Enerige, Waffen, Teuerung: Das sagen die Ständeratskantidatinnen dazu

Text: Gerd Huber
Moderator Dani Sager versuchte die vier Kandidatinnen im Popcorn-geschwängerten Ambiente des Kinotheaters Madlen eingangs der Podiumsdiskussion mit eingängigen Kurzbezeichnungen aus der Reserve zu locken. So etwa SP-Kandidatin Barbara Gysi. Ihr sage man nach, etwa zu ernst, zu trocken zu sein. Was diese nicht abstritt: «Politik ist immer wieder etwas Ernsthaftes. Ich mache Politik für Menschen und bin selbst immer nahe bei den Leuten.»
Polyvalent einsetzbare Bürgerliche
FDP-Vertreterin Susanne Vincenz-Stauffacher wurde als «polyvalent einsetzbar» bezeichnet. Was die Politikerin aber dahingehend deutete, dass Bürgerliche nicht nur für ihre Kernthemen, sondern auch für wichtige soziale Anliegen eintreten. «Bieten wir der Wirtschaft gute Rahmenbedingungen, geht es auch den Arbeitnehmern gut.»
Die Bezeichnung «die Gelehrte» für Franziska Ryser von den Grünen führte diese darauf zurück, dass sie erst vor einigen Monaten ihre Doktorarbeit auf dem Gebiet des Maschinenbauingenieurswesens abgeschlossen habe.
Politik über Parteigrenzen hinaus
Und dass sie mit dem Ruf der «Parteitreuen» in eine Ecke gedrängt werden soll, nahm Ester Friedli von der SVP gelassen. «Ich vertrete ganz klar bürgerliche Werte, wie sie meine Partei auch hat. Aber im Ständerat wird ohnehin Politik über die Parteigrenzen hinweg gemacht. Sachpolitik, die sich an den Interessen des Kantons orientiert.»
Einig waren sich die Kandidatinnen darin, dass Wasserkraft die sauberste zur Verfügung stehende Energiequelle der Schweiz ist. Dennoch waren ihre Standpunkte zu einem angedachten Flusskraftwerk am Rhein in der Nähe von Sargans unterschiedlich. Während Esther Friedli das von der SVP-Fraktion im Kantonsrat angetriebenen Projekt befürwortete, standen Barbara Gysi und Franziska Ryser dem Vorhaben kritisch gegenüber. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis sei angesichts der doch eher niedrigen dort produzierbaren Strommengen und der massiven Eingriffe in die Biodiversität eher negativ.
Möglichkeiten zur Stromversorgung
Friedli und Vincenz-Stauffacher waren sich einig: «Wir können es uns nicht mehr leisten, auf Möglichkeiten zur Stromversorgung zu verzichten. Es ist auf jeden Fall richtig, dass das Rheinkraftwerk nochmals geprüft wird, denn die Voraussetzungen haben sich seit 1914, dem Zeitpunkt der letzten Prüfung, natürlich wieder geändert.»
Gysi und Ryser zogen sich hingegen auf das Argument zurück, dass zunächst jene 15 Projekte, auf die man sich beim Runden Tisch in Bern geeinigt habe, durchgezogen werden sollen. Was Friedli nicht gelten liess: «Man muss so viele Projekte wie möglich auch in der Ostschweiz prüfen und fördern. Nicht nur im Wallis und im Berner Oberland.»
Und Vincenz-Stauffacher sagte unter Hinweis auf die am Runden Tisch beschlossenen Projekte: «Man muss das eine tun und darf das andere nicht lassen.»
Inflation und Teuerung
Auch zum Thema Inflation und Teuerung hatten die vier Politikerinnen unterschiedliche Rezepte. Barbara Gysi pochte darauf, dass die Menschen entlastet werden müssen. Was mit einem garantierten Teuerungsausgleich auf die Löhne und Renten passieren möge.
Franziska Ryser wies darauf hin, dass die Massnahmen gegen die Teuerung nicht mit dem Giesskannenprinzip, sondern gezielt eingesetzt werden müssten. «Da kann man sich an dem guten Instrument der Prämienverbilligung orientieren.»
Susanne Vincenz-Stauffacher hält einen solchen Markteingriff nur für sinnvoll und vertretbar, wenn es sich um eine langanhaltende Verteuerung handelt. «Wir Bürgerlichen haben den Steuersatz im Kanton St.Gallen heruntergeholt. Das ist eine Massnahme, die jeder Haushalt merkt.»
Netznutzungstarif temporär aussetzen
Mit originellen Ideen liess in dieser Hinsicht Esther Friedli aufhorchen. Der Strompreis bestehe zu 45 Prozent aus dem Netznutzungstarif. Dieser könnte temporär ausgesetzt werden, was ein wichtiger Beitrag zur Teuerungsbekämpfung wäre. Dazu die Rentner steuerlich befreien und den Eigenmietwert endlich abschaffen. «Am besten ist es, wenn das Geld direkt bei den Leuten im Portemonnaie bleibt, und nicht zuerst umverteilt wird.»
Einig waren sich die vier Kandidatinnen, dass die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU wieder ordentlich geregelt werden müssten. Es müsse mit den Sondierungsgesprächen und dem bilateralen Weg weitergehen. Friedli sprach sich klar gegen ein Rahmenabkommen aus. Gysi hielt fest, dass bei weiteren Verhandlungen der Lohnschutz beibehalten werden müsse.
Vincenz-Stauffacher wünschte sich einen sektionellen Ansatz, der vielleicht in einem Gesamtpaket mündet und die Personenfreizügigkeit nicht infrage stellen dürfe. Und Ryser meinte, dass zunächst die innenpolitische Diskussion über die Frage, was die Rolle der Schweiz in Europa sein soll, geführt werden müsse. Wenn man keine Einigung findet, so solle geprüft werden, ob nicht ein Beitritt zum EWR ein möglicher Weg sei.
Auch interessant
Hohe Gesundheitskosten
Grosse Einigkeit herrscht auch bei der Frage der zu hohen Gesundheitskosten. Die Rezepte dagegen: Runter mit den Medikamentenpreisen durch Einsatz von Generika, unnötige Operationen und Behandlungen einschränken und über den Kantonsrand hinaus überregional denken und handeln.
Esther Friedli stellte klar, dass die gewünscht beste Gesundheitsversorgung eben auch viel Geld koste. Aber Fehlentwicklungen in der Politik, wie die Schliessung des gerade eben neu erbauten Spitals Wattwil sollten nicht passieren.
Auch zum Fachkräftemangel brachten die Kandidatinnen mannigfache Lösungsvorschläge vor. So plädierte Susanne Vincenz-Stauffacher dafür, dass das inländische Potenzial an Frauen besser gefördert und das Potenzial beim Rentenalter durch eine Flexibilisierung des Pensionsantritts ausgeschöpft werden sollte. Friedli ergänzte, dass verstärkt auf die Berufsbildung geschaut werden solle, und wies darauf hin, dass der Fachkräftemangel ein Phänomen in allen industrialisierten Gesellschaften sei.
KiTa-Plätze ausbauen
Einen anderen Ansatz verfolgte Barbara Gysi, die das Angebot an KiTa-Plätzen ausgebaut haben will. Ausserdem soll Schichtarbeit etwa bei den Pflegeberufen durch Zeit oder Geld besser abgegolten werden. Franziska Ryser wiederum verwies auf das vorhandene Potenzial an Menschen, die zwar in der Schweiz leben, aber mangels Arbeitserlaubnis oder Nichtanerkennung ihrer Diplome keine Anstellung haben.
Marcel Baumgartner, Verlagsleiter der veranstaltenden «Die Ostschweiz» lockte bei den Podiumsteilnehmerinnen noch einige besondere Bekenntnisse hervor. So erläuterte Gysi, dass sie nach wie vor für die Abschaffung der Armee sei. «Aber das werde ich nicht mehr erleben. Wenn die UNO einen Krieg für völkerrechtswidrig hält, dann muss auch die Weitergabe von Schweizer Waffen über Dritte nach Ablauf einer Frist von fünf Jahren möglich sein.»
Um Umweltthemen kümmern
Franziska Ryser beantwortete die Frage über die Abnahme von Grünwählern in den letzten Wahlgängen beinahe fröhlich: «Mich freut es immer, wenn sich auch andere Parteien um Umweltthemen kümmern.»
Und Esther Friedli bekannte freimütig: «Wenn ich im ersten Wahlgang nicht genug Stimmen bekomme, dann werde ich auf ein weiteres Antreten verzichten, damit die Stimmen im bürgerlichen Lager bleiben. Wichtig erscheint mir als Toggenburgerin aber, dass neben Beni Würth, der aus der Stadt kommt, auch ein Ständerat vom Land in Bern für den Kanton St.Gallen wirken kann.»
Es wird noch eine Podiumsdiskussion mit den vier Kandidatinnen geben, die am 23. Februar 2023 im Hotel Einstein in St.Gallen stattfindet.