. Die Resultate zeigen, dass eine vorausschauende Netzplanung und die Zustandsüberwachung der Netze zentral sind.

Am 21. Mai 2017 haben die Stimmbürger der Schweiz der Energiestrategie 2050 (Bundesenergiegesetz) zugestimmt und damit beschlossen, den Energieverbrauch zu senken, die Energieeffizienz zu erhöhen und die erneuerbaren Energien zu fördern. Zudem wurde der Bau neuer Kernkraftwerke verboten.

Diese Neuausrichtung der Stromversorgung beeinflusst auch das elektrische Versorgungsnetz auf den Netzebenen 6 und 7, also die Ortsnetze bis zu den Endkunden im Thurgau. Sie werden zum Einspeisepunkt von Energie aus erneuerbaren Quellen.

Zudem werden fossile Energieträger zunehmend durch Elektrizität ersetzt (z.B. Elektromobilität, Wärmepumpen). Die Stromversorgungsnetze sind daher auf die zusätzlichen Verbraucher auszurichten, um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können.

Informationsveranstaltung zur Studie

Eine hohe Versorgungssicherheit mit elektrischer Energie ist wesentlich für die Wirtschaft und die Bevölkerung. 2021 wurde durch die IHK, den Verband Thurgauischer Energieversorgungen VTE, die Abteilung Energie Thurgau und die EKT eine Studie durchgeführt, welche ausgewählte Niederspannungsnetze im Kanton im Hinblick auf deren Leistungsfähigkeit untersuchte.

Am 7. Juni 2022 luden die vier Organisationen betroffene Kreise aus Energieversorgung, Wirtschaft und Politik zur Informationsveranstaltung ein. Nach der Präsentation der Studienresultate durch Michael Bösch (EKT AG) wurden diese in der Podiumsdiskussion mit Martin Simioni (EKT AG), Roger Sonderegger (VTE), Andrea Paoli (Abteilung Energie Kanton Thurgau) und Dennis Reichardt (Die Klimamacher) thematisiert.

Energieperspektiven 2050+ des BFE

Auf der Grundlage von Messungen wurden für die Studie Simulationen an Netzmodellen durchgeführt. Die Modelle wurden anhand der Szenarien «Energieperspektiven 2050+» des Bundesamtes für Energie (BFE) entwickelt.

Das verwendete Szenario «ZERO Basis» geht im Zeitraum der nächsten fünf bis zehn Jahre von einer schweizweit steigenden Energieproduktionsmenge im Photovoltaikbereich von 5 bis 15 TWh aus. Gleichzeitig wäre mit einem Anstieg des Verbrauchs im Mobilitätsbereich von 4 bis 8 TWh zu rechnen.

Die Elektrizitätsbranche geht von einer stärkeren Zunahme des Elektrizitätsverbrauchs aus. Deshalb muss regelmässig überprüft werden, ob der reale Stromverbrauch den Prognosen des BFE entspricht. Werden Abweichungen festgestellt, muss die vorliegende Studie aktualisiert werden, da dann Überlastsituationen in einzelnen Netzteilen früher oder später eintreten können.

  

Langzeitmessungen und Power Quality

Um Abweichungen von der Versorgungsqualität frühzeitig feststellen zu können, bauen die Versorgungspartner ein Netzwerk zur Überwachung der «Power-Quality» auf. Solche kontinuierlichen Messungen in den Netzen (Monitoring) werden in Zukunft immer wichtiger.

Dies unterstrich Michael Bösch, Leiter Engineering EKT AG, im Rahmen seiner Studienpräsentation: «Die Messdatenerfassung erachten wir als sehr zentral. Hier sehen wir einen Bedarf zur Nachjustierung.»

Belastung der Niederspannungsnetze bis 2050

Die durchgeführten Simulationen zeigen, dass im Rahmen der nach den Energieperspektiven 2050+ simulierten Szenarien in den nächsten fünf bis zehn Jahren keine flächendeckenden Schwierigkeiten in den Netzen zu erwarten sind.

Regional sind jedoch unterschiedliche Entwicklungen möglich. Punktuell sind bereits jetzt einige Schwachstellen bei der Dimensionierung von Netzelementen erkennbar. Diese können aber im Zuge der üblichen Instandhaltung und geplanten Ersatzinvestitionsvorhaben behoben werden.

Einhaltung der Netzspannung wird komplexer

Die Spannungshaltung im Netz wird eine komplexere Aufgabe werden. Sie kann zunehmend nicht mehr durch die Spannungsregelung ab den EKT-Unterwerken allein bewerkstelligt werden.

Die Verteilnetzbetreiber werden vermehrt Möglichkeiten benötigen, in das Netz eingreifen zu können (zum Beispiel durch aktive Verbrauchersteuerung). Eine Folge davon wird sein, dass sich die Kunden zunehmend mit dem Thema Energienutzung auseinandersetzen müssen.

Zunehmend wirtschaftlich interessanter wird zudem der Einsatz von Batteriespeichern, wenngleich diese von den Verteilnetzbetreibern noch wenig genutzt werden.

Zusammenarbeit aller Ebenen gefragt

Die wachsende Komplexität in der Bewirtschaftung der Elektrizitätsnetze fand auch in der Podiumsdiskussion ihren Platz. Unter den Diskussionsteilnehmern herrschte Einigkeit darüber, dass daher eine Verstärkung der Zusammenarbeit aller Ebenen notwendig wird.

«Haben wir die Netzstabilität in den kommenden 30 Jahren im Griff?» fragte Moderator und IHK-Direktor Jérôme Müggler zum Schluss in die Runde. Die Antworten waren zwar alle von Zuversicht geprägt, jedoch auch mit wichtigen Aufgaben für die nahe Zukunft verbunden.

«Es führt nichts an einer guten Netzplanung vorbei.» erinnerte Roger Sonderegger die Anwesenden. Martin Simioni hingegen teilte mit, dass sich die EKT AG in den kommenden Jahren stark in der Ausbildung von Fachpersonen engagieren wird.

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Basierend auf den Studienresultaten haben die vier Initianten die folgenden Handlungsempfehlungen für die Netzbetreiber im Thurgau formuliert:

▪ Messung und Überwachung des Verbrauchs und der Versorgungsqualität bei den Endverbrauchern (Netzebene 7)
▪ Kennen des Belastungszustandes; dauerhafte Messungen einsetzen; zusätzliche Nutzung von Smart-Meter-Daten
▪ Kennen der kritischen Netzelemente und rechtzeitige Forcierung der Netzverstärkung (Netzzustandsanalyse) > Instandhaltungsplanung/Ausbauplanung
▪ sorgfältige Prüfung von Anschlussbedingungen und deren Einhaltung
▪ mittelfristige Ausbauplanung unter Zuhilfenahme der gängigen Szenarien (BFE)
▪ Modellieren des Netzes in einer geeigneten Simulationssoftware
▪ Strategie zur Steuerung von Flexibilitäten (Ladestationen, Wärmepumpen, Photovoltaik-Anlagen) und zur Ablösung der Rundsteuerungen
▪ Optimierung der Tarifsysteme im Hinblick auf Lastspitzen

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