Gast-Kommentar

Herrschaft sichern

Herrschaft sichern
Louis Grosjean, Partner altrimo
Lesezeit: 3 Minuten

Der Zukauf von Unternehmen erweist sich als Königsdisziplin im Leadership: Hohe Dynamik, unvorhersehbare Risiken und schnelle Entscheide prägen das Geschehen. Wie die Herrschaft in neu eroberten Gebieten zu sichern ist, untersuchte ein gut bekannter Renaissance-Philosoph. Seine Tipps dazu seien heute noch aktuell, wenn ein Unternehmen in «neues Gebiet» eindringt, ist Louis Grosjean in unserer Serie «LEADER-Philosophie» überzeugt.

Alexander der Grosse, Julius Cäsar und Napoleon setzten sich zum Ziel, ihre Herrschaft durch Eroberung zu erweitern. Die heutige Wirtschaftswelt spricht von Zukäufen, zu Neudeutsch «Mergers & Acquisitions» oder M&A. Wie wir wissen, scheitern manche solcher «M&A-Projekte» an der mangelnden Integration des «Targets», d.h. des zugekauften Unternehmens oder Unternehmensteils. Es bleibt ein Fremdkörper im Konzern und muss später wieder verkauft oder zerschlagen werden. Schade! Hilfreich wären da ein paar Tipps, die schon vor gut 500 Jahren von einem Spezialisten der Herrschaft entwickelt wurden.

Techniken der Herrschaft
Niccolò Macchiavelli zählt zu den bekannten Philosophen der Renaissance. In seinem Hauptwerk «Der Fürst» geht er auf viele Aspekte der Herrschaft ein: deren Erlangen, deren Effektivität und deren Erhalt. Macchiavelli beschäftigt sich nicht mit der Moral. Er beschreibt lediglich Techniken der Herrschaft. Das verleiht ihm zwar einen skrupellosen Ruf (s. das Adjektiv «machiavellistisch»), ist aber für eine von den moralischen Wolken befreite Analyse sehr spannend.

Macchiavelli postuliert folgendes: Wenn der Fürst ein neues Gebiet erobert hat, hat er drei Wege, um seine Herrschaft zu sichern:

  1. Die Zerstörung.
  2. Der Herrscher selbst lässt sich im neuen Gebiet nieder.
  3. Das Gebiet wird der Regierung einiger lokaler Bürger überlassen. In diesem Fall sollen diese Bürger ihre Macht und Würde dem Fürsten verdanken, die lokalen Gesetze beachten und dem Fürsten einen Tribut zollen. 

Unternehmensintegration mit Macchiavelli

Was kann man daraus für Unternehmenszukäufe lernen? Die Zerstörung ist logischerweise zu vermeiden, denn wer will schon die teuer erkauften Werte vernichten? Trotzdem beobachtet man immer wieder, wie unter dem Decknamen der «Synergieeffekte» manche Zerstörungsaktion stattfindet und wie arrogante Mid-Manager des Übernehmers Lektionen an die Übernommenen erteilen, mit garantierter destruktiver Wirkung.

Der zweite Weg, nämlich die Niederlassung des Herrschers im neuen Gebiet, ist interessanter. Einst verlegte Alexander der Grosse seine Regierung von Pella in Makedonien nach Persien, das er soeben erobert hatte. Ich finde diesen Gedanken mutig. Der Unternehmer, der sich inmitten der übernommenen Crew bewegt, wird erlebbar. Dadurch kann die Identifikation der «Neuen» im Unternehmen viel schneller vorankommen.

Logischerweise wird es Vernachlässigungsgefühle bei den «Alten» am bisherigen Hauptsitz geben. Aber dieser Situation ist viel besser beizukommen, als wenn sich das zugekaufte Unternehmen dem Übernehmer verschliesst. Sofern ein übernommenes Unternehmen grössere Probleme hat, halte ich diesen Weg für umso sinnvoller. Dann sind nämlich Veränderungen gefragt. Und diese haben nur eine Chance von der übernommenen Crew mitgetragen zu werden, wenn der Leadership unmittelbar spürbar ist.

Der dritte Weg ist der schonendste. Das alte Management im übernommenen Unternehmen wird ausgewechselt, und es kommen vielversprechende Kader aus der zweiten Reihe zum Zug. Diese sind im Betrieb bekannt. Die alte Unternehmenskultur wirdbeibehalten. Wichtig ist, dass die Strategie mit derjenigen des neuen Mutterhauses übereinstimmt und dass es Dividenden gibt.Aus meiner Sicht spricht einiges für dieses Vorgehen bei funktionierenden Unternehmen. Die Integration kann so schrittweise und opportunistisch erfolgen.

Natürlich lassen sich Integrationsprojekte in der modernen Welt nicht auf drei Patentrezepte reduzieren. Die Komplexität von M&A-Projekten ist dafür viel zu hoch. Und dennoch: Wer den kühlen, analytischen Macchiavelli liest und seine persönlichen Werte beimischt, findet sicher Lösungen.

 

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