Gemeinsam die Energiewende in der Ostschweiz erreichen
Text: Nora Lüthi
«Es scheint, als würde die Weltgemeinschaft zunehmend vor dem Klimawandel kapitulieren und die Situation als gegeben akzeptieren. Die Schweiz will diese Situation nicht akzeptieren – sie hält am Ziel Netto-Null bis 2050 fest», sagte Prof. Dr. Susanne Kytzia, Leiterin des interdisziplinären Schwerpunkts «Klima und Energie» an der OST – Ostschweizer Fachhochschule. Das setze den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern voraus. «Schaffen wir das?», fragte sie das Publikum und lieferte die Antwort prompt selbst: «Wir müssen es schaffen, denn wir haben keine Alternative.»
Gleichzeitig verliert das Thema Klimawandel in der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung, wie Ralph Brändle, Leiter Amt für Wasser und Energie Kanton St.Gallen, anhand des Sorgenbarometers 2018–2024 zeigte. «Umso wichtiger ist es, dranzubleiben. Wir müssen die Energiewende als Gemeinschaftsprojekt vorantreiben – alle tragen Verantwortung.» Mit diesen Worten eröffneten Susanne Kytzia und Ralph Brändle die diesjährige Klimakonferenz.
Gemeinsame Massnahmen zeigen Wirkung
Weiter wie bisher ist keine Option – das hält auch das St.Galler Energiekonzept 2021–2030 fest. Die darin enthaltenen Massnahmen wurden als Gemeinschaftsprojekt von einer breiten Allianz aus Politik, Verbänden und Wirtschaft erarbeitet. Die Anstrengungen des Kantons zeigen Wirkung, wie Thomas Wartberger, Projektleiter des Energiekonzepts, berichtete: «Die Emissionen in den Sektoren Wirtschaft und Haushalt gehen deutlich zurück.» Besonders beim Ausbau der PV-Anlagen habe der Kanton grosse Fortschritte erzielt.
Im Verkehrssektor hingegen harzt die Entwicklung weiterhin: Trotz steigender Nutzung des öffentlichen Verkehrs bleiben die Emissionen unverändert. «Die Massnahmen sind noch jung – das Potenzial für nachhaltige Mobilität entsprechend gross», sagt Wartberger.
Betroffene zu Beteiligten machen
Zwei Grundvoraussetzungen für den Ausbau erneuerbarer Energieträger sind die Finanzierung und die Akzeptanz in der Bevölkerung. «Die meisten Menschen würden gerne in erneuerbare Energien investieren – aber es muss sich lohnen», erklärte Prof. Pascal Egloff, Leiter des Kompetenzzentrums Banking und Finance an der OST, der früher in einer Bank grosse Wind- und PV-Anlagen betreute.
Damit sich Investitionen lohnen, müssen laut Pascal Egloff die Bau- und Betriebskosten sinken, die Bewilligungsverfahren vereinfacht und die Unsicherheiten für Investoren reduziert werden. «Am Ende sind es viele Menschen, die bereit sein müssen, Kompromisse einzugehen, um solche Projekte zu ermöglichen.»
Voraussetzung für Kompromisse ist jedoch, dass man erstens alle relevanten Akteure kennt und diese zweitens mit zielgruppengerechter Kommunikation abholt. «Alle an einen Tisch bringen, Interessen ausloten, Positionen klären, nachvollziehbare Grundannahmen schaffen», beschrieb Corinna Semling, Leiterin des Kompetenzteams Personal, Kultur und Veränderung bei der BET Consulting GmbH, den Prozess, der Vertrauen zwischen den Stakeholdern und Projektverantwortlichen schafft.
Ein weiterer Erfolgsfaktor sei, Betroffene zu Beteiligten zu machen. Wie das gelingen kann und wie eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Finanzen, Politik und Gesellschaft zur Umsetzung der Energiewende aussehen kann, zeigten zwei regionale Projekte.
Von der Idee zur Umsetzung
Der Windpark Wartau ist schweizweit eines der ersten Windenergieprojekte, das von der öffentlichen Hand gemeinsam mit der Bevölkerung betrieben werden soll. Drei Windräder sollen künftig bis zu 30 Gigawattstunden Strom pro Jahr erzeugen und damit rund 80 Prozent des lokalen Bedarfs decken.
«Das Projekt ist speziell», sagte Ewald Strolz, Präsident der Elektro- und Wasserkooperation Wartau. «Es sind nur lokale Akteure involviert – die Bevölkerung kann sich daran beteiligen.» Der Windpark wird von der Region für die Region gebaut. Das sieht Ewald Strolz als grosse Chance für die grüne Zukunft der Ostschweiz.
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Wie die Energiewende regional konkret umgesetzt werden kann, zeigt auch die rwt Regionalwerk Toggenburg AG. Sie befasst sich momentan mit der Abklärung und Realisierung der Versorgung von Jonschwil und Schwarzenbach mit Fernwärme. Die Wärme stammt aus der Kehrichtverbrennungsanlage Bazenheid.
«Die Fernwärme aus der Kehrichtverbrennungsanlage schafft lokale Wertschöpfung und ermöglicht CO₂-neutrale Wärme», sagte Richard Scheerer, Vorsitzender der Geschäftsleitung der rwt. Auch ihm ist wichtig, die Bevölkerung einzubeziehen, um das Fernwärmenetz wirtschaftlich und nachhaltig weiterzuentwickeln.
Die Zukunft wird elektrisch
Die Redner der Klimakonferenz waren sich einig, wo die Reise künftig hingehen muss, um die Energiewende in der Ostschweiz zu erreichen: «Die Zukunft wird elektrisch», fasste es Prof. Stefan Bertsch, Leiter des IES Institut für Energiesysteme der OST, zusammen. Die Technologien dafür stehen bereit – die Energiequellen und Lösungen sind vielfältig.
«Die Zeit des Abwartens ist vorbei. Die Umsetzung liegt an uns», betonte Stefan Bertsch. Dazu kommt: «Je schneller wir umsetzen, desto günstiger wird es – denn Energieoptimieren spart Geld.»