Gast-Kommentar

Generation Z: verwöhnt – verdammt?

Generation Z: verwöhnt – verdammt?
Text: Louis Grosjean (Bild), Partner altrimo
Lesezeit: 3 Minuten

Die Generation Z stellt uns vor Herausforderungen – so der Tenor in den sozialen Medien und Fachzeitschriften. Ist diese Erscheinung völlig neu? Ich meine nicht. Und wer hat hier welche Herausforderung zu meistern? Primär ist die Generation Z gefährdet, nicht die anderen. Zeigen wir uns solidarisch mit ihr, fordert Louis Grosjean in unserer Serie «LEADER-Philosophie».

Vor ein paar Tagen führte mich der LinkedIn-Algorythmus wieder einmal zum Beitrag einer erfolgreichen Persönlichkeit der Generation Z. Diese beklagte sich abermals über das Unverständnis älterer Mitmenschen gegenüber ihrer Genialität und den Qualitäten ihrer Generation. Da die besagte Persönlichkeit dieses Unverständnis zu ihrem Geschäftsmodell gemacht hat und damit gutes Geld verdient, ist die Klage kommerziell gerechtfertigt. Ist sie es auch philosophisch?

Die neuen Epikureer

Folgende Attribute sollen die Generation Z charakterisieren (siehe u. a. die PwC-Studie 2020 und Wikipedia):

  1. Mutig, selbstbewusst, selbstbestimmt, erfolgsorientiert, digital affin;
  2. Ängstlich, psychologisch angeschlagen, pessimistisch, sicherheitsbedacht;
  3. Hedonistisch, nutzenmaximierend, umwelt- und gesundheitsbewusst, wenig ambitioniert.

Hier fällt mir die Ähnlichkeit mit dem Epikureismus auf. Damit meine ich nicht die «Genusssucht», die der Volksmund mit diesem Begriff verbindet. Ich meine die echte philosophische Lehre Epikurs und seiner Epigonen wie Lukrez in der Antike. Epikureer strebten nach:

  1. Autarkie, d. h. Unabhängigkeit von fremden Einflüssen;
  2. Überwindung ihrer Angst vor Natur- und göttlicher Willkür;
  3. Optimaler Lustbefriedigung zwecks inneren Friedens und Schmerzlosigkeit; Ablehnung schädlicher Begierden, Genügsamkeit.

Zugegeben, die digitale Affinität fehlt. Aber der Rest ist doch verblüffend ähnlich zu den Ansprüchen der Generation Z, oder?

Umso spannender wird es, wenn man die historische Parallele zieht. Epikur lebte im hellenistischen Griechenland, Lukrez im spätrepublikanischen Rom – beides Epochen eines relativen Wohlstandes. Auch unsere Generation Z ist mit den Früchten des ökonomischen Wohlstandes gesegnet.

Überraschend ist das nicht: Eine Gesellschaft, die sich hauptsächlich der Selbstverwirklichung ihrer Individuen widmet, muss zuerst die unteren Schichten der maslowschen Bedürfnispyramide im Griff haben. Damit macht sie sich jedoch auf Dauer verletzlich.

  

Es gibt Grund zur Sorge

Ich teile den Pessimismus der Generation Z. Nicht unbedingt zum Weltgeschehen, sondern zu ihrem Schicksal. Damit spreche ich vor allem den Arbeitsmarkt an.

Aktuell herrscht (noch) Vollbeschäftigung. Es mangelt an Fachkräften und noch mehr an digital affinen Mitarbeitern. Die Generation Z kann mehr oder weniger alles im Bewerbungsgespräch verlangen (und sie tut es auch). Wenn nach ein paar Wochen am neuen Arbeitsplatz nicht alles zu 100% stimmt, wechselt man gerne die Stelle.

Für die nächste Wirtschaftskrise ist die Generation Z damit allerdings ganz schlecht gerüstet. Sie hat nicht gelernt, sich durchzubeissen. Loyalität und Solidarität hat sie nicht unter Beweis gestellt – musste sie auch nicht. Dazu kommt je nach Individuum die erwähnte geringe psychologische Resilienz. Welcher Arbeitgeber wird in der Krise auf solche Persönlichkeiten setzen?

Der Generation Z helfen

Die Epikureer wurden einst von den Christen verdrängt. «Zu egoistisch, zu lustbesessen, zu wenig gläubig» seien sie in den Augen der Anhänger Jesu gewesen. Tatsächlich gingen sie in der harten Zeit des zerfallenden römischen Reichs unter, weil diese philosophische Strömung nicht genügend Rückhalt in der Krise bot. Dagegen blühte die auf Solidarität gründende christliche Religion auf. Das kann eine Lektion sein: Es muss unserer hedonischen Jugend nicht zwingend so ergehen wie den Epikureern.

Zeigen wir uns deshalb solidarisch mit der Generation Z. Bieten wir ihr Werte an, um sich festzuhalten und die Ängste zu überwinden. Fordern wir wohlwollend Loyalität und Leistung ein, statt ihr zu Füssen zu liegen. Verzeihen wir ihre aufbegehrende Art und hören wir ruhig zu, denn etwas hat uns die Jugend immer zu lehren. Wir sind letztlich eine Gesellschaft, nicht das Ergebnis eines Generationenkampfes.

Auch interessant

Im Tiefpunkt verantwortlich
Gast-Kommentar

Im Tiefpunkt verantwortlich

Amputierte Leader
Gast-Kommentar

Amputierte Leader

Es wird schwierig
Gast-Kommentar

Es wird schwierig