Ostschweiz

Schweizer Berufsbildung auch in Indonesien ein Erfolgskonzept?

Schweizer Berufsbildung auch in Indonesien ein Erfolgskonzept?
Workshop in Jakarta: Stefan Kammhuber und Ben Hüter mit Teilnehmern
Lesezeit: 4 Minuten

Die OST unterstützt Indonesien bei der Entwicklung eines nachhaltigen Berufsbildungssystems. Im Gegensatz zur Schweiz geniesst die Berufsbildung in Indonesien keinen guten Ruf. Ein neues System soll dazu beitragen, die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen und die indonesische Wirtschaft zu stärken. Das Projekt wird von einem Team aus Forschern der Schweiz und Indonesien geleitet.

Text: pd

In der Schweiz ist die Berufsbildung ein Erfolgskonzept. Rund 70 Prozent der Jugendlichen entscheiden sich für diesen Bildungsweg und werden in Zusammenarbeit von Unternehmen, Schulen und Gesellschaft berufsgerecht und zukunftsorientiert ausgebildet.

In Indonesien hingegen hat die Berufsbildung im Vergleich zur universitären Ausbildung einen schlechten Ruf und ist stigmatisiert. Gleichzeitig ist sich die indonesische Gesellschaft aber bewusst, dass sich das ändern muss. Unter der Leitung von Stefan Kammhuber, Leiter Institut für Kommunikation und interkulturelle Kompetenz (ikik) an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, erarbeitet ein Team aus schweizerischen und indonesischen Forschern innovative Lösungen für ein Berufsbildungssystem in Indonesien.

Die Frage stellt sich, wie ein solches System in einem Land mit über 270 Millionen Einwohnern, 17’000 Inseln, mehr als 300 Ethnien und 700 Sprachen funktionieren kann. «Es muss genau geprüft werden, welche Elemente des Schweizer Systems in Indonesien sinnvoll und nachhaltig eingesetzt werden könnten», erklärt Kammhuber. Finanziell unterstützt wird das Projekt mit einem «Innovation Partnership Grant» des SBFI und des ETH Leading House Asia.

Erfolgreicher Austausch an Workshop und Konferenz in Indonesien

Um herauszufinden, an welchen Stellen das indonesische Berufsbildungssystem vom Schweizer System profitieren kann, haben Stefan Kammhuber und Ben Hüter, Direktor IDM Thun und Vorstandsmitglied der Schweizer Direktorenkonferenz der Berufsfachschulen, in Jakarta einen Workshop mit Direktoren und Managern von indonesischen Berufsbildungszentren durchgeführt.

Sie haben dafür mit Hora Tjitra, indonesischer Experte digitales Lernen in Unternehmen, Juliana Murtiati, Dekanin Department für Angewandte Psychologie, und Hana Panggabean, Atma Jaya Catholic University of Indonesia in Jakarta, zusammengearbeitet.

«Während des inspirierenden Workshops habe ich begriffen, dass wir in Indonesien bei der Berufsbildung eine 180-Grad-Wende vornehmen müssen», so das Fazit des Teilnehmers Yulius S. Bulo, Operations Director Pertamina Foundation, eine der grössten Unternehmensstiftungen Indonesiens.

Juliana Murniati sieht das gleich: «Wir müssen in Indonesien unsere Einstellung zur Berufsbildung dringend verändern. Weg vom Stereotyp der Berufsbildung als Notlösung für die intellektuell wenig brillanten, wenig motivierten jungen Menschen aus armen Verhältnissen, hin zu einem alternativen Karriereweg für qualifizierte Fachkräfte.»

  
Das Projektleitungsteam: Ben Hüter, Hora Tjitra, Juliana Murniati und Stefan Kammhuber
Das Projektleitungsteam: Ben Hüter, Hora Tjitra, Juliana Murniati und Stefan Kammhuber

Darüber hinaus fand eine Konferenz mit Verantwortlichen aus Wirtschaft, Politik, Berufsbildung und Wissenschaft statt. Unterstützt wurde das Projektleitungsteam von der Schweizer Botschaft in Indonesien, der Schweizer Handelskammer, dem Swiss Business Hub und Swiss Contact. Olivier Zehnder, Botschafter der Schweiz in Indonesien, eröffnete die Konferenz.

«Es geht nicht nur darum, unser Wissen auszutauschen, sondern auch darum, unsere Kräfte zu bündeln, um ein effizienteres Berufsbildungssystem in Indonesien zu entwickeln, von dem alle Beteiligten profitieren», zeigt der Botschafter auf. Die Veranstaltungen sind nicht nur bei den Teilnehmern, sondern auch in allen grossen indonesischen Medien auf Anklang gestossen.

Beide Länder profitieren vom Projekt

Für die Schweiz ist Indonesien ein wichtiger Wirtschaftspartner. Viele Schweizer Unternehmen sind in Indonesien tätig und auf qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen.

Aus indonesischer Perspektive kann eine innovative Berufsbildung mit Elementen des Schweizer Systems helfen, die vielen jungen Menschen besser auszubilden und den immer grösseren Bedarf an qualifizierten Fachkräften zu decken, die Jugendarbeitslosigkeit und die damit verbundenen Kosten zu verringern, die Wirtschaftskraft zu steigern und die soziale Stabilität der Gesellschaft langfristig zu sichern.

Für Ben Hüter ist klar, dass auch die Schweiz von Indonesien lernen kann: «Die Orientierung an den Bedürfnissen der Unternehmen und die Kompetenzorientierung an den drei Lernorten Betrieb, Schule und überfachliche Kurse machen die Stärke unserer Schweizer Berufsbildung aus. Unsere Schwächen sind die mangelnde Flexibilität im System und die Trägheit bei der Umsetzung von Innovationen. Hier erlebe ich Indonesien im Vergleich als sehr dynamisch.»

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Interkulturelle Kompetenz gefragt

Als zentrale Erfolgsfaktoren des Schweizer Systems wurden von indonesischer Seite die frühzeitige Berufsorientierung in der obligatorischen Schule und die Unternehmens- und Kompetenzorientierung bei der Entwicklung der Lehrpläne in der Ausbildung identifiziert. Nun soll ein Modellprojekt in Zusammenarbeit mit den grössten indonesischen Unternehmen und den lokalen Partnern installiert werden, das von dem schweizerisch-indonesischen Expertenteam begleitet werden soll.

Eine einfache Übertragung des Schweizer Systems auf den indonesischen Kontext würde aufgrund der unterschiedlichen kulturellen, geografischen und gesellschaftlichen Bedingungen scheitern.

«Für die Anpassung des Systems ist interkulturelle Kompetenz zwingend erforderlich. Diese haben wir uns in der engen und langjährigen Zusammenarbeit mit unseren indonesischen Kollegen erarbeitet. Ohne gegenseitiges Vertrauen und die Bereitschaft, immer wieder die Perspektive zu wechseln und voneinander zu lernen, könnte das Projekt nicht funktionieren», betont Kammhuber.

Projektleitungsteam und Workshop-Teilnehmer in Jakarta
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