Thurgau

Stadler Rail mit höchstem Auftragsbestand, aber auch Gewinneinbruch

Stadler Rail mit höchstem Auftragsbestand, aber auch Gewinneinbruch
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Stadler Bussnang hat 2022 zwar so viele Aufträge gewonnen wie noch nie, der Gewinn wurde aber von der Frankenstärke aufgefressen: Unter dem Strich sank der Reingewinn um 44 Prozent auf 75.1 Millionen Franken.

Text: pd

«2022 war in vielerlei Hinsicht ein aussergewöhnlich herausforderndes Jahr – geprägt von einer Kombination aus Inflation, Energie- und Rohstoffpreissteigerungen, Lieferkettenproblemen, Währungsverwerfungen und geopolitischen Spannungen aber auch von erfreulichen Rekorden und zahlreichen Erfolgen. Unter diesen anspruchsvollen Bedingungen haben wir einmal mehr mit einer ausgezeichneten operativen Leistung die Stärke und Widerstandsfähigkeit unseres Geschäftsmodells unter Beweis gestellt. Dank der erfolgreichen Weiterentwicklung unseres Portfolios haben wir Rekordwerte bei Umsatz und Auftragseingang erzielt», kommentiert Peter Spuhler, exekutiver Verwaltungsratspräsident das abgelaufene Geschäftsjahr.

Im Jubiläumsjahr konnte Stadler den höchsten Auftragseingang in der Firmengeschichte verbuchen. Mit CHF 8.6 Mia. liegt der Auftragseingang damit nochmals deutlich über dem bisherigen Rekordwert von CHF 5.6 Mia. aus dem Jahr 2021. Neben zahlreichen Erfolgen bei kleineren Ausschreibungen ist der starke Anstieg insbesondere auf einzelne grosse Aufträge mit Auslieferungszeiten von über zehn Jahren zurückzuführen.

Der Auftragsbestand steigt dadurch erneut auf ein Rekordhoch von CHF 22.0 Mia. (31. Dezember 2021: CHF 17.9 Mia.). Im Auftragseingang sowie Auftragsbestand sind keine Aufträge für Fahrzeuge oder Dienstleistungen aus Rahmenverträgen enthalten, welche noch nicht vom Kunden bindend abgerufen wurden. Ebenfalls nicht im Auftragseingang und Auftragsbestand 2022 enthalten ist der Auftrag für die Kasachische Eisenbahn (KTZ).

Gegenüber der Vorjahresperiode konnte der Umsatz um 3 Prozent auf CHF 3.8 Mia. gesteigert werden. Insbesondere aufgrund von Währungseffekten liegt der Umsatz jedoch am unteren Ende der ursprünglichen Prognose.

  
Stadler-VRP Peter Spuhler
Stadler-VRP Peter Spuhler

Gewinn schrumpft von 134.5 auf 75.1 Millionen

Negative Währungseffekte von über CHF 60 Mio. aufgrund der starken Aufwertung des Schweizer Frankens seit Jahresbeginn, insbesondere gegenüber dem Euro, haben das Ergebnis erheblich beeinträchtigt. Die Währungseffekte stammen hauptsächlich aus Aufträgen, die in der Schweiz abgewickelt und in Fremdwährungen verrechnet werden.

Generell werden Fremdwährungsrisiken soweit möglich durch «Natural Hedging» minimiert und durch finanzielles Hedging ergänzt. In der Phase zwischen Angebotsabgabe und finaler Vertragsunterschrift, welche teilweise mehrere Jahre dauern kann, lassen sich die entsprechenden Währungsrisiken nicht in vollem Umfang absichern. Zusätzlich können aufgrund der langen Laufzeiten der Aufträge von mehreren Jahren, die Währungsrisiken nicht vollständig über die gesamte Abwicklungsdauer abgesichert werden.

Um eine fristgerechte Auslieferung der Fahrzeuge sicherzustellen, hat Stadler im vergangenen Jahr die Anstrengungen, die Produktionsabläufe weiter zu optimieren, intensiviert. Die dafür zusätzlich anfallenden Kosten wirkten sich ebenfalls negativ auf das operative Ergebnis aus.

Trotz dieser Belastungen wird ein EBIT von CHF 205.1 Mio. (2021: CHF 223.7 Mio.) bei einer EBIT-Marge von 5.5 Prozent erreicht (2021: 6.2 Prozent) und befindet sich damit im Rahmen der Erwartungen.

Ein positiver Einmaleffekt von CHF 21.3 Mio. im ersten Halbjahr 2022 war im Zusammenhang mit der zum Jahresende 2021 kommunizierten Akquisition der BBR zu verzeichnen. Mit den Akquisitionen von BBR und der Bär Bahnsicherung AG baute Stadler in den letzten zwölf Monaten die Kompetenzen in der Signaltechnik konsequent weiter aus. Beide Unternehmen wurden in die neue Division Signalling integriert.

Auf Stufe Konzernergebnis verbuchte Stadler im vergangenen Geschäftsjahr einen Gewinn von CHF 75.1 Mio. gegenüber CHF 134.5 Mio. in der Vorjahresperiode. Belastet wurde das Konzernergebnis insbesondere durch weitere Kursverluste im Finanzergebnis in der Höhe von CHF 56.7 Mio. (2021: CHF 37.7 Mio.). Diese sind vor allem auf stichtagsbezogene Bewertungseffekte aufgrund der starken Aufwertung des Schweizer Frankens insbesondere gegenüber dem Euro, zurückzuführen.

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Eigenkapital sinkt von 880.3 auf 779.1 Millionen

Insbesondere als Folge von Meilensteinzahlungen sowie Anzahlungen im Zusammenhang mit neuen Aufträgen erreicht der Free Cash Flow im vergangenen Geschäftsjahr CHF 396.4 Mio. (2021: CHF 434.2).

Die Investitionen (Capital Expenditures) liegen mit CHF 184.5 Mio. leicht unter den Erwartungen (Vorjahreswert: CHF 177.1 Mio., da sich einzelne Zahlungsausgänge in das laufende Geschäftsjahr verschoben haben. Die Net-Cash-Position per 31. Dezember 2022 konnte auf CHF -230.8 Mio. gegenüber CHF -351.1 Mio. per 31. Dezember 2021 erhöht werden.

Aufgrund der konservativen Erfassung des Goodwills, der direkt mit dem Eigenkapital verrechnet wird, sowie belastet durch Währungseffekte sinkt das Eigenkapital per 31. Dezember 2022 auf CHF 779.1 Mio. (31. Dezember 2021: CHF 880.3 Mio.). Bei der Beurteilung der Eigenkapitalquote gilt es zu beachten, dass Anzahlungen aus neuen Aufträgen grundsätzlich zu einer Bilanzverlängerung führen und sich damit negativ auf die Eigenkapitalquote auswirken.

Segment «Rolling Stock»

Im Berichtssegment «Rolling Stock» konnte im Geschäftsjahr 2022 ein starker Anstieg des Auftragseingangs um 52 Prozent auf CHF 7.3 Mia. verbucht werden (2021: CHF 4.8 Mia.). Stadler ist es auch im vergangenen Jahr gelungen, sich sowohl bei zahlreichen kleineren Ausschreibungen wie auch bei mehreren Grossaufträgen gegen die internationalen Mitbewerber durchzusetzen.

Der Auftragsbestand im Berichtssegment wächst dadurch im Vergleich zum Jahresende 2021 nochmals um 27 Prozent auf CHF 17.0 Mia. (31. Dezember 2021: CHF 13.4 Mia.). Der Umsatz im Berichtssegment «Rolling Stock» erreicht CHF 3.2 Mia. (2021: CHF 3.2 Mia.).

Segment «Service & Components»

Der Auftragseingang im Segment «Service & Components» beläuft sich im vergangenen Geschäftsjahr auf CHF 1.2 Mia., was einem deutlichen Anstieg von 58 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode entspricht (2021: CHF 0.7 Mia.). Zu diesem Erfolg hat insbesondere ein Grossauftrag des Projektkonsortiums VDV beigetragen. Der Auftragsbestand steigt dadurch im strategisch wichtigen Servicegeschäft um weitere 8 Prozent auf CHF 4.8 Mia. gegenüber dem Bestand per Ende 2021 von CHF 4.4 Mia.

Mit CHF 453.3 Mio. liegt der Umsatz im Geschäftsjahr 2022 auf Vorjahresniveau (2021: CHF 455.2 Mio.). Insbesondere die starke Aufwertung des Schweizer Frankens hat den Umsatz um rund 7 Prozent negativ beeinflusst.

  

Segment «Signalling»

Als Gesamtanbieter für Lösungen für Schiene und Fahrzeug treibt Stadler auch die Digitalisierung des Bahnverkehrs weiter voran. Neben den fahrzeuggebundenen Signalling-Lösungen hat Stadler seine Signaltechnik-Kompetenzen auch auf der Infrastrukturseite ausgebaut und per 1. Januar 2022 in eine eigene Division mit über 600 Mitarbeitenden zusammengeführt, welche seit dem Geschäftsjahr 2022 erstmals als eigenes Berichtssegment ausgewiesen wird.

Das Berichtssegment «Signalling» verzeichnet vor allem akquisitionsbedingt ein starkes Wachstum. Der Auftragseingang steigt auf CHF 49.0 Mio. gegenüber CHF 3.7 Mio. in der Vorjahresperiode, während der Bestellungsbestand per 31. Dezember 2022 auf CHF 210.4 Mio. steigt (2021: CHF 60.0 Mio.). Auch der Umsatz steigt im Geschäftsjahr signifikant auf CHF 50.1 Mio. von CHF 6.4 Mio. in der Vorjahresperiode.

Wichtigste Auftragseingänge

Der Auftragseingang übertraf das starke Vorjahresniveau und erreichte einen neuen Rekordwert. Die Nachfrage nach innovativen und effizienten Mobilitätslösungen ist weiterhin ungebrochen. Ein erhebliches Volumen konnte aus Grossaufträgen für Fahrzeuge, aber auch im Servicebereich erzielt werden.

Zu Jahresbeginn erhielt Stadler den Zuschlag des VDV-Konsortiums: Sechs Verkehrsunternehmen aus Deutschland und Österreich hatten gemeinsam bis zu 504 Fahrzeuge international ausgeschrieben. Der Rahmenvertrag umfasst neben der Fahrzeugherstellung auch einen auf bis zu 32 Jahre angelegten Instandhaltungsvertrag. Der erste Abruf umfasst 246 Fahrzeugen vom Typ CITYLINK mit einem Volumen von rund EUR 1.7 Mia. Im Februar erteilten die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) rechtskräftig den Zuschlag für einen Rahmenvertrag über 186 Doppelstocktriebzüge an Stadler. Der erste Abruf umfasst 41 KISS für den Einsatz ab 2026 für rund EUR 600 Mio.

Ebenfalls einen Rekordauftrag erhielt Stadler aus der Schweiz: Die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), Thurbo und RegionAlps unterzeichneten mit Stalder einen Rahmenvertrag über bis zu 510 einstöckige Triebzüge des Typs FLIRT. Es handelte sich um die grösste Ausschreibung der Schweizer Bahngeschichte. In einem ersten Abruf bestellten die drei Bahnbetreiber 286 FLIRT bei Stadler mit einem Volumen von rund CHF 2.0 Mia. Zudem lösten die SBB eine Option über weitere sieben Hochgeschwindigkeitszüge vom Typ SMILE aus einem bestehenden Rahmenvertrag ein.

Im Bereich Strassenbahnen verzeichnete Stadler zwei Jahre nach der Markteinführung des Fahrzeugkonzepts TINA gleich fünf Auftragserfolge. Nach der Erstbestellung im Jahr 2020 durch die HEAG Mobilo GmbH aus Darmstadt, den Folgebestellungen der schweizerischen Baselland Transport AG (BLT) und der Rostocker Strassenbahn AG (RSAG) haben sich im August 2022 auch die HAVAG aus Deutschland sowie im Dezember 2022 die niederländische HTM für TINA-Strassenbahnen entschieden. Dieser Erfolg von bereits 191 bestellten TINA innerhalb kürzester Zeit bestätigt, dass das innovative Fahrzeugkonzept dem hohen Anspruch der Fahrgäste sowie Kunden gerecht wird.

Aus Grossbritannien konnte ein Auftrag von Beacon Rail und GB Railfreight über 30 sechsachsige, bimodale Lokomotiven verbucht werden. Die Fahrzeuge sind Teil eines Rahmenvertrages über mindestens 100 Lokomotiven.

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Hohe Nachfrage bei alternativen Antrieben

Im Bereich der alternativen Antriebe konnte Stadler seine Marktführerschaft weiter ausbauen. Neben dem Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein (55 Fahrzeuge) bestellte die DB Regio 44 FLIRT Akku zum Jahresende 2021 und weitere 14 Batteriezüge im laufenden Jahr für den Einsatz im Nordosten Deutschlands.

An der im September 2022 nach vier Jahren wieder stattfindenden international bedeutenden Bahnmesse InnoTrans in Berlin stellte Stadler entsprechend gleich sieben Fahrzeuge mit nachhaltigen Antriebslösungen vor. Zum ersten Mal präsentierte Stadler seinen mit Wasserstoff betriebenen Triebzug FLIRT H2 für den amerikanischen Personenverkehr. Zu den weiteren ausgestellten Fahrzeugen gehörten unter anderem der FLIRT Akku, die stärkste Hybrid-Lokomotive EURO9000 in Europa und die Strassenbahn der nächsten Generation TINA.

Ausblick 2023

Aufgrund der weiterhin soliden Nachfrage erwartet Stadler für das aktuelle Geschäftsjahr einen Auftragseingang im Rahmen der mittelfristigen Finanzziele bei einer Book-to-bill Ratio von ca. 1.5x. Unter der Annahme, dass sich die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die geopolitischen Spannungen stabil entwickeln, erwartet Stadler für das Geschäftsjahr 2023 wiederum einen Umsatz zwischen CHF 3.7 und 4.0 Mia. sowie eine EBIT-Marge auf einem mit dem Geschäftsjahr 2022 vergleichbaren Niveau, Capital Expenditures von rund CHF 200 Mio. sowie einen positiven Free Cash Flow.

Der Verwaltungsrat beabsichtigt, zuhanden der Generalversammlung für das Geschäftsjahr 2022, eine Dividende von CHF 90.0 Mio. (CHF 0.90 pro Aktie) zu beantragen gegenüber CHF 90 Mio. (CHF 0.90 pro Aktie) im Vorjahr.

«Unsere Entwicklung im Jahr 2022 zeigt, dass wir voll auf Kurs sind, und auch in Zeiten mit erheblichen Herausforderungen wie dem russischen Angriff auf die Ukraine, mit hoher Inflation und Währungsverwerfungen sowie den weltweiten Lieferengpässen Höchstleistungen erzielen können. Der sehr hohe Auftragseingang bestätigt einmal mehr, welch grosses Vertrauen unsere Kunden in unsere innovativen Produkte, Zuverlässigkeit und Qualität haben. Mit diesen Voraussetzungen können wir – auch wenn die Herausforderungen weiterhin enorm bleiben – durch die permanente Weiterentwicklung unserer Produkte, der laufenden Optimierung der Prozesse, Effizienzsteigerungen sowie Kostenkontrolle unseren Weg weiter erfolgreich fortsetzen und die Profitabilität nachhaltig steigern», kommentiert Markus Bernsteiner, Group CEO.

  

Mittelfristige Finanzziele bestätigt

Stadler ist nach wie vor überzeugt, dass unter normalen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine EBIT-Marge von 8 bis 9% erreicht werden kann. Angesichts der aktuellen Kombination aus Inflation, Lieferkettenproblemen, Währungsverwerfungen und geopolitischen Spannungen erachtet Stadler hingegen im Geschäftsjahr 2025 eine EBIT-Marge von 7 bis 8% als realistisch. An der Dividendenpolitik mit einer Ausschüttung von rund 60 Prozent des Konzernergebnisses hält Stadler weiterhin fest.

Bis 2025 geht Stadler von einer durchschnittlichen Book-to-bill Ratio von 1.5x und einem durchschnittlichen Umsatzwachstum im mittleren einstelligen Prozentbereich aus. Mittelfristig erwartet Stadler Investitionen (Capital Expenditures) von rund CHF 120 bis 150 Mio. Mit Schwankungen über den Zyklus hinweg erwartet Stadler ein Net Working Capital im Bereich von Null.